Herausforderung Energie für Beschichter

Unser Gesprächspartner

Lars Baumgürtel ist seit 1992 geschäftsführend bei ZINQ tätig, seit 2008 ist er alleiniger Gesellschafter des Familienunternehmens in vierter Generation. Er ist Absolvent des Doppeldiplomprogrammes der Otto Beisheim School of Management (WHU Koblenz) und der Wirtschaftshochschule Lyon (EM Lyon).

Die ZINQ-Gruppe beschichtet jedes Jahr über 650.000 Tonnen Stahl im Auftrag ihrer Kunden, hat 2.000 Mitarbeiter und inzwischen 50 Standorte. ZINQ bringt als erstes Unternehmen der Oberflächentechnik ein zirkuläres Geschäftsmodell (Planet ZINQ) in Umsetzung.

Die Gruppe ist in fünf Ländern Europas tätig und hat Kunden aus den unterschiedlichsten Bereichen vom Handwerk über Bauunternehmen bis hin zur Nutzfahrzeugindustrie, Herstellern von landwirtschaftlichen Maschinen sowie der chemischen Industrie.

 

Hohe Energiepreise, Gasmangellage – wie agiert man als Unternehmer in diesen turbulenten Fahrwassern ?

Lars Baumgürtel, der Geschäftsführer der Zinq-Gruppe rät zu einem Dialog zwischen energieintensiven Unternehmen und den Versorgern, um willkürliche Abschaltungen zu verhindern und sieht eine Alternative in grünem Wasserstoff.

mo: Herr Baumgürtel, was sind bei Ihnen die größten Energieverbraucher?
Baumgürtel: Das sind die Öfen für die Zinkschmelze, die bis zu 800 Tonnen Zink auf 450°C halten müssen. Für solche Heißtauchverfahren gibt es bisher keine Alternativen zu Erdgas. Über alle Standorte in Europa verbrauchen wir insgesamt fast 250.000 MWh an Gas und Strom pro Jahr. Daher betreffen uns die aktuellen Energiepreise sehr stark.

mo: Wie kaufen Sie Energie ein?
Baumgürtel: Derzeit ist es notwendig, alle Möglichkeiten des Termin- und des Spot-Martkts zu kombinieren, um so Preisvorteile zu erzielen. Genauso entscheidend ist es aber, einen Versorger als Grundlage zu haben, der die Lieferung gewährleisten kann. Wir haben früh begonnen, uns die benötigten Energiemengen vertraglich zu sichern – das scheint eine gute Strategie gewesen zu sein. Ich höre immer häufiger von Branchenkollegen, dass sie keine Verträge über die benötigten Mengen angeboten bekommen – ein ernsthaftes Problem, vor allem für die kleineren Unternehmen der Oberflächentechnikbranche.

mo: Ist zu erwarten, dass Unternehmen ohne Versorgervertrag im nächsten Jahr tatsächlich ohne Energie dastehen werden?
Baumgürtel: Im Prinzip ist das möglich, denn für Unternehmen gibt es kein Recht auf Grundversorgung, wie bei den privaten Verbrauchern. Deshalb ist es wichtig, dass die Unternehmen jetzt alles tun, um ihre benötigten Energiemengen abzusichern.

mo: Verfolgen Sie Strategien, sich von Erdgas als Energiequelle zu lösen?
Baumgürtel: Für uns kommt eine Eigenerzeugung alternativer Energien in den Mengen, wie wir sie für die Verzinkung benötigen, nicht in Frage. Deshalb streben wir eine Substitution von Erdgas durch Wasserstoff an. Das ist zugegebenermaßen komplex und keine kurzfristige Lösung, aber einer der Wege, um sich in der Zukunft unabhängiger von den Energiemärkten zu machen, die noch länger sehr volatil bleiben werden.

mo: Wasserstoff als grüner Energieträger der Zukunft wird sehr kontrovers diskutiert, warum sind Sie davon überzeugt?
Baumgürtel: Es ist sinnvoll, sich möglichst viele Optionen für den Energiebezug offenzuhalten. Wenn wir Erdgas substituieren und gleichzeitig unsere CO2-Emissionen wirksam reduzieren wollen, gibt es nicht sehr viele Alternativen. Wir werden zukünftig in Deutschland mindestens 1.000 Terawattstunden zusätzliche Energie zu dem Strom aus erneuerbaren Quellen benötigen. Um diese Mengen an kohlenstofffreier Energie zur Verfügung stellen zu können, wird es nicht ohne einen Produktionshochlauf von Wasserstoff gehen. International beginnt der Zug in Richtung grünen Wasserstoffs längst Tempo aufzunehmen und wir müssen aufpassen, nicht am Bahnsteig zurückzubleiben.

mo: Wie kann Wasserstoff als Alternative für Unternehmen interessant werden und gibt es bereits konkrete Projekte?
Baumgürtel: Wir sind in Gelsenkirchen Teil des Projektes Klimahafen, es  besteht aus einem Cluster von rund 20 Unternehmen und Institutionen vor Ort, die ihre Bedarfe gebündelt haben und dabei auf einen Jahresbedarf von 15.000 Tonnen Wasserstoff kommen. Dadurch ist das Projekt für Anbieter von Wasserstoff attraktiv. Wir wollen bereits im nächsten Jahr die Verwendung eines wasserstoffhaltigen Energiegases für die Prozesswärme als Ersatz für Ergas bei Zinq testen. Für die mittelfristige Versorgung mit grünem Wasserstoff wird entweder eine entsprechende Elektrolysekapazität vor Ort aufgebaut oder der Anschluss des Klimahafens an eine Wasserstoffpipeline erfolgen. Im Projekt GetH2 zum Beispiel wird in fünf bis zehn Jahren Wasserstoff aus dem Norden in das Ruhrgebiet transportiert werden, zum Beispiel durch stillgelegte Erdgaspipelines. Die LNG-Terminals, die sich derzeit im Bau befinden, werden für die Anlandung von Wasserstoff vorgerüstet sein.

mo: Wie wird sich der Wasserstoff preislich im Vergleich zu Erdgas darstellen?
Baumgürtel: Die Erzeugerkapazitäten sind derzeit noch gering und nicht jedes Unternehmen wird Wasserstoff als Energieträger einsetzen können. Bei den aktuellen Gaspreisen wäre dessen Herstellung aber schon jetzt wirtschaftlich interessant. Die nötige Infrastruktur für den Import von global erzeugtem grünen Wasserstoff auszubauen, wäre jedenfalls viel günstiger, als die benötigten zusätzlichen 1.000 Terwattstunden alleine aus dem Zubau regenerativer Energien in Deutschland heben zu wollen. OGE, ein großer Netzbetreiber im Bereich der Gasverteilung, schätzt, dass der Umbau der Erdgasleitungen und der Zubau neuer Leitungen nur etwa sechs Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Das ist ganz erheblich weniger, als die 15 Milliarden, die uns ein Ausbau der erneuerbaren Energien jedes Jahr bis 2045 kosten wird.