Salomon führt durch die geheimnsivolle Welt der gleitenden Bretter
Die Oberflächentechnik beim Skifahren birgt noch manches Rätsel
Als Wintervergnügen hat sich das Skifahren einen festen Platz erobert. Doch damit die Bretter optimal durch den Schnee gleiten, ist viel Know-how in Sachen Oberflächen und Tribologie notwendig.
Wer umgangssprachlich von seinen Brettern spricht, hat tatsächlich noch weitgehend recht: Moderne Skier werden aus mehreren Lagen Holz zusammengeklebt und je nach Preisklasse mit Polyurethan-(PU-)Schaum oder anderen Kunststoffen aufgefüllt. Anders ist es jedoch bei der Lauffläche, auch Skibelag genannt. Denn diese Schicht muss gleich drei Anforderungen erfüllen: Sie soll elastisch wie der gesamte Ski sein, zugleich aber so wenig verschleißen wie möglich und ausgezeichnet durch den Schnee gleiten.
Die Skihersteller sind sich weitgehend einig: Der Skibelag besteht bei praktisch allen Produzenten fast komplett aus High-Density Polyethylene (HDPE), also Polyethylen mit einer hohen Dichte zwischen 0,94 und 0,97 g/cm³. Dieser Kunststoff ist nicht nur stark hydrophob – was die Gleiteigenschaften verbessert –, sondern lässt sich auch leicht bearbeiten. Ob Fräsen,Schleifen, Schneiden, Dekorieren, Handling oder Kleben, dieser Werkstoff macht alle Verfahren problemlos mit.
Extrudiertes oder gesintertes HDPE
Die Lauffläche selbst kann auf zwei Arten hergestellt werden, durch Extrudieren oder durch Sintern. Extrudierte Skibeläge eignen sich für Skier der Einstiegsklasse, da die Gleiteigenschaften auf einem durchschnittlichen Niveau liegen, der Produktionsprozess aber sehr effizient und wirtschaftlich ist. Sie gleiten auch mit wenig oder keinem Wachs gut über den Schnee und nehmen wenig Wachs auf, da die Struktur des Belags sehr dicht ist. Das Sintern ist etwas komplexer, ergibt aber qualitativ hochwertigere Produkte. „Das HDPE-Pulver wird zunächst erhitzt und in eine große zylindrische Form gepresst, so dass je nach gewünschter Breite etwas Ähnliches wie ein voller Greyerzer oder Parmiggiano-Käse entsteht“, erläutert Arnaud de Mondenard, der für den französischen Skihersteller Salomon in der Forschungs- und Entwicklungszentrale in Annecy arbeitet.
Anschließend wird dieser Zylinder auf eine Drehmaschine montiert, so dass der Skibelag von außen in der gewünschten Dicke abgeschnitten werden kann. Einige gesinterte Beläge erlauben große Geschwindigkeiten beim Skifahren, da sie eine höhere Wachsaufnahme haben und dadurch beim Gleiten mehr Wachs abgeben können. Die Gleitreibung wird damit vermindert.
Für Skier der Spitzenklasse werden feine Silikatpartikel in die Beläge eingearbeitet. Die Feinheit dieser Partikel und die homogene Verteilung im Belag ergeben ein verbessertes Verschleiß- und Gleitverhalten. Durch Wachsen des Belags wird auch das Vergrauen unterbunden, bei dem es sich um einen Oxidationsprozess handelt. Wenn minimaler Gleitwiderstand erwünscht ist, muss der Skibelag regelmäßig neu gewachst werden.
In den Skifabriken werden die Beläge dann durch Fräsen oder Schneiden in Form gebracht. Obwohl sie sich ausdehnen, lassen sie sich leicht und präzise zuschneiden und zusammensetzen, um verschiedene Designs und Brandings zu kreieren. Auch für das Recycling bietet der gängige Werkstoff HDPE den Vorteil, dass abgeschnittenes Material recycelt und zu neuen Skibelägen verarbeitet werden kann. Der Kunststoff kann zudem transparent sein, sodass die Beläge auf der Rückseite durch Siebdruck, Sublimation oder Digitaldruck gestaltet werden können. Bei der Skikonstruktion werden die Beläge in der Regel mit Epoxidharz auf verschiedene Fasern geklebt und müssen auch fest mit den Stahlkanten verbunden werden.
Tribologie beim Skifahren noch nicht komplett erforscht
Die Tribologie des Ski-Schnee-Kontakts ist wissenschaftlich schwer zu dokumentieren und noch nicht vollständig verstanden. Die Forscher sind sich nach Angaben von de Mondenard jedoch über Folgendes einig: Durch den Druck und die Reibung zwischen Belag und Schneeflocken entsteht Wärme, welche die Schneeflocken lokal zu Wassertropfen schmelzen lässt. Da die Oberflächen nicht vollkommen eben sind, gibt es eine Vielzahl von Kontaktpunkten, die mit der Rauheit des Untergrunds zusammenhängen. Es gibt nicht eine lange Kontaktfläche, sondern eine Vielzahl von kleinen Kontaktpunkten um 0,15 µm Größe. „Wir nehmen an, dass das Gleiten gut wird, wenn Wassertropfen an den Kontaktpunkten zwischen Belag und Schnee sofort schmelzen und gefrieren“, sagt der französische Ski-Experte. Der Ski gleitet also auf einem unterbrochenen Film von Wassertropfen, den so
genannten Linsen.
Entsteht jedoch aufgrund einer hohen Wassermenge im Kontaktbereich ein durchgängiger Wasserfilm, verschlechtern sich die Gleiteigenschaften. Grund ist, dass eine Scherkraft erforderlich ist, um den Wasserfilm zu spalten. „Deshalb hängen die Gleiteigenschaften eines Belags von seiner Rauigkeit ab, die wir durch eine geeignete mikroskopische Strukturierung zu beherrschen versuchen“, erklärt de Mondenard.
Je nach Schneeverhältnissen kann der Schnee mehr oder weniger flüssiges Wasser enthalten – ob an der Oberfläche oder zwischen den Flocken. Je höher die Temperatur und die Feuchtigkeit im Schnee, desto größer muss die Strukturierung sein. Eine grobe Strukturierung mit einer größeren Stufe reduziert die Anzahl der Kontaktpunkte und die Wassermenge zwischen Schnee und Untergrund. Andererseits ist bei kalten und trockenen Bedingungen nur sehr wenig Wasser im Schnee vorhanden, so dass eine sehr feine Strukturierung erforderlich ist, um die Anzahl der Wasserlinsen zu vervielfachen und auf ihnen zu gleiten.
Profifahrer haben teils mehr als 40 Paar Ski dabei
Abhängig von der Schneetemperatur können einige Zusätze wie Kohlenstoff, Zeolit oder Fluor im Skibelag die Gleiteigenschaften verbessern. Die Dichte und Härte des Belags haben ebenfalls einen Einfluss auf die Gleiteigenschaften. Beim Wachsen der Skier werden zudem noch die Poren des HDPE mit Wachs gefüllt, wodurch der Belag noch hydrophober wird. Das Wachs, das für eine maximale Effizienz verwendet wird, hängt vom Belagmaterial und der Struktur ab.
„Aus diesem Grund sind unsere Serviceteams bei jedem Weltcuprennen dabei, um den Rennfahrern bei der Wahl des richtigen Skis, Belags und Aufbaus zu helfen“, berichtet de Mondenard. Auch die Nationalmannschaften verfolgen die Weltcuprennen mit Schleif- und Strukturierungsmaschinen, um die Beläge bis zur letzten Minute anzupassen. Ein Langlauf-Weltcupfahrer kann mit mehr als 40 Paar Ski von Rennen zu Rennen reisen, um in jedem Moment die richtige Wahl zu haben und seine Chancen zu maximieren.