VdL: Farbenindustrie steht unter Druck

Steigende Rohstoff- und Verbraucherpreise sowie REACH und CLP-Verordnung belasten die Branche

Pressekonferenz des VdL
Verbandspräsident Peter Jansen, Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Kanert und Leiter Wirtschaft und Finanzen, Christoph Maier bei der Wirtschaftspressekonferenz des VdL (Bild: Itasse)

Die deutsche Lack- und Druckfarbenindustrie sieht schwierigen Zeiten entgegen: Hohe Rohstoffkosten, emporschießende Energiepreise und Bürokratie lasten auf den Unternehmen. Auf der anderen Seite sparen die Verbraucher bei Anschaffungen, was sich auch auf die Nachfrage nach Lacken und Farben auswirkt.

In Deutschland wurden 2022 1.53 Millionen Tonnen Lacke, Farben und Druckfarben verkauft – ein Minus von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Im laufenden Jahr ist ein weiterer Rückgang um zwei bis drei Prozent auf 1,5 Millionen Tonnen zu erwarten“, sagte Verbandspräsident Peter Jansen auf der Wirtschaftspressekonferenz des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V. (VdL), die am 7. Februar in Frankfurt am Main abgehalten wurde. Auch die Umsatzentwicklung sieht nur auf den ersten Blick gut aus: Es war die Inflation, die im vergangenen Jahr den Umsatz um acht Prozent auf 6,1 Milliarden Euro steigen ließ. Für das laufende Jahr erwartet der VdL ein Plus von gut zwei Prozent auf 6,2 Milliarden Euro. Doch davon können die Unternehmen nicht profitieren. „Die Rohstoffpreise verharren auf hohem Niveau, eine Entlastung ist auch aufgrund der Inflation nicht zu erwarten. Die Energiekrise führt langfristig zu höheren Kosten bei Gas und Strom. Und steigende Bürokratiekosten setzen vor allem dem Mittelstand zu“, erläutert Jansen.

Industrielacke entgegen dem Trend gefragter

Entgegen dem Branchentrend entwickelten sich die Industrielacke positiv. Die verbrauchte Menge erhöhte sich 2022 um ein Prozent, der Wert stieg inflationsbedingt um elf Prozent. 2023 soll es bei den Industrielacken zu einem Minus von rund einem Prozent kommen, da der VdL vor allem in der Holz- und Möbelindustrie, aber auch im Maschinenbau vorübergehend einen deutlichen Nachfragerückgang erwartet. Der Umsatz insgesamt werde im laufenden Jahr inflationsbedingt wieder um vier Prozent auf 3,4 Milliarden steigen. Hingegen hat die schwache Bauwirtschaft den Bautenfarben 2022 einen Mengenrückgang um sieben Prozent beschert. Für 2023 prognostiziert der VdL in der Menge ein weiteres Minus um vier Prozent auf 770.000 Tonnen. Der Umsatz soll bei 1,8 Milliarden Euro stagnieren. Auch der Absatz von Druckfarben ist 2022 weiter zurückgegangen – es wurden 211.000 Tonnen in Deutschland verbraucht, acht Prozent weniger als im Vorjahr. Zum ersten Mal macht dabei der Verpackungsdruck mehr als 50 Prozent aus. Insgesamt wurden Druckfarben für Publikationen und Verpackungen im Wert von 925 Millionen Euro umgesetzt. Die Aussichten für das laufende Jahr sind laut Jansen weiterhin negativ – die Menge der eingesetzten Druckfarben soll um vier Prozent zurückgehen, der Umsatz werde inflationsbedingt leicht steigen.

Insgesamt  erwartet  der  VdL  für 2023 einen Rückgang in der Produktion der deutschen Farbenhersteller um rund zwei Prozent – sofern es keine wesentlichen weiteren Störungen durch Inflation und Weltpolitik gibt. Die Inlandsnachfrage soll in ähnlicher Weise zurückgehen. Wertmäßig erwartet der Verband noch eine leichte Steigerung der Inlandsnachfrage von zwei Prozent.

Grafik Abnehmerbranchen
Für die Hersteller von Lacken und Farben ist die Industrie ein wichtiger Abnehmer (Grafik: VdL)

EuGH-Urteil zum Titandioxid setzt wichtiges Zeichen

Erfolgreich war die Farbenbranche hingegen beim Thema Titandioxid (TiO2). Das Weißpigment kann nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2022 weiter uneingeschränkt und sicher in Lacken und Farben verwendet werden. Zuvor hatten VdL-Mitgliedsunternehmen mit Unterstüt- zung des Verbands gegen die Einstufung als „vermutlich karzinogen beim Einatmen“ geklagt. Die Luxemburger Richter bescheinigten der EU-Kommission jedoch entscheidende Rechtsverstöße. „Wichtig für uns ist, dass es inhaltliche und nicht formaljuristische Gründe waren, welche die Richter zu diesem Urteil gebracht haben“, erläutert VdL-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Kanert. So hätten die Richter massive Fehler in der Beurteilung der Studie festgestellt, die der Einstufung zugrunde lag. Außerdem sind laut Urteil die Partikeleffekte keine intrinsische Eigenschaft von TiO2. Damit unterliegen sie auch nicht der EU-Verordnung für Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung). Nachdem das Urteil nach Ablauf der Einspruchsfrist Anfang Februar den VdL-Anwälten zugestellt und damit rechtskräftig geworden ist, entfällt auf der Stelle die Kennzeichnungspflicht. „Das ist ein wichtiger Präzedenzfall für weitere partikuläre, pulverförmige Stoffe“ freut sich Kanert weiter.

Green Deal stellt die Branche vor neue Herausforderungen

Auf der anderen Seite hält der europäische Green Deal den Verband weiter auf Trab. „Die Hälfte der acht relevanten Politikbe- reiche des Green Deals wirkt direkt auf die Lack- und Druckfarbenindustrie ein, die andere Hälfte zumindest indirekt“, sagt Kanert. Zwar habe Brüssel der Wirtschaft bei der REACH-Revision zeitlich ein wenig Luft verschafft. Auf der anderen Seite kritisiert aber der VdL die Pläne zur Revision der CLP-Verordnung. „Mit den neuen Gefahrenklassen würde die EU von den global geltenden GHS-Kennzeichnungen abweichen. Und je mehr Stoffe für das Risikomanagement eingeführt werde. Dann könnten Chemikalien aufgrund inhärenter Eigenschaften ohne Risikoabwägung verboten werden. „Das bedeutet dann eine Reduktion des Rohstoffportfolios und eine massive Veränderung der Rezepturen“, sagt der VdL-Hauptgeschäftsführer. Da eine solche Änderung durchschnittlich zwei bis drei Jahre, in Branchen wie der Luftfahrtindustrie aber auch mal zehn Jahre dauere, sei der Umformulierungsaufwand in der bisher vorgesehenen Zeit nicht zu bewältigen. Zwar seien die vollen Auswirkungen noch nicht berechenbar, weil viele Fragen laut Kanert noch offen sind, nach einer ersten Einschätzung des europäischen Chemi- kalienverbands CEPE würden aber zwölf Prozent der Stoffe entfallen.

Ungemach befürchtet Kanert zudem durch die REACH-Beschränkung von absichtlich zugesetztem Mikroplastik. Nach Farben und Lacke vom Verwendungsverbot ausgenommen, weil die Mikroplastik-Partikel fest in den ausgehärteten Farbfilm eingebunden sind. Dennoch würden die Pläne umfassende Kennzeichnungs- und Berichtspflichten für die Unternehmen der Wertschöpfungskette mit sich bringen – von Herstellern über Importeure, nachgeschaltete Anwender, Händler bis zu industriellen Verwendern. Kanert erwartet, dass die Be- schränkungen im zweiten Halbjahr 2023 in- kraft treten, was speziell für Mittelständler einen großen bürokratischen Aufwand bedeute. „Wenn die EU-Kommission nicht genau weiß, was sie machen soll, überzieht sie die Industrie mit Berichtspflichten“, klagt der VdL-Hauptgeschäftsführer. Er fordert deshalb klarere Definitionen des Umfangs der Regelung zu Mikroplastik und keine zusätzlichen Bürokratielasten für Unternehmen.

SI

Verband der Lack- und Druckfarbenindustrie e.V.
www.wirsindfarbe.de