Nicht weniger, aber auch nicht mehr!

Wegweisendes neues Messverfahren für die Beschichtung von Holz und flächigen Substraten

Bilder: Apos / Hesse Lignal

Ein neu entwickeltes Messverfahren erlaubt es, auch in schwierigen Produktionsumgebungen Schichtdicken per NIR-Spektroskopie zuverlässig und kontinuierlich zu überwachen und so Qualität und Kosten zu optimieren.

Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und auch der CO2-Fußabdruck gehören nicht erst seit gestern zu den dominierenden Gesprächsthemen in den Produktionsabteilungen. Gleichzeitig ist es bisher in vielen Bereichen der Holz- und Möbel-industrie kaum möglich, eine in diesem Zusammenhang sehr entscheidende Größe in ausreichendem Maße zu überwachen – die aufgetragenen Lackmengen. Zum Beispiel bei der Beschichtung von Flachsubstraten im Walzverfahren kann die aufgetragene Lackmenge nur in größeren Abständen überprüft werden, indem regelmäßig Probematerial gewogen und archiviert wird. Sieht man einmal davon ab, dass im ungünstigen Fall Messungen aus möglicherweise sogar wichtigen Gründen ausgelassen werden, führen auch die aus den Messergebnissen abgeleiteten Maßnahmen nicht unbedingt zur Einhaltung der Schichtdicken-Vorgaben, sondern in der Regel zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Sägezahneffekt.

Manuell in den Prozess eingeschleuste Proben zu beschichten und zu wiegen ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch fehleranfällig. Zudem haben  Motivation und Sorgfalt der Mitarbeiter erheblichen Einfluss. Insbesondere, wenn Parameterveränderungen notwendig sind, hängt es konkret von den Fähigkeiten des entsprechenden Mitarbeiters ab, wie gut anschließend die Ist-Schichtdicke mit der Soll-Schichtdicke übereinstimmt. Da die nächste Messung dann oft erst nach etwa einer halben Stunde stattfindet, gibt es auch kein unmittelbares Feedback für den Mitarbeiter.

Bisher keine Alternative zur manuellen Prüfung

Diese Problemstellung brachte Dirk Conrad, Leiter der Anwendungstechnik beim Lackhersteller Hesse Lignal, auf den Gedanken, dass es notwendig wäre, eine Lösung zu finden, um die Messung der Lackauftragsmengen berührungslos und im Prinzip kontinuierlich durchführen zu können.

„Wir haben alle bekannten Verfahren im Vorfeld sorgfältig durchgetestet“, erläutert er. „Allerdings haben wir kein Verfahren gefunden, das in allen Disziplinen, die für uns wichtig waren, ausreichend präzise und vor allem zuverlässig genug war.“

Insbesondere zeigten bereits am Markt befindliche Methoden zur berührungslosen Schichtdickenmessung im Produktionsumfeld der Holz- und Möbelfertigung in zu hohem Maße Anfälligkeiten für Störungen durch Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Deshalb blieb keine andere Wahl, als eine alternative Messmethode zu suchen. Das Entwicklerteam bei Hesse kam auf die Idee, ein Verfahren zu testen, das im Bereich der Holzverarbeitung bereits zum Einsatz kommt – allerdings zur Bestimmung der Feuchtigkeit des Materials. Das hierfür verwendete Messverfahren basiert auf der Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR).

Neues Messverfahren erfüllt alle Anforderungen

Ursprünglich wurde diese Technologie zur Messung der Feuchtigkeit in Holzspänen und des Proteingehalts in Getreide ent-
wickelt. Dabei werden Signaturen bestimmter Stoffe detektiert. Von daher war zu erwarten, dass das Messverfahren in der Lage sein würde, für einen bestimmten Lack spezifische Stoffsignaturen auf einer Oberfläche nachzuweisen. Anhand der Quantität ließe sich dann mithilfe von Kalibrierungsergebnissen auf die Schichtdicke schließen.
Der Lackhersteller kontaktierte das Unternehmen APOS, das NIR-Spektroskopie-Messsysteme für die bisher bekannten Anwendungen herstellt, und es zeigte sich schnell, dass der Ansatz vielversprechend war. Daraufhin gelang es in einem erstaunlich kurzen Zeitraum von weniger als einem Jahr, die Messmethodik zu adaptieren und ein entsprechendes Messsystem zu entwickeln und zu validieren.

Mehr Prozesssicherheit durch kontinuierliche Messung

Mittels der NIR-Spektroskopie sind keine absoluten Schichtdicken-Messungen möglich, jedoch lassen sich durch eine entsprechende Kalibrierung Genauigkeiten von etwa 1 g/Quadratmeter erreichen – bei einem zum Beispiel in der holzverarbeitenden Industrie üblichen Beschichtungssoll von etwa 20 g/Quadratmeter. Voraussetzung dafür ist, dass für jede zu messende Lacksorte entsprechende Kalibrierungen erfolgen.

Die Erfahrungen zeigen, dass hierfür in der Regel 50 Messungen ausreichen. Für Lacke von Hesse Lignal gibt es bereits erste Kalibriernormale, auf die Kunden zurückgreifen können. Ergänzungen und Erweiterungen sind stets und mit Unterstützung des Technikums von Hesse Lignal möglich. Das UV-NIR Messsystem wurde bereits intensiv erprobt.

Bei der Walzenbeschichtung von Flachsubstraten führen Änderungen von Temperatur und Luftfeuchte sehr schnell zu einer signifikanten Erhöhung oder Absenkung der Viskosität und damit einer Veränderung der applizierten Schichtdicke.

Durch die kontinuierliche und präzise Überwachung der Schichtdicke kann eine gleichmäßige und konsistente Beschichtung sichergestellt werden. Dies ist besonders wichtig, um die Beständigkeit und die optischen Eigenschaften der Produkte zu verbessern und die erforderlichen Standards sowie die gewünschten mechanischen und chemischen Eigenschaften zu erfüllen. Letztere sind besonders entscheidend für für Produkte, die hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Fußböden oder Möbeloberflächen.

Gegen den Sägezahneffekt

Nach dem Stand der Technik bleibt dem Anlagenführer nur, die Parameter nach Gefühl und Erfahrung nachzujustieren. Häufig kann er dann erst eine halbe Stunde später nachprüfen, ob und wie seine Maßnahmen gewirkt haben. Zu bedenken ist außerdem, dass keinesfalls als sicher angenommen werden kann, dass die Prozessbedingungen in diesem relativ langen Zeitraum konstant bleiben. Somit kann der Mitarbeiter nie sicher sein, wie zielführend seine Maßnahmen wirklich waren. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Schichtdicke eher zu weit nach oben korrigiert wird, um nicht Gefahr zu laufen, die Soll-Schichtdicke zu unterschreiten.

Denn Letzteres würde bei den Kunden zu Qualitätsmängeln führen, die auch noch recht schnell zu Tage treten können. Zu hohe Schichtdicken führen dagegen zwangsläufig zu unnötig hohen Kosten, einer verschlechterten CO2-Bilanz und unter Umständen außerdem zu Qualitätsmängeln bei der Appearance. Als Schlussfolgerung ist davon auszugehen, dass die in unserem Beispiel der Parkettherstellung als Zielvorgabe gesetzten 20 g/Quadratmeter Lackauftrag die meiste Zeit nicht eingehalten werden.

Patrick Boelhauve, Technischer Leiter bei APOS, stimmt dem zu und ergänzt: „Bei dem Einsatz unseres Messsystems hat sich gezeigt, dass es zu einer Nivellierung der Auftragsmengen kommt. Aus dem sonst üblichen mehr oder weniger ausgeprägten Sägezahn wird eine gedämpfte Sinusschwingung mit minimaler Amplitude. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Schichtdickenschwankungen enorm reduziert werden, und vor allem, dass die Auswirkungen von Parameteränderungen unmittelbar und konstant verfolgt werden können. Das führt letztendlich auch zu einem wesentlich effektiveren Wissensaufbau über die Beschichtungsparameter bei den Anlagenführern.“

Die kontinuierliche und präzise Überwachung der Schichtdicke führt zu einer garantierten mechanischen Beständigkeit trotz minimalen Lackverbrauch, was gleichzeitig die Lebensdauer der Produkte optimiert, Einsparungen bei der Trocknung ermöglicht und die optischen Eigenschaften der Produkte konstant hält.

Aushärtegrad einer UV-Beschichtung bestimmen

Das Messsystem bietet aber noch eine weitere, für die Branche ebenfalls höchst relevante Fähigkeit. Über die NIR-Spektroskopie ist es möglich, den Aushärtegrad einer UV-Beschichtung anhand der Signatur der durch die Aushärtung entstehenden Molekülgruppen zu bestimmen. Jeder, der immer mal wieder auftretende Probleme von Möbelherstellern mit Produkten analysiert hat, bei denen der UV-Lack partiell oder sogar flächig nicht vollständig ausgehärtet war, weiß, dass das kein zu unterschätzendes Thema ist.

Denn UV-Lack, der nicht die notwendige Lichtdosis im entsprechenden Wellenspektrum erhalten hat, wird weder in Monaten noch in Jahren jemals vollständig aushärten. Stattdessen drohen Emissionen mitunter gesundheitsschädlicher und für den Kunden riechbarer Stoffe. APOS und Hesse konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass es möglich ist, über die NIR-Spektroskopie den Aushärtegrad von Beschichtungen exakt zu bestimmen und somit auch exakte Toleranzgrenzen festzulegen.

Carsten Brinkmeyer von der Hymmen GmbH erläutert: „Das System ist in der Lage, die Umsetzung der Photoinitiatoren mit dem Aushärtegrad nach Ferris zu vermessen, was einen riesigen Vorsprung in der Qualitätskontrolle bedeutet.“

Funktionsweise des Messverfahrens

Das NIR-Messsystem besteht aus mehreren Schlüsselkomponenten. Der Messkopf kann in einem nahezu beliebigen Abstand über dem Transportband installiert und bei Bedarf auch verfahren werden. Er kann bis zu 60 Messungen pro Sekunde durchführen und damit fast eine durchgehende Linie auf dem Objekt erfassen. Bei der Auswertung werden diese Messungen automatisch gemittelt, um präzise und verlässliche Daten unabhängig von geometrischen Einflüssen wie zum Beispiel Bohrungen oder Nuten zu gewährleisten. Die zentrale Spektroskopie-Einheit analysiert die Spektren und berechnet die Rohdaten. Diese Daten werden dann an einen PC mit der APOS-Visualisierungssoftware übertragen, die eine benutzerfreundliche Schnittstelle zur Bedienung und Anzeige der Ergebnisse bietet.

Boelhauve erläutert weiter, wie die Technologie die Lackauftragsmenge überwacht: „Die Arbeit mit diesem System ist einfach, wir haben eine Art von Ampelfunktion eingeführt, die eine eindeutige und schnelle Bewertung erlaubt. Diese Echtzeitüberwachung macht es leicht, die Schichtdicke konstant nachzuführen und reduziert die Notwendigkeit für manuelle Kontrollen im Prinzip auf Null. Noch dazu wäre es vorstellbar, bei Abweichungen von der Soll-Schichtdicke entsprechende Einstellparameter für die Adaption der Anlage auszugeben, um mit möglichst wenig Iterationsschritten die optimale Schichtdicke wiederherzustellen.“

 

Überschaubarer Kalibrierungsaufwand

Festzuhalten ist, dass es sich um ein relatives, vergleichendes Messverfahren handelt, deshalb müssen Kalibrierdurchgänge mit den zu verwendenden Lacken durchgeführt werden. Dazu reichen laut den Erfahrungen von Hesse etwa 50 Messproben. „Man kann sie entweder ganz traditionell mit den ohnehin in der Fertigung erstellten Proben innerhalb von ein bis zwei Schichten erstellen oder man fährt zwei bis drei Stunden kontinuierlich die Messproben und hat das Thema dann abgeschlossen“, so Conrad. „Prinzipiell ist es auch so, dass wir als Lackhersteller daran arbeiten, entsprechende Datenbanken aufzubauen, um den Einsatz dieses Messsystems für die Kunden zu erleichtern.“

Wirtschaftliche Vorteile und Amortisation

Das NIR-Messsystem ist flexibel und kann problemlos auch nachträglich in bestehende Produktionslinien integriert werden. Insbesondere spielt der Messabstand sowie der Werkstoff des Substrates selber kaum eine Rolle. Es ist sogar möglich, mehrere übereinanderliegende Schichten zu vermessen. Hierzu sind dann aber in der Regel zwei Messköpfe notwendig. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass die besonders teure Komponente der Messtechnologie, das NIR-Spektrometer, mit zwei Messköpfen parallel arbeiten kann.

Die wirtschaftlichen Vorteile des NIR-Messsystems sind erheblich. Durch die Reduzierung des Materialausschusses, die Optimierung der Produktionsprozesse und die Verbesserung der Produktqualität können Unternehmen signifikante Kosteneinsparungen erzielen. Dirk Conrad erklärt, dass schon eine Reduzierung der Ausschussquote um nur 0,5 Prozent bei einem typischen Parketthersteller jährliche Kosten-
einsparungen von etwa 120.000 Euro bedeutet. Diese Einsparungen resultieren nicht nur aus dem reduzierten Materialverbrauch, sondern auch aus der geringeren Notwendigkeit von Nacharbeiten und der damit verbundenen Einsparung von Arbeitskosten.

„Alleine, dass keine Wiegeprotokolle und Proben mehr notwendig sind, führt zu erheblichen Kostenreduzierungen“ so Conrad. „Nehmen wir einen typischen Hersteller von Parkett, der produziert ungefähr 600 Quadratmeter Probenmaterial pro Monat, das beschichtet, anschließend gewogen, eine Zeit lang gelagert und schließlich nach einer gewissen Aufbewahrungsfrist entsorgt werden muss.“

Zusätzlich zur Reduzierung des Materialausschusses trägt das System zur Steigerung der Produktionseffizienz bei. Die kontinuierliche Überwachung und automatische Anpassung der Produktions-
parameter ermöglicht eine stabilere und effizientere Fertigung, was zu einer Verringerung der Stillstandzeiten und einer erhöhten Gesamtproduktivität der Anlagen führt. Gleichzeitig werden bei den entsprechenden Mitarbeitern durch den Wegfall der manuellen Qualitätskontrolle Kapazitäten freigesetzt, die in Zeiten des Fachkräftemangels sinnvoll für andere Aufgaben genutzt werden können.
Weiterhin ermöglicht die kontinuierliche Datenerfassung und -analyse eine umfassende Prozess- und Qualitätsüberwachung. Die gewonnenen Daten können genutzt werden, um Schwachstellen im Produktionsprozess zu identifizieren und gezielte Verbesserungsmaßnahmen zu ergreifen.

Die Grafik zeigt Spektren aus einem Kalibrierungsprozess, der notwendig ist, um aus den vergleichenden Messungen Rückschlüsse auf die absoluten Lackauflagen ziehen zu können.

Fazit

Das UV-NIR Messverfahren stellt einen bedeutenden Fortschritt für die Holzverarbeitungsindustrie dar. Durch die präzise und kontinuierliche Messung der Schichtdicke werden sowohl die Produktionsqualität als auch die Effizienz erheblich gesteigert. Die daraus resultierenden Kosteneinsparungen und der Qualitätsgewinn machen diese Technologie zu einer interessanten Investition. Die Fähigkeit, den Aushärtegrad der Beschichtung zu bestimmen, erhöht die Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit der Produkte und reduziert das Risiko von Reklamationen erheblich.

„Das Interesse im Markt ist bereits sehr groß“, beschreibt Conrad die Resonanz. „Wir haben bereits mehrere Interessenten, die sich das System angeschaut haben und sofort Feuer und Flamme waren. Zwei Unternehmen werden das Verfahren jetzt in der Fertigung testen. Auch waren wir bereits bei mehreren renommierten Veranstaltungen eingeladen, zu diesem Thema vortragen.“

Diese wegweisende Technologie zeigt eindrucksvoll, wie bestehende technische Lösungen auf neue Anwendungsbereiche übertragen werden können, um spezifische Herausforderungen zu meistern und bedeutende Verbesserungen in der Produktion zu erzielen. Die Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit des Systems ermöglicht eine einfache Integration in bestehende Produktionslinien und bietet den Betrieben eine leistungsfähige Lösung zur Optimierung ihrer Produktionsprozesse und zur Sicherung der
Produktqualität.