Bewertung der Oberfläche

Hierbei kommen die Oberflächenvorbereitungsgrade wie zum Beispiel Sa 2 ½, die Rauheit oder etwa der Bresle-Test ins Spiel. Wörtlich steht in der ISO 12944: „Die Anforderungen für die Überwachung dieser Arbeitsaspekte, die Häufigkeit der Beurteilung sowie der Ort der Beurteilung müssen zwischen den beteiligten Vertragspartnern vereinbart werden.“ Diese Aussage ist sehr hilfreich für eine ungetrübte Geschäftsbeziehung, denn sie bedeutet sinngemäß: „Stimmt euch untereinander ab, wer was wie wann prüft und wie die Ergebnisse aussehen sollen – und bringt das Ganze anschließend zu Papier.“ Gefragt ist nichts anderes als ein ITP, ein „inspection and test plan“, also ein Dokument, das die Überwachung koordiniert. Bezüglich Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit und Umweltschutz gibt die Norm einen Hinweis darauf, dass diese eingehalten werden müssen. Ist die ISO 12944 vom Kunden gefordert, so hat er das Recht auch diese Aspekte zu überprüfen und einzufordern.
Zur Lagerung von Beschichtungsstoffen wird, wenn nicht anderweitig zugelassen, eine Temperatur von +3° C bis +30° C vorgegeben. Wenn Temperaturen eingehalten werden müssen, erscheint es als selbstverständlich, dass sie auch gemessen und protokolliert werden – und zwar mit gewarteten und kalibrierten Messgeräten, auch wenn das zusätzliche Kosten und Aufwand verursacht. Dabei sollten weder die Anlieferung noch der Transport zur Baustelle aus den Augen verloren werden. Doch das ist in der täglichen Praxis als andere als verbreitet oder gar normal.
Von der Länge haben Sie als Leser nun ungefähr die Hälfte des Artikels gelesen – und erst jetzt wird es endlich um die Ausführung der Beschichtung gehen. Das hat durchaus Parallelen zum realen Prozess des Korrosionsschutzes, denn auch im richtigen Leben ist die Vorbereitung zumindest genauso wichtig wie die eigentliche Applikation.

Ausführung der Beschichtung

Dieser Absatz beginnt mit einer sehr relevanten und auch wieder selbstverständlich klingenden Vorgabe: „Zu behandelnde Oberflächen müssen sicher zu erreichen und gut ausgeleuchtet sein.“ Das klingt zunächst einmal wenig irritierend, aber wie so oft können verschieden Parteien, vor allem Abnehmer, diesen Satz ganz unterschiedlich verstehen. Hier empfiehlt sich, zu vereinbaren und schriftlich festzuhalten, wie das Bauteil zu erreichen ist und vor allem was genau „hell“ bedeutet.
Vorteilhaft an diesem Kontext ist, dass sich Beleuchtungsstärke relativ simpel messen lässt – aber auch hier gilt messen, kalibrieren und warten,  sollen die Ergebnisse etwas wert sein. Bei der Schichtdickenmessung verweist
Teil 7 ausschließlich auf die ISO 19840, sofern nichts anderes vereinbart. Das bedeutet: Wird bei Projektbeginn nichts Gegenteiliges schriftlich vereinbart, muss von jeder Schichtdickenmessung ein Korrekturwert, in der Regel 25 µm, abgezogen werden. Zusätzlich gilt automatisch die 80/20-Regel. Weiterhin ist zu beachten, dass der Normenteil eine Nassschichtdickenmessung fordert. Dabei muss der Taupunktabstand der Oberfläche 3° C betragen. Der Taupunkt ergibt sich aus der Lufttemperatur und der relativen Luftfeuchte. Zusätzlich muss die Bauteiltemperatur gemessen werden. Diese muss über der Taupunkttemperatur liegen. Das Messen und Prüfen inklusive  Kalibrierung  ist neben den Verfahrensanweisungen und der Oberflächenvorbereitung ein elementarer Bestandteil der Korrosionsschutzausführung. Nach einigen weiteren Absätzen über Applikationsverfahren widmet sich die Norm der Überwachung: „Die Ausführung der Arbeiten muss in allen Phasen überwacht werden. Die Überwachung muss durch entsprechend qualifiziertes und erfahrenes Personal erfolgen.“
Der Begriff in allen Phasen muss wörtlich genommen werden. Hier sollte nicht vergessen werden, dass Korrosionsschutz nicht erst beim Strahlen beginnt. Es gibt eine Reinigung und Prüfung des Vorbereitungsgrades, zum Beispiel P3, Klimadaten und so weiter.

 

Qualifiziertes und erfahrenes Personal

Beim Thema „qualifiziertes und erfahrenes Personal“ gibt es schon mehr Definitionsbedarf. Hier ist es am einfachsten, sich auf eine der allgemein bekannten Zertifizierungen wie Frosio, NACE, DIN Certco oder Ähnliches zu stützen. Nichtsdestotrotz ist es sehr hilfreich, die Qualifizierung und den Qualifikationsgrad mit dem Kunden im Vorfeld abzustimmen.
Zu den Messgeräten und ihrem Zustand sagt die Norm Folgendes: „Die Anweisungen des Messgeräteherstellers für die Verwendung seiner Geräte müssen befolgt werden. Verwendete Messgeräte müssen regelmäßig geprüft, kalibriert und gewartet und die Ergebnisse müssen aufgezeichnet werden.“
Hierbei ist die Kalibrierung nicht mit der Justierung zu verwechseln. Kalibrierung ist die Abweichung eines Messgerätes zu einem Normal. In der Regel werden Kalibrierungen von Kalibrierlaboratorien durchgeführt. Justierung ist einfach gesagt die Einstellung einer Anzeige. Das lässt sich am Beispiel einer Schichtdickenmessung leicht erläutern. Um ein solches Messgerät einzustellen oder zu justieren, kommen Prüffolien zum Einsatz. Ohne diese Justierung wäre  ein Schichtdickenmessgerät so hilfreich, wie ein Thermometer ohne Skala. Mithilfe dieser Folien werden eine Skala und ein Messbereich aufgelegt. Das impliziert, dass das, was auf den Folien steht, stimmen sollte. Um das wiederum sicherzustellen, müssen solche Prüffolien kalibriert werden – ein Labor muss also die angegebenen Dicken der Prüffolien bestätigen. Es kann selbstverständlich auch eine gute Idee sein, das Messgerät mit der dazugehörigen Sonde in einem Labor kalibrieren zu lassen. Wenn man solche Kalibrierungen eigenständig durchführt, sollten sich die Verantwortlichen sorgfältig mit den Anforderungen und Vorschriften auseinandersetzen, die ein professionelles Labor einhalten muss.
Bei der Beurteilung der Beschichtung beschreibt der Normenteil zerstörungsfreie oder zerstörende Prüfungen. Hierbei werden keine bestimmten Prüfungen vorgegeben, es wird lediglich auf die Spezifikation verwiesen. Wichtig ist deshalb, schon im Vorfeld zu vereinbaren, was und wie geprüft wird. Zuletzt wird der Umgang mit Kontrollflächen und -proben beschrieben, jedoch wird die Ausführung nicht gefordert.
Das war eine kurze und konzentrierte Zusammenfassung der relevanten Seiten des Teil 7 der ISO 12944. Insgesamt bietet dieser Artikel eine etwas andere Sichtweise auf diese weithin bekannte Norm und vor allem auf die Notwendigkeit in den Bereichen, in denen sie auslegungsfähig ist, konkrete Vereinbarungen zu treffen, um Auftragnehmer und Auftraggeber vor Unklarheiten und unnötigen Reklamationen zu schützen.


Autor: Martin Czysch Frosio Level III SLV Duisburg

Normen sind nicht immer eindeutig formuliert. Insbesondere wenn Interpretationsspielraum nicht ausgeräumt wird, bietet das für Auftraggeber und Auftragnehmer Potential für Missverständnisse und Ärger (Bild: SLV)