Mehr Effizienz als Ausweg
Unsere Gesprächspartner
Die Schirmer Galvanik ist ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern, das überwiegend Beschichtungen mit Zink- und Zinklegierungsverfahren sowie Zinklamellenbeschichtungen für erhöhte und sehr hohe korrosionstechnische Anwendungen anbietet. Kunden kommen aus allen Industriebereichen, es geht sehr viel in Automobilbereich, aber auch Medizintechnik, Bautechnik oder Elektrotechnik.
Hohe Energiepreise, Gasmangellage – wie agiert man als Unternehmer in diesen turbulenten Fahrwassern ?
Klaus Marthold ist Gschäftsführer der Schirmer Galvanotechnik GmbH, Dagmar Richert kaufmännische Leiterin. Beide sehen zusätzlich zu der angespannten Lage in Bezug auf Energie und Lieferketten in der Unentschlossenheit und Strategielosigkeit der Politik ein erhebliches Risiko für die Zukunft des Industriestandortes Deutschland.
mo: Was ist für Sie momentan die größte Herausforderung?
Richert: Wir stecken in einem Spagat aus Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit. Die vielen, früher unvorstellbaren Ereignisse von der Corona-Pandemie bis zum Ukraine-Krieg und der Energiekrise schaffen völlig neue Herausforderungen. Dazu kommt noch die Lieferkettenproblematik. Mittlerweile werden Produkte verknappt, bei denen man sich das früher niemals hätte vorstellen können – zum Beispiel Salzsäure. Das ist für uns ein großes Thema.
mo: Wie wirken Sie dem entgegen?
Richert: Wir intensivieren unsere Kundenkontakte und versuchen trotz allem eine optimale Dienstleistung zu bieten und den Kunden zufriedenzustellen. Außerdem arbeiten wir gezielt mit Zuschlägen, so dass der Kunde jederzeit und transparent über unsere Website informiert ist, wie sich die Rohstoffpreise entwickeln. Diese Koppelung an börsennotierte Werte reduziert den Diskussionsbedarf erheblich.
Marthold: Bei den Rohstoffen haben wir derzeit eine sehr hohe Volatilität und nur über diese Zuschläge können wir steigende, aber auch fallende Preise schnell weitergeben. Deshalb kommt diese Strategie bei den Kunden gut an.
mo: Wie handhaben Sie das bezüglich der Energiepreise?
Richert: Bei der Energieversorgung müssen wir den Kunden so einbeziehen, dass er ebenfalls an Erhöhungen beteiligt wird, aber auch schnell von Preissenkungen partizipieren kann. Es muss jederzeit transparent nachvollziehbar sein, was passiert.
mo: Was sind weitere Maßnahmen um die aktuelle Situation zu bewältigen?
Marthold: Im Vordergrund stehen Sparmaßnahmen in allen Unternehmensbereichen. Besonders zu schaffen macht uns die Situation mit Gas und Strom – man bekommt von Versorgern kaum noch Angebote.
mo: In welcher Größenordnung verbraucht Ihr Unternehmen Strom, Gas und Wärme?
Marthold: In der Galvanotechnik funktioniert alles mit Strom und vor allem unsere elektrolytischen Prozesse brauchen viel elektrische Energie. Hinzu kommt, dass unsere ganzen Salze, Metalle und die Grundchemie energieintensiv in der Herstellung sind. Das erschwert es ungemein, die Situation zu handeln. Allerdings hilft uns, dass wir ein Energiemanagement.System in allen Ebenen des Betriebes haben und so alle Verbrauchsdaten im Zugriff haben. Wir können sogar ein Leck bei einem Kompressor diagnostizieren – anhand des erhöhten Stromverbrauchs.
mo: Welche Optimierungsmaßnahmen betreiben Sie bezüglich der Anlagentechnik?
Marthold: Wir haben zum Beispiel eine größere Anzahl Gleichrichter bezüglich ihrer Wirkungsgrade prüfen lassen – heraus kam ein Wert von etwa 60 Prozent. Daraufhin haben wir in modernere elektronische Gleichrichter investiert, die nachweislich einen Wirkungsgrad von fast 100 Prozent aufweisen. So versuchen wir den Energieverbrauch zu reduzieren und die Stromspitzen zu brechen. Denn wir wissen durch unser Energiemanagement genau, wo an welchem Tag zu welcher Zeit eine Stromspitze stattgefunden hat und wir verwenden entsprechende Programme, mit denen sich diese Stromspitzen glätten lassen. Dabei sehe ich uns durchaus als Vorreiter in der Branche. Auch im Bereich Abwassertechnik hatten wir schon immer eine hohe Motivation, besser zu sein als der Stand der Technik. Das setzen wir in der Energiekrise weiter fort. Gerade jetzt, wo Ressourcen und Energie so teuer sind, ist jeder Schritt, den man schon in diese Richtung gegangen ist, ein Vorteil.
mo: Wie halten Sie es mit den regenerativen Energien?
Marthold: Wir planen eine Solaranlage mit 200 kW Peak-Leistung und außerdem eine Umstellung unseres Fuhrparks auf Elektromobilität. Alleine die Solaranlage wird bis zu 100 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.
mo: Wie versorgen Sie sich mit Energie?
Marthold: Wir sind dabei unsere Einkaufsstrategie zu wechseln, denn wir erhalten wie schon erwähnt kaum noch Angebote. Und eine Versorgung über den Spotmarkt ist bei den aktuellen Preisen nicht vorstellbar, die sind unbezahlbar. Von der Politik fehlen hier eindeutige Signale, damit die Stromanbieter überhaupt in die Lage versetzt werden, Angebote zu machen. Auch denen fehlt momentan jegliche Planungsgrundlage, denn die müssen sich ja wiederum ihre Energiemengen am Markt sichern.
mo: Wie schätzen Sie die Energie-Liefer-
sicherheit in den kommenden Monaten ein?
Richert: Die Frage, ob die Stromversorgung grundsätzlich gesichert ist, kann aus meiner Sicht momentan niemand seriös vorhersagen. Und das kann einem schon Angst machen. Aber alles was wir tun können ist, durch Energiesparmaßnahmen den Verbrauch zu senken.
mo: Ist Kraft-Wärme-Kopplung für Sie ein Thema?
Richert: Das macht in unserer Größenordnung keinen Sinn. Für den Einsatz einer Kraft-Wärme-Kopplung müsste unter anderem die gesamte Wärmeversorgung in unserem Standort umgebaut werden. Das wäre eine gewaltige Investition. Wir haben das natürlich geprüft, aber das macht aus keinem Betrachtungswinkel wirtschaftlich Sinn.
mo: Wie sichern Sie für einen Energiemangel Ihre Liefersicherheit ab?
Richert: Wir haben durchaus über Flüssiggastanks nachgedacht, aber wenn man unseren Platz in der Lieferkette betrachtet, würden wir von unseren Zulieferern im Falle eines Gasmangels keine Bauteile mehr bekommen, weil zum Beispiel die Härtereien, die uns vorgeschaltet sind, nicht mehr produzieren können. Und dann haben wir nichts mehr zu beschichten. Unsere Produktion wäre also auch beeinträchtigt, selbst wenn wir beschichten könnten.
mo: Wie hoch ist der Energie-Anteil an den Produktionskosten?
Richert: Die Galvanotechnik ist sehr energieintensiv und die Grenze vom Energiekosten-
dämpfungsgesetz von drei Prozent sprengen wir locker. Deshalb ist der Energiepreis für uns ganz entscheidend. Wir hatten für 2022 noch sehr gute Konditionen erhalten, das hat uns bisher etwas ruhiger schlafen lassen. Aber unsere Sorge gilt momentan 2023. Dennoch hoffen wir mit unserer Flexibilität und Anpassungen an die laufenden Entwicklungen am Energiemarkt trotzdem noch ganz gut über die Runden zu kommen. Außerdem hoffen wir natürlich, dass es mit den Energiepreisen auch wieder nach unten geht.
mo: Was passiert, wenn sich die aktuelle Entwicklung fortsetzen würde?
Richert: Wir hoffen, dass die Politik endlich dieses Paket mit dem Energiepreis-
deckel fertig schnürt, damit die Unternehmen endlich planen können. Die aktuellen Energiepreise, wie sie jetzt am Markt vorherrschen, bedrohen die Existenzgrundlage vieler energieintensiver Unternehmen.
Marthold: Wenn die aktuelle Situation weiter anhält, droht das weite Teile des deutschen Mittelstandes zu zerstören.
Richert: Das sehe ich auch so, wenn sich an der Lage nicht nenenswert ändert, wird es 2023 zügig weiter gehen mit den großen Insolvenzen. Hakle haben wir schon gehabt, der Schuhhersteller Görtz, der Automobilzulieferer Schneider. Aus dieser Richtung kommen immer neue Hiobsbotschaften. Das momentan vorhandene Merit-Order-Prinzip, das ja bekanntermaßen allen kaufmännischen Grundsätzen widerspricht, trägt in diesem Kontext massgeblich zu einem überhöhten und nicht angemessenen Energiepreis bei. Es sollte angesichts der jetztigen Entwicklungen dringend überarbeitet werden.
mo: Was würden Sie sich konkret von der
Politik wünschen?
Richert: Ich gehe davon aus, dass wir von den russichen Pipelines nichts mehr zu erwarten haben, auch wenn der Ukrainie-Krieg eines Tages beendet ist. Deshalb gehen wir von einer kompletten Abkopplung der Energieressourcen von Russland aus. Es muss Druck auf die Politik ausgeübt werden, notwendige Entscheidungen zu treffen, die unserer Wirtschaft dabei helfen. Bei dem zuvor geplanten Entlastungspaket waren mehr oder weniger die Endverbraucher angesprochen – die mittelständische Industrie war noch nicht einmal mit im Boot. Hilft es wirklich, wenn Gas zum Heizen da ist, aber die Jobs verschwinden?
mo: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die Planung für das nächste Jahr?
Marthold: Aus heutiger Sicht ist es schwierig überhaupt sinnvoll vorauszuplanen. Ohne eine gewisse Preissicherheit bei der Energie können wir nicht planen, denn Energie macht nun einmal einen Großteil unserer Kosten aus. Die jetzige, von großen Unsicherheiten geprägte Situation ist für viele Unternehmer nicht nur aus unserer Branche ein perfekter Albtraum.