Endlich wieder: Neues aus der Pulverbranche

Erstes Pulversymposium Dresden seit dem Lockdown

Immerhin 220 Teilnehmer kamen zum 21. Pulversymposium nach Dresden (Bild: CB)

Da im Frühjahr 2021, dem Zeitraum, in dem das Dresdner Pulversymposiums normalerweise stattfindet, aufgrund des Lockdowns keine Präsenzveranstaltungen möglich waren, fand das Symposium 2021
erstmals im Herbst statt. Rund 220 Teilnehmer kamen vom 16. bis 17. September nach Dresden. Auch wenn die Veranstaltung damit deutlich kleiner war als im Vorjahr, zeigten sich sowohl Teilnehmer als auch Aussteller angesichts der pandemischen Umstände erreut über den Verlauf der Veranstaltung.

Den Auftakt der zweitägigen Veranstaltung machte ein Vortrag des TITV Greiz über die Pulverbeschichtung bei der Funktionalisierung textiler Oberflächen. Aktuelle Beispiele sind zum Beispiel partielle Pulverlackbeschichtungen für textile Heizungen im Outdoor- und Hygienebereich. Auch elektrisch leitfähige oder elektroluminiszierende Eigenschaften sind möglich. Ein spannender Anwendungsbereich für Pulverbeschichtungen, der in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen könnte.

Nachhaltigkeit und Gütesiegel

Die Betrachtung von Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung aus der Perspektive einer Qualitätsgemeinschaft war Thema des Vortrages der GSB. Hochwertige und gütegesicherte Beschichtungen verhindern Nacharbeit und ermöglichen eine längere Lebensdauer. Weiterhin vorgestellt wurde das Forschungsprojekt Filiprüf, bei dem Filiformkorrosion als wesentliches Bewertungskriterium der Güte einer Vorbehandlung betrachtet wird. Ziel des Projektes ist die Erstellung eines belastbaren Prüfkonzeptes zur Bewertung der Filiformkorrosionsneigung, das reproduzierbare und vor allem laborunabhängige Prüfergebnisse liefert. Das Thema Recycling-Aluminium kam ebenfalls zur Sprache. In diesem Zusammenhang zeigte ein Ringversuch, dass die Beschichtungsergebnisse und auch der Korrosionsschutz mit zunehmendem Anteil an Recycling-Aluminium immer schwerer vorhersagbarer werden. Beschichter müssen also die Substratlegierung stärker in den Fokus nehmen.

Verkeimung durch Niedrigtemperatur-Entfettung?

Henkel behandelte die Chancen und Risiken einer Niedertemperatur-Reinigung. Als Rechenbeispiel diente eine klassische Durchlauf-Spritzanlage, bei der abgesehen von der Badheizung die Schwadenabsaugung von etwa 5000 m³/h sowie ein Wasserbedarf von 150 l/h den Hauptressourcenverbrauch ausmacht. Rechenmodelle zeigen, dass durch die Temperaturabsenkung der Energieeinsatz um bis zu 46 Prozent reduziert werden kann. Aber wie beeinflusst eine solche Temperaturreduzierung das Wachstum der Mikroorganismen? Unter anderem wurde deutlich, dass die Aktivbäder – auch bei niedrigerer Temperatur – in der Regel gar nicht die Quelle von Mikroorganismen sind, sondern die Mikroorganismen durch die Kaskadierung von der letzten Spüle nach vorne transportiert werden. Um die Keimbelastung zu senken, spielt die Hygiene und hygienische Konzeption der Anlagen eine Rolle. Sehr effektiv ist aber auch der Einsatz biostabiler Reiniger, wie die Ergebnisse einiger vorgestellter Versuche zeigen.

Wagner präsentierte mit der E-Line einen neuen Ansatz, um hochwertige Applikationstechnik bezahlbarer zu machen, indem durch vorkonfektionierte Anlagen die Engineering-Kosten gesenkt werden. Hierbei beeinflusst der E-Cube mit einer Randabsaugung und strömungsgünstig abgeschrägten Übergängen im Deckbereich die Pulverwolke im mittleren Bereich der Kabine kaum. Vielversprechend ist außerdem das EEP System, bei dem durch eine spezielle Form von Rohrwinkeln Turbulenzen in Rohrbiegungen vermieden werden. Hierdurch sollen Energieeinsparungen bis zu 40 Prozent möglich sein. Die Schürer GmbH, ein Hersteller von Metallwaren aus dem Erzgebirge, ergänzte die Präsentation mit den  eigenen positiven Erfahrungswerten bezüglich des E-Line-Anlagenkonzeptes. Klaus Gazawi von Ruwac appellierte in eindringlichen Worten und Bildern, Staub in der Pulverbeschichtung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Weiterhin zeigte er, wie durch schlechte Wartung eigentlich explosionsgeschützte Anlagentechnik zur Zündquelle werden kann.

Dynamische Konturerkennung

Die dynamische Konturerkennung ohne Programmieraufwand wird offensichtlich für Anwender immer interessanter. Nordson stellte das eigene  System vor, welches mithilfe von Laserscannern Positioniergenauigkeiten von +/-1 mm erreicht – bei Produktionsgeschwindigkeiten von bis zu 5 m/min. Die Versatzerkennung soll ab 5 mm funktionieren. Richtig Messen war das Thema des Herstellers von Schichtdickenmessgeräten Dr. Nix. Abgesehen von der Vorstellung der neuen Generation Schichtdickenmessgeräte ging es in erfreulich fundierter Weise um das Thema Messgenauigkeit. Insgesamt erläuterte der Referent anschaulich, warum eine vielstellige Digitalanzeige keine Gewähr für die Genauigkeit der Meßergebnisse ist.

Der Strahlanlagenhersteller SciTeeX behandelte das Sweepen von Zink mit keramischen Strahlmitteln und lieferte Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für den Vergleich von Druckluftstrahlen mit Schleuderrad-Strahlanlagen. So liegt die ausbringbare Menge an Strahlmittel um das sechsfache über der des Druckluftstrahlens, womit die erzielbare Flächenleistung um fast das siebenfache steigt, während der Energieverbrauch auf weniger als ein Drittel sinkt. Noppel präsentierte als Case Study die Integration einer Pulverbeschichtunganlage samt Multimetall-Vorbehandlung bei der Uemet GmbH. Da Untersuchungen zeigen, dass bis zu 45 Prozent der Schäden an Oberflächenbeschichtungen durch mangelnde oder falsche Vorbehandlung verursacht werden, beauftragte Uemesa im Vorfeld die Dr. Herrmann GmbH, um die optimale Vorbehandlungschemie zu ermitteln.

Die Industrieausstellung war gut besucht und ein wichtiger Anknüpfungspunkt für Fachgespräche (Bild: CB)

Geringe Komplexität und sehr guter Kantenschutz

Die globale Geschäftseinheit Oberflächentechnik des Unternehmensbereichs Coatings der BASF, die unter der Marke Chemetall agiert, fokussierte dieses Jahr in Dresden das Thema Nachhaltigkeit mittels einer Live-Umfrage vor Ort per Mobiltelefon. Es zeigte sich, dass die Mehrzahl der anwesenden Unternehmen das Thema wichtig nehmen, bezüglich der Wichtigkeit des Themenkomplexes bei ihren Auftraggebern wiederum waren die Aussagen deutlich unentschiedener. Die von Chemetall entwickelte, neue außenstromlos im Tauchverfahren aufgebrachte Korrosionsschutzbeschichtung kann hierzu einen Beitrag liefern, da sie im Vergleich zu einer klassischen KTL-Beschichtung bis zu 40 Prozent CO2 einspart. Obwohl der Preis für die Chemikalien pro Quadratmeter höher liegen als bei einer KTL-Beschichtung, lassen sich im
Gesamtprozess zwischen zehn und 15 Prozent der Kosten einsparen. Das Untermauerten Erfahrungswerte der Kamp Coating Groep, des ersten Anwenders.

Injektor und Steuerung in einem

Gema präsentierte neben Weiterentwicklungen der Applikationstechnik wie zum Beispiel verbesserte Konturerkennungssysteme mit dem OptiStar All-in-One ein neues Pulverförder-Gerät. Es basiert auf einem Injektor, bietet aber ein deutlich besseres Regelverhalten sowie Farbwechselzeiten auf dem Niveau einer Dichtstrom-Pumpe. Lesen Sie mehr hierzu ab Seite 18 in dieser Ausgabe.

Korrosion auf Seetransport – Prozess überarbeitet

Anlass der Optimierung des Beschichtungsprozesses bei dem Ventilatorhersteller Nicotra Gebhardt war ein irrtümlicher Seetransport von Baugruppen, die für den Innenbereich mit niedriger Korrosionsbelastung ausgelegt waren. Die Seewasseratmosphäre sorgte für starke Kantenkorrosion – etwas, was die Verantwortlichen kein zweites Mal erleben wollten. Daraus folgte das Ziel, dass alle Bauteile einschichtig 720 Stunden Salzsprühtest bestehen, zweischichtig Beschichtete Bauteile 1440 Stunden. Es wurde also ein Lacksystem mit besonders hoher Viskosität und Barrierewirkung benötigt. Darauf folgte eine Marktanalyse geeigneter Pulverlacke und eine Evaluierung der unterschiedlichen barrierewirkenden Systeme. Metallisches Zink erwies sich in den Pulverlacken als ungeeignet. Als besonders vorteilhaft erwiesen sich mechanische Sperren durch Pulverit Endurance Plättchen,  – chemisch inerte, sehr dünne und homogen geformte Plättchen. Das neue Beschichtungssystem erfüllte alle Erwartungen und setzt sogar ein mechanisches Brechen der Kanten nicht zwingend voraus. So konnte die gewünschte erhöhte Sicherheit gegen Korrosion erreicht werden.

Unsichtbarer Blitz

Mit der neuen SpectralBlue-Technologie gelang es Coatmaster, die Lichtwirkung des bekannten und bewährten Messgerätes um 99,9 Prozent zu reduzieren. Die ebenfalls lieferbare Ausführung SpectralBlue-IR ist vor allem für ältere Flammenmelder-Module empfehlenswert. Für viele Anwendungen ebenfalls hochinteressant ist der Übergang von der punktweisen Messung der Schichtdicke zu einer bildgebenden Messung, die eine deutlich umfassendere Einschätzung des Applikationsprozesses ermöglicht und Problemzonen aufzeigt.

Neben weiteren Case Studies, zum Beispiel vom Fördertechnik Hersteller CTI bei dem Anhängerhersteller Prantner in Österreich beschäftigten sich weitere Vorträge mit dem Thema Teilelogistik und Optimierung der Anlagenauslastung. Auch Anwendungsmöglichkeiten für die partielle Reinigung per Laser brachte SLCR Lasertechnik auf die Tagesordnung. Nicht zuletzt die Möglichkeiten und wirtchaftlichen Aspekte der Abwasseraufbereitung durch Vakuumdestillation wurde von H20 und KMU Loft aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt.

Unter anderem etwas fürs Auge war ein Vortrag von Schlenk über die Entwicklung und Anwendungsmöglichkeiten eines Pulverlackes, der Gold zum Verwechseln ähnlich sieht. Alles in allem lieferte das Pulversymposium auch unter erschwerten Rahmenbedingungen ein interessantes und vielfältiges Themenspektrum. Aufgrund des diesjährigen Herbsttermines findet das nächste Pulversymposium erst wieder im Frühjahr 2023 statt.    CB