30. Lacktreff mit Updates zu PFAS und Mikroplastik - es bleibt schwierig

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Schwerpunkte beim 30. „Stuttgarter Branchentreff: FarbeLack – Oberfläche“: Bei PFAS ist nur mit wenigen Ausnahmen zu rechnen – die Lage bleibt sehr ernst. Und beim Mikroplastik erwartet die Unternehmen ein nicht zu Ende gedachtes Wirrwarr aus Definitionen, Pflichten und Terminen. Trotzdem bleibt keine Alternative, als konstruktiv auf Lösungen hinzuarbeiten.

Der 30. „Stuttgarter Branchentreff: FarbeLack – Oberfläche“ am 28. Mai 2025 stellte unter dem Titel „Aktuelle Themen der Umweltdebatte und ihre möglichen Auswirkungen auf die Entwicklung, Herstellung und Verarbeitung von Beschichtungsmaterialien“ zwei Themen in den Mittelpunkt, die die Branche in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen werden: die PFAS-Regulierung und die neue EU-Verordnung zu Mikroplastik.

In zwei Fachvorträgen von Michael Keller (Münzing Chemie GmbH) und Dr. Martin Klatt (BASF) wurden konkrete Auswirkungen und Pflichten aufgezeigt. Der Tenor: Die Regulierungen sind umfangreich, greifen tief in bestehende Prozesse ein, verursachen erheblichen Aufwand seitens der Unternehmen und erfordern deshalb eine frühzeitige Vorbereitung.

PFAS-Verbot: Technisch komplex, regulatorisch konkret

Michael Keller von Münzing machte deutlich, dass die PFAS-Problematik weitreichende technische Implikationen hat – insbesondere für den Einsatz von PTFE in wachs- und gleitmittelbasierten Systemen. Er berichtete von umfangreichen Entwicklungsanstrengungen in seinem Unternehmen und neuen PFAS-freien Produkten, konstatierte aber auch: „Es gibt definitiv keine 1:1-Alternative. PTFE bleibt in Härte, Gleitfähigkeit und thermischer Stabilität einzigartig.“ Daraus folgt, dass für einige zentrale PFAS-Anwendungen keine oder nur eine von den Eigenschaften her weniger funktionale Substitution möglich sein wird – wenn man es pointiert auf den Punkt bringen will, ist der Name dafür gesetzlich verordneter „technologischer Rückschritt“. Keller bestätigte außerdem, dass die medizinische Nutzung von PTFE bislang kaum in der regulatorischen Diskussion angekommen ist. Insbesondere die Anwender, also Mediziner, sind bisher weitgehend arglos und sehen keine Alternativen. Sollte die ECHA im medizinischen Bereich nicht Rücksicht auf die Folgen eines zu umfassenden Verbotes nehmen, wird ein erheblicher Rückschritt in der medizinischen Versorgung drohen – Stichwort Katheter-Beschichtung oder Prothetik. Bereits jetzt müssen Unternehmen mit einer schrittweisen Einschränkung und einer erhöhten Nachweispflicht rechnen, insbesondere für Stoffe wie PFOA, für die Grenzwerte von 25 ppb (parts per billion) gelten. Unabhängig der vielfältigen drohenden Probleme erwartet Keller trotz der Eingaben aus der Industrie ein weitreichendes PFAS-Verbot mit wenigen Ausnahmen ab 2027.

Mikroplastik-Regulierung: Berichtspflicht, Kennzeichnung und Dokumentation

Dr. Martin Klatt stellte die neue Mikroplastikverordnung (EU) 2023/2055 vor – mit präziser juristischer und technischer Differenzierung. Statt des umgangssprachlichen Begriffs „Mikroplastik“ ist nun von SPM (Synthetic Polymer Microparticles) die Rede. Gemeint sind feste synthetische Polymere <5 mm, die nicht biologisch abbaubar sind und Fasern <15 mm Länge, die mehr als 1 Prozent Anteil an einer Mischung haben.  Die Verordnung bringt mehrstufige Pflichten mit sich:

Pflicht

Stichtag

Bedeutung

Kennzeichnungspflicht für SPM-haltige Produkte

17. Oktober 2025

Hinweis auf Sicherheitsdatenblatt + Verwendungsempfehlungen

Beginn der Erhebungspflicht für Emissionsdaten

1. Januar 2026

Interne Erfassung von Mengen und Anwendungsbereichen

Erste Meldefrist an die ECHA

31. Mai 2027

Jährlicher Bericht mit Emissionsabschätzungen, Verwendung und Kundenkreis

Ausnahmen (sog. Derogationen) gelten unter anderem für Industrielle Anwendungen in geschlossenen Systemen, irreversible Einbindung von SPM (zum Beispiel Aushärtung in Beschichtungen) und technisch eingeschlossene Systeme wie Druckerpatronen. Das klingt für die Beschichtungsindustrie nach Entwarnung, ist aber nicht so, denn trotz dieser Ausnahmen besteht eine umfassende Dokumentationspflicht, etwa zur Polymerstruktur und zum Vermeiden von Emissionen. Klatt erläuterte: „Die entscheidende Frage ist nicht mehr, was im Produkt enthalten ist, sondern was nach dem Gebrauch emittiert wird – und ob diese Emission quantifizierbar ist.“

Die Emissionsberechnung soll über die SPERC-Datenbank (Specific Environmental Release Categories) erfolgen. Beispielhafte Emissionsfaktoren wären zum Beispiel: Wasser: 0,25 %, Luft: 0,0097 % und Abfall: 0,5 %. Hier empfiehlt er aber im Zweifel eigene, gut begründete Werte anzugeben.


Fachlich nüchterne Bewertung

Trotz der Tiefe der Eingriffe und der zu erwartenden Beschwernisse war der Ton der Veranstaltung durchweg konstruktiv. Beide Referenten machten deutlich, dass viele Unternehmen bereits heute mit Substitutions- und Anpassungsstrategien beginnen sollten – nicht zuletzt, um Compliance-Risiken und Lieferkettenunterbrechungen zu vermeiden.

Für PFAS gibt es im Bereich der Lackgrundstoffe erste Alternativen – etwa biobasierte Wachse, Korund oder spezielle Polymermischungen, auch wenn ein vollständiger Ersatz in hochfunktionalen Anwendungen derzeit noch nicht realistisch ist.

Auch für Mikroplastik wurde eine pragmatische Herangehensweise empfohlen. Klatt riet: „Die chemische Industrie ist nun gezwungen, alte Methoden neu zu validieren – mit Folgen für Produktklassifikation, Etikettierung und Rechtskonformität.“

Der 30. Stuttgarter Lacktreff zeigte, dass die Branche die Herausforderungen kennt – und so gut es geht Lösungen erarbeitet. Die in den Vorträgen klar formulierten kommenden Pflichten zeigen, was für die Unternehmen für die Zukunft wichtig ist: eine frühzeitige Analyse von Produktportfolios, Bewertung technischer Alternativen, der Aufbau regulatorischer Kompetenz und eine transparente Kommunikation entlang der Lieferkette.

 

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