Robotergeführter Terahertz-Messkopf zur Schichtdickenmessung (Bilder: Fraunhofer ITWM)

Lackinspektion mit Terahertz-Wellen

Mehrschichtlackierungen zerstörungsfrei analysieren

Die genaue Einhaltung der Schichtdicken ist bei modernen Autolackierungen ein wichtiger Qualitätsparameter. Das Problem dabei: Heute übliche zerstörungsfreie Methoden versagen oft bei Mehrschichtsystemen. Eine industrietaugliche Lösung verspricht neuartige Lackinspektionssysteme auf Basis von Terahertz-Wellen.

Moderne Autolackierungen sollen nicht nur glänzen, sondern auch die Karosserie vor Korrosion, Kratzern und Witterungseinflüssen schützen. Deshalb ist der Aufbau einer Autolackierung inzwischen recht komplex. Bei der Serienlackierung kommen verschiedene Technologien zum Einsatz, die erst im Zusammenspiel eine Autolackierung perfekt machen. Aber auch Rotor- und Turbinenblätter, Schiffsrümpfe oder auch Tabletten werden durch mehrschichtige Beschichtungen und Lacke veredelt.

Bei der Qualitätsprüfung reicht es nicht, die Gesamtdicke einer Lackierung zu erfassen. Immer häufiger wird die Dickenkontrolle der Einzelschichten innerhalb eines Mehrschichtsystems gefordert. Im Hinblick auf Ressourcenschonung und Qualitätskontrolle ist die Industrie sehr stark an einer Messtechnik interessiert, die Einzelschichtdicken in Multischichtsystemen erfassen kann. Besonders die Mehrschichtanalyse auf Kunststoffsubstraten tritt in den Fokus, da diese zur Gewichts- und Kostenreduzierung immer stärker eingesetzt werden. Autohersteller verarbeiten zum Beispiel zunehmend CFK, um leichtere und effizientere Autos zu bauen. Auch hier entscheidet jede einzelne Lackschicht über die Funktionalität der gesamten Lackierung.

Dicke der Nassschicht ist entscheidend

Die erforderliche Dicke der Trockenschicht wird häufig ermittelt aus der Dicke der nassen Schicht und dem Feststoffanteil des Lacks. Wird eine Schicht zu dünn aufgetragen, sind weder Schutz noch Deckvermögen ausreichend. Eine weitere Beschichtung kostet Energie, Zeit und Geld. Wird der Lackfilm jedoch zu dick aufgetragen, drohen Mängel wie Risse und Abblättern, auch die Trockenzeiten verlängern sich deutlich. Traditionell werden zur Schichtdickenmessung an Nassfilmen Messkämme oder Messräder verwendet. Diese werden in den Nassfilm eingetaucht, seine Dicke wird anhand der benetzten Zähne ermittelt. Eine neuere Methode basiert auf Wirbelstromtechnik: Hier wird ein Sensor mit Abstandstiften ausgestattet, die in den Nassfilm eintauchen. Beide Verfahren eignen sich nicht für die automatisierte berührungslose Online-Prozesskontrolle.

Um nun den Lackierprozess bereits während der Applikation zu kontrollieren, ist eine Online-Bestimmung der Dicke des nassen Films nötig. Die besondere Herausforderung dabei: Die Zusammensetzung des Materials ändert sich beim Trocknen, denn Lösungsmittel und Wasser verdampfen. Die Materialzusammensetzung ändert sich also kontinuierlich.

Aktuell kann nur die Terahertz-Messtechnik Nassfilme im industrierelevanten Dickenbereich von 10 bis 500 µm pro Einzelschicht zerstörungsfrei und berührungslos untersuchen. Dies hat das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern in Zusammenarbeit mit Industriepartnern gezeigt. Das für den industriellen Einsatz konzipierte kompakte und langzeitstabile Messsystem basiert auf der Terahertz-Zeitbereichsspektroskopie. Ein über Glasfasern mit der Basiseinheit verbundenes Messmodul erlaubt die einfache Integration in bestehende Produktionsprozesse.

Bei der Schichtdickenmessung mit der Terahertz-Zeitbereichsspektroskopie wird ausgenutzt, dass der einfallende Terahertz-Strahl bei Materialübergängen teilreflektiert wird. Im einfachsten Fall erhält man zwei Reflexe: einen vom Übergang Luft/Beschichtung und einen zweiten vom Übergang Beschichtung/Substrat. Aus der Zeitdifferenz zwischen den beiden Reflexen und mit Kenntnis des Brechungsindexes kann die Schichtdicke bestimmt werden. Besteht die Lackierung aus mehreren Lackschichten, erscheinen zwischen den beiden beschriebenen Reflexen weitere Reflexe, die auch die Analyse komplizierter Mehrschichtlacke erlauben.

Messprinzip der Schichtdickenbestimmung in Reflexion am Beispiel eines Zweischichtsystems, welches mit Terahertz-Wellen beleuchtet wird (blaue Pfeile). Die Wellen werden an den Grenzflächen aufgrund des Brechungsindexunterschieds (n1≠n2) teilreflektiert.

Fähigkeitsnachweis erbracht

Die Tauglichkeit der Schichtdickenmessung an Nassfilmen untersuchte das Fraunhofer ITWM an Blechen. Diese wurden kontrolliert lackiert, zwischengetrocknet und schließlich komplett ausgehärtet. Nach jedem dieser Schritte ermittelten die Forscher die Schichtdicke des Lackes mit Hilfe der Terahertz-Messtechnik.

In der nächsten Messreihe untersuchten sie die Korrelation zwischen Lackgewicht und Schichtdicke. Hierfür wurde das Blech samt Nassfilm während des Aushärteprozesses mehrfach gewogen und direkt danach die Filmdicke mittels Terahertz-Technik gemessen. Das Ergebnis: Man erkennt eine hervorragende Korrelation zwischen der Abnahme von Gewicht und Schichtdicke.

Mit Terahertz-Messtechnik lassen sich Nassfilme berührungslos und zerstörungsfrei analysieren – und das sogar während des Lackierens! Das gilt sowohl für den Nassfilm als auch für die darunterliegende getrocknete Schicht. Als Trägermaterial eignen sich sowohl Metalle als auch Kunststoffe und Verbundwerkstoffe wie CFK. Es lassen sich Schichtdicken im Bereich von 10 bis 500 µm bestimmen – und das auf ± 1 µm genau.

Aus den Laufzeitunterschieden ∆t1 und ∆t2 (Mitte) lassen sich mit der Kenntnis der Brechungsindizes die Schichtdicken d1 und d2 bestimmen.

Einsatz ist ungefährlich und unkompliziert

Der Einsatz des Terahertz-Lackinspektionssystems ist unkompliziert. Darüber hinaus ist keine strahlenschutztechnische Abschirmung erforderlich, da es nicht ionisierend ist. Selbst auf gekrümmten Oberflächen lassen sich mit Terahertz-Systemen die einzelnen Schichtdicken komplexer Lacke zuverlässig bestimmen.

► Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik

► www.itwm.fraunhofer.de