Fortschritte beim alternativen Hartchrom

Intensive Verfahrensentwicklung

Immerhin gibt es bereits seit mehreren Jahren entsprechende Verfahren auf dem Markt und auch erste Beta-Sites. Aber inwieweit sind diese neuen Prozesse zum heutigen Entwicklungsstand tatsächlich in der Lage, klassische Hartchrom Verfahren zu ersetzen?

Eines der nicht sehr zahlreichen Beschichtungs-Unternehmen in der Branche, das sich intensiv damit beschäftigt, alternative Hartchrom-Verfahren in der Praxis zu erproben, ist die Firma Betz-Chrom aus Gräfelfing bei München. Das Beschichtungsunternehmen hat den Duratry 240 Elektrolyten von Coventya inzwischen in eine serientaugliche Fertigungslinie integriert und auf ein praxistaugliches Niveau von 900 Litern hochskaliert. Damit lassen sich immerhin 900 × 650 × 700 mm große Bauteile mit einem Gewicht von bis zu 250 Kilogramm beschichten. Prinzipiell ist es übrigens nicht möglich, einfach in einer bestehenden Anlage einen Chrom(VI)-Elektrolyten durch einen Chrom (III)-Elektrolyten zu ersetzen.

„Wir haben jetzt über ein Jahr intensiver Entwicklungsarbeit hinter uns“, berichtet der Fertigungsleiter Mohammad Farahani. „Inzwischen sind wir soweit, dass wir auf Kunden zugehen und ihnen Testbeschichtungen auf Versuchsbauteilen anbieten können. Über diesen Zeitraum haben wir zusammen mit Coventya viel Energie und Arbeit in die Optimierung des Elektrolyten und der Prozessparameter investiert.“

Völlig andere Anforderungen

Wer eine Hartchrom-Beschichtung auf Basis eines Chrom(VI)-Elektrolyten gewöhnt ist, muss sich bei einem Chrom(III)-Elektrolyten ganz massiv umstellen. Zum einen ist eine klassische, effektive und sorgfältige Vorbehandlung unumgänglich, noch dazu ist für einen ausreichenden Korrosionsschutz in der Regel eine Unternickelung notwendig. Erschwerend kommt hinzu, dass der Elektrolyt außerordentlich empfindlich gegen Metalleinträge ist. Schon wenn ein metallisches Bauteil ohne Stromfluss länger eingetaucht bleibt, nimmt die Leistungsfähigkeit des Elektrolyten ab. Ganz besonders schädlich sind bereits kleinste Spuren von Chrom(VI). Ein Parallelbetrieb von Chrom(III)-Elektrolyten in der Nähe klassischer Hartchrom Prozesse ist also unmöglich. Genausowenig kann Anlagentechnik übernommen werden, die irgendwann einmal mit Chrom(VI) in Berührung gekommen ist. Betz Chrom konnte zum Glück eine saubere räumliche Trennung umsetzen, indem eine bereits im eigenen Haus bestehende Vernickelungslinie um ein Bad ergänzt wurde. Ein optimales Umfeld, nachdem für alternative Hartchrom-Beschichtungen ohnehin eine entsprechende Vorbehandlung und für einen hinreichenden Korrosionsschutz oft auch eine Vernickelung notwendig ist.

Das Problem Makrorisse

Bei Betz-Chrom können nun reale Bauteile mit bis zu 250 Kilogramm Gewicht beschichtet werden – der Testbetrieb mit Kundenbauteilen läuft. Bild: CB

Nachdem das neue Bad eingerichtet war, begann der Probebetrieb, bei dem zunächst einmal Probebolzen beschichtet wurden. Dabei zeigt sich wenig überraschend ein bekanntes Problem: Aus Chrom(III)-Elektrolyten abgeschiedene Schichten sind makrorissig und weisen durchgehende Risse auf, von denen viele von der Oberfläche bis zum Substrat reichen. Deren Zahl nimmt mit zunehmender Schichtdicke sogar noch ab, während das Volumen der Risse steigt. Damit ist ohne eine zusätzliche Vernickelung kein nennenswerter Korrosionsschutz möglich. Klassischer Hartchrom verfügt demgegenüber über 600 bis 1200 Risse pro Millimeter, von denen kein einziger das Substrat erreicht. Damit war das Ergebnis nicht nur in Sachen Korrosionsschutz, sondern auch bei den tribologischen Eigenschaften gegenüber einer Abscheidung aus einem Chromsäure-Elektrolyten außerordentlich unbefriedigend.

„Uns wurde relativ schnell klar, dass wir mit diesen Schichten auch bei unseren Kunden auf nicht besonders viel Gegenliebe stoßen würden“, erläutert Farahani. „Deshalb begannen wir eine enge Kooperation mit Coventya, um den Elektrolyten und die Parameter weiterzuentwickeln.“ Hauptziel dabei war, die Anzahl der Risse zu vergrößern und deren Ausdehnung zu reduzieren, um näher an die Struktur des klassischen Hartchroms heranzukommen. Vergleicht man die Schliffbilder auf Seite 18 oben, dann wird deutlich, dass hier erhebliche Fortschritte gelungen sind. Zwar gibt es nach wie vor auch durchgehende Makrorisse, aber die Anzahl der Risse hat sich vervielfacht und deren Größe verkleinert. Insgesamt ähnelt der Querschliff nun deutlich mehr dem einer klassischen Hartchrom-Beschichtung.

„Ich halte es inzwischen für absolut denkbar, dass wir uns mit der Zeit bezüglich der Struktur an das klassische Hartchrom heranarbeiten können“, so der Fertigungsleiter. „Als ich noch in der Ausbildung und auf der Meisterschule war, waren bekannte Galvanik-Koryphäen noch fest überzeugt, dass es definitiv nicht möglich sein würde, eine funktionale Hartchrom-Beschichtung aus einem Chrom(III)-Elektrolyten abzuscheiden. Doch das war ein klarer Irrtum wie wir heute wissen. Insofern glaube ich nicht, dass wir es hier mit physikalischen Grenzen zu tun haben, sondern mit Prozesseigenschaften, die wir optimieren können.“

Die bisher erreichten Schichteigenschaften

Zum Vergleich ist hier der Querschliff einer aus einem 6-wertigen Elektrolyten abgeschiedenen Hartchrom Schicht zu sehen. Bild: Betz

Aktuell sind Schichtdicken zwischen fünf und 200 µm möglich, aktuelle Versuche zeigen zudem, dass auch höhere Schichtdicken erreichbar sind – wie beim klassischen Hartchrom nehmen allerdings mit zunehmender Schichtdicke auch die Eigenspannungen zu, was zu einer Destabilisierung führen kann. Die Rauheiten nach der Abscheidung liegen vollständig im Bereich regulärer Hartchrom Schichten. Die Verschleißbeständigkeit im Taber-Abraser-Test erweist sich mit 1,6 mg pro 1000 Umdrehungen gegenüber konventionellen Hartchromschichten sogar als deutlich besser. Die Härte liegt nach der Abscheidung bei 800 HV und lässt sich bis auf 1600 HV bei Warmauslagerung steigern. Problematisch bleibt der Korrosionsschutz, allerdings erlaubt der aktuelle Entwicklungsstand bei einer Schichtdicke von 50 µm immerhin 120 Stunden im Korrosionstest nach DIN EN ISO 9227 NSS. Das entspricht der Schutzwirkung RP 9 für die Hydraulikbranche. Bei einer Hybridbeschichtung mit einer 30 µm NiP-Unternickelung werden 1008 Stunden – oder RP 10 - erreicht. Als gravierenden Punkt für weitere Verbesserungen sieht Farahani auch die antiadhäsiven Eigenschaften an. Für sämtliche Untersuchungen der Schichteigenschaften hat Betz-Chrom das unabhängige Institut für Galvano-und Oberflächentechnik Solingen (IGOS) beauftragt, um unabhängige und belastbare Ergebnisse zu erhalten.

Weil die dreiwertigen Elektrolyte so sensibel auf Metalleinträge reagieren, ist es ausgeschlossen, mit den klassischen Bleianoden zu arbeiten. Das ist ein erheblicher Nachteil, denn Blei ist nicht nur sehr preiswert, es lässt sich auch leicht verformen oder löten. Dadurch können direkt beim Beschichter vor Ort innerhalb von überschaubarer Zeit Formanoden hergestellt werden. „Wir sind bekannt für Spezialteile von Extruder-Schnecken bis hin zu Pumpenrotoren und haben dementsprechend eine umfangreiche Kompetenz im Formenbau hierfür aufgebaut“, erläutert der Fertigungsleiter. „Für solche Bauteile mit komplexen Geometrien müssen die zu beschichtenden Oberflächen oft fast vollständig mit speziellen Formanoden ausgerüstet werden, um eine gleichmäßige Beschichtung zu gewährleisten.“