Probieren geht über Studieren

Applikationstechnologien in der Praxis effektiv vergleichen und den eigenen Prozess einordnen

Die Anforderungen an die Qualität steigen – gleichzeitig nimmt der Kostendruck zu. Das kann Optimierungen am Applikationsprozess notwendig machen (Bild: Gema)

Die Entscheidung für die Modernisierung einer Pulverbeschichtungslinie fällt umso leichter, je besser man den Stand der Technik mit dem eigenen Prozess vergleichen kann. Diesbezüglich sind die Versuchslabore der großen Applikationshersteller ein hilfreicher Anlaufpunkt.

Der richtige Moment, die Optimierung und Modernisierung einer Beschichtungsanlage voranzutreiben, ist nicht immer leicht zu finden. Insbesondere, wenn ein Beschichtungsprozess einigermaßen stabil läuft und nicht durch unerträglich hohe Fehlerraten auf sich aufmerksam macht, werden Modernisierungsentscheidungen gerne vertagt. Vor allem bei schon etwas älteren Anlagen besteht aber inzwischen großes Potenzial, die Prozesse in Bezug auf Reproduzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit erheblich zu verbessern. Spätestens, wenn sich trotz großem Einsatz bei der Optimierung keine zufriedenstellenden Resultate einstellen, ist ein Besuch im Labor eines Applikationsherstellers – wie zum Beispiel bei Gema in St. Gallen – mit großer Wahrscheinlichkeit eine gute Idee.

Drei Möglichkeiten zur Pulverförderung

Das Testlabor von Gema ist im Hauptgebäude des Firmensitzes untergebracht. Im Kundenlabor kann man die aktuellsten Produkte des Schweizer Applikationstechnikherstellers in der Praxis testen und erproben. In der etwa 50 Meter langen und 20 Meter breiten Halle sind vier Pulverbeschichtungskabinen installiert. Im Labor befinden sich verschiedene Kabinentypen, bei denen die Beschichtungsversuche wahlweise mit verschiedenen Pulverförderungstechnologien ausgeführt werden können.

Prinzipiell war der Injektor für viele Jahrzehnte das Maß aller Dinge, wenn Pulverlack aus dem Fluidisierungs-Behälter zur Pistole befördert werden sollte. Kein Wunder, dass Konzept ist einfach und robust. Das Pulver wird über Unterdruck, den die sogenannte Förderluft erzeugt, angesaugt, dann bläst ein dahinter liegendes Düsensystem Zusatzluft ein, die die Bewegung des Pulver-Luft-Gemisches in Richtung Beschichtungspistole steuert.

Beim Injektor hängt also die tatsächlich geförderte Pulvermenge von Druckverhältnissen ab – letztendlich spielen hier auch die Länge der Pulverschläuche und deren Gegendrücke mit rein. Weiterhin hängen die Druckverhältnisse im Inneren des Injektors stark vom Verschleißzustand der Fang- und Treibdüse  ab und dieser wiederum von der Menge an verarbeitetem Pulver sowie dessen Strömungsgeschwindigkeit und Abrasivität. Mit zunehmender Betriebszeit eines Injektors verändert sich also die ausgebrachte Pulvermenge – obwohl am Steuergerät keine Einstellungen verändert wurden. Deshalb erfordert ein Injektor ein steigendes Maß an Know-how und Wartung, je höher die qualitativen Anforderungen an das Prozessergebnis sind.

Der verbesserte Injektor

Bei einem klassischen Injektor sind Düsen und Schlauchverbindung geschraubt, so dass ein Düsenwechsel durchaus Aufwand und einige Schraubenschlüssel erfordert. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Düsen selten auf ihren tatsächlichen Verschleißzustand kontrolliert und erst spät gewechselt werden. Um diese Problematik zu entschärfen hat Gema das Konzept eines Injektors grundlegend überdacht und den IG07-Injektor auf den Markt gebracht. Eine ganz zentrale Verbesserung ist eine kombinierte Fang- und Treibdüse sowie ein Schnellwechselsystem. Dadurch ist es möglich, auf Knopfdruck die Schlauchhalterung zu entfernen und mit einem Griff die Düse herauszunehmen. Verschlissene Düsen lassen sich so buchstäblich im Handumdrehen austauschen, gleichzeitig ist es mühelos möglich, sich in Sekunden ein Bild vom Düsenverschleiß zu machen.

Ein weiteres durchdachtes Detail ist der 135°-Winkel zwischen Injektorein- und auslass, wodurch das Pulver-Luft-Gemisch weniger abrupt umgelenkt werden muss. Dies reduziert im Vergleich zu einem sonst üblichen 90°-Winkel den Verschleiß erheblich. Gleichzeitig konnten die Eigenschaften beim Farbwechsel durch weniger scharfe Kanten im Inneren verbessert werden. Untersuchungen von Gema zeigen, dass bei der Wartung durch den schnellen Injektor-Düsenwechsel Zeit eingespart werden kann, gleichzeitig passieren bei der Bedienung und Wartung durch die einfachere Bauweise weniger Fehler. Auch die Lebensdauer des zentralen Verschleißbauteils, der Düse, konnte wesentlich verlängert werden.

 

In der MagicCylinder-Kabine kann mit dem neuen IG07 Injektor (links) oder dem neuen OptiStar All-in-One (rechts) gearbeitet werden. Die integrierten Steuergeräte sparen deutlich Aufstellfläche ein (Bild: Gema)

All-in-One-Konzept: Steuergerät und Injektor in Einem

Um die Injektortechnologie zu perfektionieren, setzt Gema auf das All-in-One-Konzept. Beim OptiStar All-in-One sind Injektor und Steuergerät in einem kompakten Gerät vereint. Bei einem Spülvorgang mit herkömmlichen Injektoren auf dem Markt sucht sich der größere Teil der Spühlluft den Weg des geringeren Widerstandes – und dieser führt leider nicht den langen Schlauch bis zur Pulverpistole entlang. Hierdurch sind verhältnismäßig lange Spülzeiten notwendig. Deshalb hat Gema mit dem OptiStar All-in-One-Gerät eine Alternative entwickelt, bei der aktive Steuerelemente dieses Problem lösen. Steuergerät und Injektor sind extrem platzsparend zusammengefasst und werden direkt an den Pulverbehälter angeflanscht. Bis auf einen zentralen Druckluft- und Stromanschluss sind keine weiteren Anschlüsse notwendig. Die kompakte Bauweise ermöglicht es, bis zu 36 Pistolen aus einem einzelnen OptiCenter zu versorgen, noch dazu wird ein zusätzlicher Schaltschrank für die Steuergeräte überflüssig und mit ihm die Schläuche zwischen Steuergerät und Injektor.

Da Luft kompressibel ist, verlangsamt sich mit jedem zusätzlichen Meter Schlauch zwischen Steuergerät und Injektor dessen Reaktion auf Regeleingaben, besonders deutlich wird das beim Aktivieren oder Deaktivieren einer Pistole. Weil sämtliche Steuerungen beim OptiStar All-in-One direkt am Injektor sitzen, reagiert der Pulverstrom sehr spontan auf Regeleingaben. Ein weiterer großer Vorteil wird beim Spülen deutlich, denn die Flussrichtung der Luft durch den Injektor lässt sich gezielt steuern. Dadurch steht eine bis zu dreimal höhere Luftmenge für das Spülen der Schlauchleitung zur Pistole zur Verfügung und die Spülzeit lässt sich auf etwa ein Viertel verkürzen – und erreicht so das Niveau einer Dichtstrom-Pumpe. Damit schließt der All-in-One von den Eigenschaften her die Lücke zwischen einem klassischen Injektor und einer Dichtstrom-Pumpe.

 

Die OptiSpray AP01 sitzt direkt am Pulverbehälter und ist bezüglich Förderkonstanz, Wartungsarmut und Dosierbarkeit deutlich überlegen (Bild: Gema)

Das neue Maß bei der Pulverförderung

Trotz aller Verbesserungen bei den Injektoren zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, dass die Dichtstrom-Pumpe zunehmend zum Maß der Dinge wird, wenn es um eine besonders wirtschaftliche und präzise Pulverförderung geht. Deshalb sind im Labor alle Kabinen standardmäßig mit Dichtstromtechnik ausgestattet.

„Inzwischen sehe ich bei unseren Kunden ein stark steigendes Interesse an der Dichtstromförderung. Viele, die bei uns Versuche durchführen, arbeiten bisher noch mit einer alten Injektor-Anlage , suchen aber dringend nach einer Möglichkeit, die Beschichtungsqualität zu verbessern“, berichtet Laborleiter Paulo Dos Reis.

Eine Besonderheit der Gema-Dichtstrom-Pumpe AP01 ist ihre Kompaktheit, die es wie beim OptiStar All-in-One ermöglicht, die Pumpe direkt am Fluidisierungsbehälter zu montieren. Dadurch sind die Ansaugwege für das Frischpulver extrem kurz, was den Ansaugprozess erleichtert. Unter anderem deshalb kommt die Gema-Pumpe mit nur einer Förderkammer aus. Übrigens gibt es die Pumpe sogar in einer Ausführung für die Applikation von Emaillepulver, wo die Förderkonstanz der Dichtstromtechnik besonders viele Vorteile hat. Dies können Interessenten in St. Gallen in einer Edelstahlkabine für die Emaille-Applikation testen.
„Für mich steht außer Frage, dass unsere Dichtstrom-Pumpe in Bezug auf Förderkonstanz, Regelbarkeit und Verfügbarkeit nicht zu schlagen ist“, erklärt Dos Reis. „Auch wenn der Invest für ein Pulverzentrum mit Dichtstrom-Pumpe höher ausfällt, als mit Injektoren, so ist doch in vielen Anwendungen der Return of Invest relativ schnell erreicht. Insbesondere, wenn man die verbesserte Beschichtungsqualität, eine höhere Verfügbarkeit der Anlage und weniger Nacharbeit in der Kalkulation mitberücksichtigt.“

„Der Vorteil in unserem Labor ist, dass wir sämtliche Applikationstechnologien vom Injektor über den All-in-One bis zur Dichtstrom-Pumpe problemlos nacheinander testen und die Ergebnisse vergleichen können. Hier kann jeder mit eigenen Augen sehen, welche Applikationstechnik das für ihn optimale Ergebnis bringt.“

Dos Reis ist bei den Kundenversuchen täglich damit konfrontiert, die optimalen Beschichtungsparameter zu erarbeiten. „Wenn man bei der AP01-Pumpe die Pulverförderung minimal verändert – und sei sie auch nur um ein Prozent erhöht – entsteht unmittelbar ein Effekt bei der Beschichtung“, bewertet Laborleiter Paulo Dos Reis die gute Dosierbarkeit der Dichtstromtechnik. „Bei der AP01-Pumpe lässt sich der Zeitaufwand zum Einfahren und Optimieren des Applikationsprozesses deutlich minimieren.“

 

Die neueste Generation der Dynamischen Konturenerkennung arbeitet erheblich schneller, dadurch können komplex geformte Bauteile ohne Programmieren optimal beschichtet werden (Bild: Gema)

Objektorientierte Pistolenbewegung

Die vierte Pulverkabine im Gema-Labor bietet den neuesten Stand der Automatisierungstechnik. Vor allem großflächige Bauteile mit ausgeprägten 3D-Geometrien stellen Betreiber von Automatikkabinen normalerweise vor erhebliche Herausforderungen. Natürlich gibt es schon länger die Möglichkeit, über die Anlagensteuerung und die Programmierung von Pistolenpositionen durch steuerbare Pistolenachsen die Pistole möglichst optimal zu einem Bauteil zu positionieren. Doch das erfordert einen erheblichen Programmieraufwand für jedes Bauteil. Hier bietet die neueste Variante der dynamischen Konturerkennung von Gema eine erhebliche Verbesserung. Laserscanner im Bereich des Kabineneinlaufes tasten die Form der einlaufenden Bauteile ab. Diese Signale müssen von der zugehörigen Steuerung in geometrisch exakte Werte umgerechnet werden, bevor daraus Steuerbefehle für die Anlage folgen können. Hier konnte Gema mit der neuesten Software-Generation die Verarbeitungsgeschwindigkeit enorm steigern.

Kombiniert mit der Schnelligkeit der neuen UA05-Pistolenachsen ist die Anlage nun in der Lage, hochdynamisch und ohne vorherige Programmierung Bauteile durch die Anlage zu fahren, wobei die Steuerung automatisch die Pistolen in die optimale Position fährt. Insbesondere konnte die Erkennungsgenauigkeit für schmale Objekte von wenigen Millimetern Breite erheblich verbessert werden. Laut Gema sind Fördergeschwindigkeiten von bis zu fünf Metern pro Minute auch bei schnellen Querschnittsänderungen möglich.

„Das Interesse an unserer neuesten Generation der Konturerkennung nimmt rasch zu“, berichtet Dos Reis. „Wir haben bereits viele Tests mit bis zu 5 m/min durchgeführt – auch wenn in Europa Anlagen normalerweise nicht so schnell fahren. Aber zum Beispiel in Amerika sind solche Fördergeschwindigkeiten durchaus an der Tagesordnung.“ Zusätzlich steht an dieser Kabine noch ein Roboter zur Verfügung, der per Dichtstrom vollautomatisierte Beschichtungsprozesse durchführen kann.

Die breite Spanne der zur Verfügung stehenden Applikationstechnik bei Gema ist bemerkenswert und sehr hilfreich, wenn es darum geht, den Stand und das Verbesserungspotential der eigenen Applikationstechnologie einzuschätzen.

Gema Switzerland GmbH
www.gemapowdercoating.com