Bei der elektrischen Lackapplikation erzeugt ein rotierender Zerstäuber, der unter Spannung steht, negativ geladene Farbtröpfchen und beschleunigt diese auf mehrere hundert Stundenkilometer. Der Flug der Tröpfchen wird durch ein Hochspannungsfeld zwischen dem Zerstäuber und dem Bauteil gelenkt. So lässt sich der Sprühnebel, der normalerweise zu Verlusten von über 50 Prozent führt, auf 20 Prozent reduzieren.
Grundlagenforschung für bessere Lackierergebnisse
Ein Forschendenteam des Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA um den Physiker Dr. Oliver Tiedje hat nun mit Ingenieurinnen und Ingenieuren der Hochschule Esslingen diesen Prozess erforscht. Um ihn zu optimieren, ermittelten sie in einem gemeinsamen Forschungsprojekt, wann, wie und wo die Tröpfchen elektrische Ladungen aufnehmen.
Im ersten Schritt ermittelten sie, wie sich die Leitfähigkeit von Lack durch die Zugabe von Additiven verbessern lässt. Geschwindigkeit und Größe der Tröpfchen sowie die Menge der negativen Ladungen, die auf dem beschichteten Bauteil ankamen, wurden ermittelt und ausgewertet.
Überraschende Erkenntnisse
Das Ergebnis überraschte: Anders als von den Forschenden angenommen wurde die Zahl der registrierten Ladungen nicht etwa größer, wenn mehr Lack versprüht wurde. Sie blieb gleich. Die Erklärung lieferte erst die Simulation der Experimente: Sie zeigte, dass sich die Ladungen, die vom Zerstäuber abgegeben werden, auf der Grenzfläche zwischen Lack und Luft befinden. Wird mehr Lack aufgetragen, wird zwar der Lackfilm auf dem Zerstäuber dicker, die Oberfläche bleibt aber gleich. Daher verändert sich auch die Menge der Ladungen nicht.
Das Computermodell, an dem die Teams zweieinhalb Jahre gearbeitet haben, berücksichtigt erstmals alle Phänomene des elektro-hydrodynamischen Lackierprozesses. Berücksichtigt wurden unter anderem die Viskosität und Leitfähigkeit der Lacke, die Form und Rotationsgeschwindigkeit der Glocke sowie die Höhe der angelegten Spannung.
Optimierte Prozesse für effiziente Lackierung
Die Simulationen können künftig Lackherstellern helfen, die optimale Menge von Additiven für elektrostatische Lackierprozesse zu ermitteln. Die digitalen Modelle unterstützen auch Anlagenbauer bei der Erprobung neuer Zerstäuber- bzw. Glockendesigns oder Abläufe. Lackierbetriebe können mithilfe der Simulationen virtuell die Prozessparameter für unterschiedliche Bauteile optimieren. Zeit- und materialaufwendige Probelackierungen lassen sich so auf ein absolutes Minimum reduzieren.