Schritte in die Zukunft wagen
Eigene Lackiererei mit krisensicherer Stromversorgung bringt Flexibilität und Kundenzuwachs
Um nicht mehr auf Beschichtungsdienstleister warten zu müssen – und weil Hallenfläche frei wurde – investierte ein Metallbaubetrieb in eine eigene, moderne und flexible Pulverbeschichtung. Das zahlte sich aus, denn die erzielte Qualität und kurze Lieferzeiten führten recht schnell zu einer steigenden externen Nachfrage.
Aus logistischen Gründen konnte die SP Oberflächentechnik GmbH, ein Metallbaubetrieb in Hamburg-Farmsen, seine Lagerhaltung stark zurückfahren. So war auf dem Firmengelände plötzlich Platz vorhanden. Der auch im Fenster- und Türen- bau tätige Metallbaubetrieb arbeitete bislang mit externen Lohnbeschichtern, um Farbe auf die Bauteile zu bringen. „Das hat häufig einfach zu lange gedauert“, berichtet Metallbaumeister Marcel Meyer.
Um die Prozesse zu vereinfachen und weniger Schnittstellen in der Projektabwicklung zu haben, kam bei Juniorchef Jan Stütz und Marcel Meyer die Überlegung auf, die Pulverbeschichtung ins eigene Haus zu holen. So konnte der freigewordene Platz gut genutzt und die Fertigungstiefe ausgebaut werden.
Eigene Lackiererfahrung war bei beiden bereits vorhanden: Im bestehenden Unternehmen gab es bereits einen Nasslackierplatz, welcher nun auch mit ausgebaut und ein fester Bestandteil der SP Oberflächentechnik GmbH wurde. „Wir konnten uns sehr gut vorstellen, selbst zu beschichten – für den Metallbaubetrieb, aber auch für externe Auftraggeber“, sagt Meyer. Und so gründeten sie im März 2022 eine eigene Lohnbeschichtung.
Schnelle und nachhaltige Installation
Zunächst suchten Meyer und Stütz in ihrer Nähe nach einem Anlagenbauer, doch das passende Konzept für die gestellten Ansprüche wurde zunächst nicht gefunden. Wichtig war den beiden Gründern ein sehr hoher Grad an Flexibilität. Über eine Suchmaschinen-Anfrage stießen sie auf den Wimsheimer Lackieranlagenspezialisten Meeh. Dessen Vertriebsingenieur Dietmar Damm machte sich auf den Weg nach Hamburg und begutachtete die Situation vor Ort.
„Er verstand sofort, was wir wollten und hatte gleich das richtige Anlagenkonzept im Kopf“, berichtet Meyer. Das modulare Konzept ermöglicht einen Anlagenaufbau, der sich ganz auf individuelle Anforderungen zuschneiden lässt. Die Jumbo-Coat-Module umfassen Pulverkabine, Waschkabine, Einbrennofen sowie Fördertechnik und sind bei Bedarf erweiterbar, um sich flexibel an steigende Anforderungen anzupassen. Auch die versprochene kurze Planungs- und Umsetzungsphase sprach für Meeh.
Gern nahm der Metallbaumeister das Angebot des Anlagenherstellers an, für einige Tage Lackierluft zu schnuppern und die Prozesse direkt in der Lohnbeschichtung von Meeh in Wimsheim kennenzulernen. „Anschließend habe ich den Vertrag direkt vor Ort unterschrieben – nach kleineren Änderungen am Grundriss sowie an wenigen Parametern“, berichtet er. So ging der Zuschlag an Meeh, nachdem dessen Jumbo-Coat-Anlagenkonzept auch in der Praxis überzeugt hatte.
Montage vor Zeitplan fertig
Im Mai 2022 begann die Montage der Anlage in Hamburg-Farmsen und dauerte rund zweieinhalb Monate. Sie begann zunächst mit dem Ofen, dann folgten die Lackier- und die Waschkabine. Wie bei Anlagenhersteller Meeh üblich, stellte Meyer ein Montageteam aus eigenen Leuten zusammen, die unter der Anleitung eines Meeh-Monteurs sämtliche Komponenten zusammenbauten. Man sei mit der Montage schon eine Woche vor Zeitplan fertiggeworden, erinnert sich der Geschäftsführer. Von Vorteil war, dass nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch die Mitarbeiter bei SP Oberflächentechnik sich bereits vor der Inbetriebnahme gründlich mit der Anlage vertraut machen konnten.
Flexibilität ohne Schattenseiten
Die Anlage umfasst die parallel angeordneten Module Waschkabine, Pulverbeschichtungskabine und Einbrennofen. Den Kabinen vorgelagert sind 17 „Parkplätze“, auf denen die Bauteile auf Traversen an speziellen Warenträgern aufgehängt und für die Beschichtung vorbereitet werden. Hier können sie auch nach dem Ofendurchlauf wieder abkühlen. In Querrichtung wird die Hängebahn elektrisch bewegt, in Längsrichtung wird die Traverse manuell verschoben. Weitere 15 Traversen, also T-Träger mit Rollen sowie die Querverfahrbahn sorgen dafür, dass sich die aufgehängten Bauteile einfach durch die Anlage und in die jeweilige Kabine bewegen lassen.
Die Pulversprühkabine ist mit einer vertikalen Absaugung und Zuluftführung über die Kabinendecke ausgestattet. Die Absaugung des überschüssigen Pulvers erfolgt durch einen Patronenfilter, während die gereinigte Luft über einen Sicherheitsfilter zurück in die Halle geführt wird. Die Applikationstechnik, ein „Optiflex“-Modell, stammt vom Schweizer Hersteller Gema.
Auf der neuen Anlage, die nun seit zwei Jahren ohne Störungen läuft, werden metallische Substrate – Alu, Stahl, Edelstahl beziehungsweise alle Metalle – beschichtet. Die Vorbehandlung der Bauteile erfolgt mechanisch in der Strahlkabine, die sich vor der Werkhalle in einer separaten Halle befindet. Dann werden die Bauteile an die Warenträger gehängt und durchlaufen zunächst die Waschkabine, in der sie automatisiert oder per Hand entfettet werden. Die Aluminiumbauteile werden hier auch passiviert, um eine korrosionsfördernde Oxidschicht zu verhindern; Blechbauteile erhalten vor der Grundierung lediglich einen Anschliff. Nach dem manuellen Auftrag des Pulvers werden die Bauteile manuell über den Querverschub in den Pulverofen gefahren. Meeh hat die Anlage so konzipiert, dass die Abwärme des Ofens direkt in einen Wärmespeicher geführt wird, der die Gebäudeheizung inklusive Fußbodenheizung sowie die Warmwasserversorgung auf dem gesamten Gelände der Firmengruppe speist. Die Wasseraufbereitung für die Nachspülung der gewaschenen Werkstücke vor der Passivierung mit VE-Wasser erfolgt durch eine in das Waschsystem integrierte Umkehrosmose.
Krisensichere Stromversorgung und Kundenzuwachs
Während der Montage, die in den Anfang des Ukrainekriegs fiel, wollten Stütz und Meyer den Ofen im Notfall auch mit Strom betreiben können – zumal sie zu diesem Zeitpunkt tatsächlich auch keinen Gasvertrag abschließen konnten, wie sich Meyer erinnert. Deshalb entschied man sich für ein großes Stromaggregat auf dem Firmengelände.
Eigentlich sollte zur Produktionsunterstützung auch Photovoltaik auf dem Firmendach installiert werden. Das ist derzeit jedoch nicht möglich, weil die Stadtwerke dafür eine zusätzliche Trafostation aufstellen müssten. Ab August 2022 konnte es mit dem Beschichten losgehen. Allerdings waren die ersten Monate sehr verhalten, bevor ab Januar 2023 die Aufträge durch die Decke gingen.
Zu den Kunden zählen inzwischen Schlosser und Metallbauer, hinzu kommen viele Industriekunden sowie die Lebensmittelindustrie, für die SP zum Beispiel Mahlwerke beschichtet, aber auch die Lackierung von Anbauteilen sowie gesamter Fertigungsstraßen übernimmt. Daneben beschichtet das Team Metalltüren für Schulen inklusive Montage, Loftwände oder auch Lampen für einen namhaften Designer. Rund eine Woche dauert die Auftragsabwicklung derzeit im Hamburger Nordosten. Die SP Oberflächentechnik bietet als Beschichtungsunternehmen einen vollständigen Abhol- und Bringservice, auch innerhalb von 24 Stunden. „Wir wollen den Kunden einen maximalen Service bieten und der bessere Partner sein. Deshalb übernehmen wir beispielsweise auch Montagetätigkeiten“, erklärt der Geschäftsführer. Die Farbvielfalt ist groß – das Lacklager umfasst inzwischen rund zehn Tonnen Material.
Direkt bei der Gründung im März 2022 stellte das junge Unternehmen zwei Mitarbeiter für die Lackierung ein. Gerade am Anfang war es schwierig, Personal zu finden – das sei auch der Grund gewesen, in die Waschkabine nachträglich einen Waschautomaten einzubauen, sodass die Vorbehandlung automatisiert erfolgt. Jetzt sind in Produktion, Verwaltung sowie Logistik elf Mitarbeiter tätig. Ab 2025 soll der Zweischichtbetrieb starten, wenn die Personalaufstockung gelingt.
Der größte Auftrag des noch jungen Unternehmens war die Beschichtung sämtlicher Tore des Hamburger Großmarktes – die Abarbeitung ist noch im Gange und erfolgt sukzessive. Aber auch die Beschichtung von 50 großen Industriemaschinen habe für eine sehr hohe Auslastung gesorgt, „wir hätten drei Wochen am Stück durcharbeiten können“, sagt Meyer zufrieden. Denn die Investition in die eigene Beschichtungstechnik hat sich schon jetzt, zwei Jahre nach Montageende, voll und ganz gelohnt.