Die Lieferfähigkeit sichern

Unser Gesprächspartner

Jörg Reinmuth hat Wirtschaftsingenieur an der Fachhochschule Gießen Friedberg studiert und 1994 als Produktionsleiter im Familienbetrieb angefangen. 1997 übernahm er die Geschäftsführung und ist seit dem Jahr 2000 alleiniger Gesellschafter.

Die Rheinmut Galvanik Gruppe betreibt zwei Standorte in Unterfranken, einen in Bürgstadt am Main und einen in Würzburg. An beiden Standorten arbeiten insgesamt 80 Mitarbeiter, beliefert werden hauptsächlich Sondermaschinenbauer und die Investitionsgüterindustrie mit Zink-  und Zinklegierungsschichten sowie Phosphatierungen.

Die Standorte sind nach einschlägigen Qualitätskriterien zertifiziert. Jörg Reinmuth hat Wirtschaftsingenieur an der Fachhochschule Gießen Friedberg studiert und 1994 als Produktionsleiter im Familienbetrieb angefangen. 1997 übernahm er die Geschäftsführung und ist seit dem Jahr 2000 alleiniger Gesellschafter.

Hohe Energiepreise, Gasmangellage – wie agiert man als Unternehmer in diesen turbulenten Fahrwassern ?

Jörg Reinmuth ist der Geschäftsführer der Reinmuth Galvanik-Gruppe und setzt kurzfristig auf eine Umrüstung auf Öl und LPG, um lieferfähig zu bleiben. Er fordert eine Agenda 2030 für Energie.

mo: In welcher Größenordnung verbrauchen Sie Strom, Gas und Wärme?
Reinmuth: Unser Verbrauch liegt im Bereich einer Million Kilowattstunden, je nachdem welchen Standort und Energieträger Sie betrachten. Unser Energieträger für Wärme war bisher überwiegend Gas, da wir damit direkt unsere Trocknungsprozesse befeuern – eine Besonderheit in der Branche. Sonst sind elektrisch beheizte Gestelltrockner die Regel. Als galvanotechnischer Betrieb verbrauchen wir viel Strom für die Beschichtung sowie für die ganze Prozesstechnik, von Pumpen bis hin zu den Transportsystemen.

mo: Wie sichern Sie Ihre Produktion bei Eintreten einer Gasmangellage?
Reinmuth: Wir rüsten derzeit auf Öl und Flüssiggas um, um produktionsfähig zu bleiben. Das verursacht allerdings Investitionskosten von etwa 100.000 Euro pro Standort, für zusätzliche Tanks, bauliche Modifikationen an Gebäuden und so weiter. Das wird allerdings auch zu steigenden Betriebskosten durch den Energieträger Öl führen. Wir rechnen pro Jahr und Standort, mit Größenordnungen von 500.000 Euro.

mo: Ist die Umrüstung auf Öl reversibel?
Reinmuth: Wir werden die alten Leitungen natürlich nicht wegreißen und versuchen uns an beiden Standorten alle Alternativen offenzuhalten. In Bürgstadt wird es so sein, dass wir dann Erdgas, Flüssiggas oder Öl verwenden können und ein Wechsel innerhalb weniger Werktage möglich sein wird.
 

mo: Sie haben vor einiger Zeit Bürgstadt von Öl auf Gas umrüsten lassen – bereuen Sie das heute?
Reinmuth: Nein, der Standort ist mit Gas einige Jahre sehr rentabel gelaufen, von daher hat sich das durchaus gelohnt.
 

mo: Wie hoch ist der Energiekostenanteil an Ihrer Produktion?
Reinmuth: Da wir keine Galvanik sind, die Massenteile herstellt, ist unser Energie-
kostenanteil an der Gesamtwertschöpfung nicht ganz so hoch. Im Sondermaschinenbau sind die Teile schwerer und der Aufwand an Gestellbau, Beschichtungsab-
deckung und Sondervorrichtungen wesentlich höher. Aber inzwischen ist die Eskalation am Energiemarkt auch für uns zu einem erheblichen Faktor geworden.
 

mo: Wie gelingt es Ihnen, die Preissteigerung an Ihre Auftraggeber weiterzugeben?
Reinmuth: Bei inhabergeführten mittelständischen Zulieferern, die häufig unsere Situation nachzuvollziehen können, entsteht meist eine konstruktive Verhandlungssituation auf Augenhöhe. Bei größeren Unternehmen haben wir leider auch schon sehr wenig Verständnis und ein massives Abblocken erlebt. Letzteres kann je nach Auftragsgröße für uns als mittelständischen Betrieb existenzgefährdend sein.
 

mo: Wie versorgen Sie sich mit Strom auf dem Energiemarkt?
Reinmuth: Wir waren bisher ein klassischer Sondervertragskunde und haben unseren Strom auf zwei Jahre ausgeschrieben – ohne externen Dienstleister, aber mit Unterstützung der VEA, dem Verband der Energieabnehmer. Dieser Festpreis hat uns jetzt in der sehr volatilen Phase sehr geholfen wo andere, die sich ihre Tranchen am Spotmarkt geholt haben, sehr hart getroffen wurden. Aber inzwischen schlägt die Entwicklung auch bei uns voll durch. Deshalb habe ich mich nun einem Pool angeschlossen, der ab übernächstem Jahr vierteljährlich in Tranchen am Spot Markt einkaufen wird, um das Einkaufsrisiko zu reduzieren.
 

mo: Ist Kraft-Wärme-Kopplung für Sie ein Thema?
Reinmuth: Wir haben uns mehrfach Konzepte zur Kraft-Wärme-Kopplung vorrechnen lassen. Obwohl unsere Galvanik Wärme und Strom gleichzeitig braucht und eigentlich ein idealer Anwendungsfall sein könnte, ist das zumindest für uns nicht lukrativ. Wenn die Kraft-Wärme-Kopplungs-Einheit nach 80.000 Betriebsstunden revisionsbedürftig wird, kann das die erzielten Einsparungen weitgehend aufbrauchen. Davon abgesehen war früher bei Gaspreisen von 1,5 Cent pro Kilowatt die Direktbeheizung unschlagbar. Nun müssen wir über Alterantiven zum Gas nachdenken. Eine Idee ist, die Trockner mit grünem Strom zu betreiben, statt mit CO2-emittierenden Brennstoffen.
 

mo: Macht das in der jetztigen Preissituation wirtschaftlich Sinn?
Reinmuth: Mittelfristig steht zu erwarten, dass die Strompreise sinken, insbesondere wenn in größerem Umfang alternativ erzeugter Strom zur Verfügung steht. Nach einer Beruhigung der Energiemärkte könnte der reine Strompreis zwischen acht und elf Cent pro Kilowattstunde liegen. Deshalb ertüchtigen wir schon jetzt unsere Infrastruktur und vergrößern unsere Trafo-
station, was aufgrund der derzeitigen Lieferzeiten bis zu eineinhalb Jahre dauern könnte. Das ist außerdem ein wichtiger Schritt, um zum Beispiel künftig Elektro-LKWs auf unserem Gelände zwischenladen zu können.
 

mo: Haben Sie einen genauen Überblick, wieviel Energie Sie wo verbrauchen?
Reinmuth: Wir haben einen ziemlich guten Überblick über unsere Energieverbräuche, weil wir als energieintensiver Betrieb Energiesteuern und Abgaben teilweise zurückbekommen. Dafür müssen wir genau aufzeigen, welche Energien wohin fließen. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob der Strom für die Hallenbeleuchtung genutzt wird oder für die galvanotechnische Beschichtung. Allerdings liegen wir unter der Gigawattgrenze, sodass wir noch nicht energiemanagementpflichtig sind. Der höhere administrative und technische Aufwand hierfür hätte sich früher nicht gelohnt. Die hohen Energiepreise haben die Lage nun geändert. Wir erweitern die EDV-Infrastruktur in der Produktion und installieren bis Ende des Jahres mehr und genauere Messtechnik, um Einsparpotenziale zu finden.
 

mo: Welche Rolle spielt das Thema Spitzenlast-Grundlastglättung bei Ihnen?
Reinmuth: Wir haben uns mit dem Thema intensiv beschäftigt. Insbesondere, weil wir die im Prozess benötigte Wärme nicht elektrisch erzeugen, ist bei der Spitzenlast wenig Spielraum. Und wir können ja nicht das Licht oder die Transportwägen ausschalten. Auch Filter oder Rührwerke abzustellen wäre keine Option. Nur ein verzögertes Starten eines Temperofens bringt nicht viel. Davon abgesehen verlangen unsere Kunden kurze Lieferzeiten. Längere Durchlaufzeiten, um unsere Lastverteilung zu optimieren , würden auf kein Verständnis stoßen.
 

mo: Wie sind die Perspektiven für Ihr Unternehmen, aber auch für die Branche angesichts der jetzigen Entwicklungen?
Reinmuth: Wir sind ein agiles Unternehmen und ich sehe die aktuelle schwierige Situation durchaus als beherrschbar an. Als inhabergeführtes Unternehmen habe ich keine Shareholder, die mich unter Druck setzen, ich kann langfristig denken und agieren. Allerdings sehe ich durchaus die Gefahr, dass der Abnehmermarkt implodieren könnte. Zwar kommen aufgrund der Lieferkettenproblematik künftig vermehrt Produktionsstätten nach Europa zurück. Laut einer Zuliefererstudie von Merril Lynch ist jedoch nicht zu erwarten, dass Deutschland hiervon nennenswert profitieren wird, sondern viel eher Spanien und Osteuropa. Auch wenn das Automotive-Geschäft für uns nur einen kleinen zweistelligen Umsatzanteil ausmacht – wenn die großen Unternehmen, die bisher diesen Markt bedient haben, ihre Beschichtungsanlagen nicht mehr auslasten können und auf unserem Markt Preis-Dumping betreiben, wird es schwierig.
 

mo: Wie bewerten Sie die öffentliche Diskussion zu den aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen?
Reinmuth: Die Mitarbeiter sind verunsichert und nervös, weil die größten Schreckens-
szenarien rauf und runter diskutiert werden und die Politik Entscheidungen immens herauszögert. Mir haben schon häufiger Mitarbeiter offenbart, dass sie Angst um ihren Job haben, weil sie in einer Zeitung gelesen haben, dass energieintensive Betriebe das Jahr nicht überleben werden. Über die kontraproduktive psychologische Wirkung der aktuellen Berichterstattung und der öffentlich ausgetragenen Debatte um die richtige Strategie scheint unsere politische Führung nicht nachzudenken. Auch wenn ich mir als Geschäftsführer im Klaren über meine Bilanzen und Rücklagen bin, verursacht das Unruhe in der Belegschaft.  
 

mo: Welche Maßnahmen würden Sie von Seiten der Politik erwarten?
Reinmuth: Wir brauchen kalkulierbare Energie. Egal ob mein Kunde Bagger baut oder Kräne, alle brauchen verlässliche Preise und Beschaffungskosten. Jeder muss seine Preise weitergeben und die Kalkulation darf nicht volatil sein. Deshalb müssen die Energiemärkte stabilisiert und reguliert werden. So wie ein Unternehmer in einer Krisensituation handelt: Alles unwichtige ausblenden und auf Basis der vorliegenden Informationen Entscheidungen treffen und Strategien entwickeln. Aber unsere derzeitigen Politiker sind offensichtlich nicht gut darin, schwierige und weitreichende Entscheidungen zu treffen. Aber wir brauchen eine Strategie und keinen öffentlichen Diskurs in Talkshows am Sonntagabend.
 

mo: Was sollte Ihrer Meinung nach stattdessen konkret passieren?
Reinmuth: Die Politik muss konsequent einen Plan machen, so wie Gerhard Schröder damals die Agenda 2010 auf die Beine stellte und die Prämissen am Arbeitsmarkt neu setzte. Das war die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg der folgenden Jahrzehnte. So muss ein Plan erstellt werden, wie der Energiemarkt in Zukunft aussehen muss, damit es in Deutschland und Europa in Zukunft noch eine produzierende Industrie geben kann. Wir brauchen eine Agenda 2030, die festlegt was in den nächsten acht Jahren passieren muss – und dann muss alles getan werden, um das umzusetzen. Wer ein Ziel hat, weiß was zu tun ist – auch wenn irgendwo seltene Schmetterlinge herumfleuchen oder eine abstrakte Besorgnis bezüglich Schattenwurf besteht. Es geht immerhin um unser aller wirtschaftliche Zukunft!
 

mo: Mit welchen Erwartungen gehen Sie an die Planung für das nächste Jahr?
Reinmuth: Ich vertrete die Auffassung, dass, wenn wir die Preisentwicklung stabilisiert bekommen, wir und viele andere Betriebe in den nächsten Jahren durchkommen werden. Von den Investitionen her konzentrieren wir uns auf Digitalisierungs- und Optimierungsthemen. Wir gehen davon aus, dass es weitergehen wird und dass wir Zulieferer auch in Zukunft gebraucht werden – gerade in unserem Segment bei Sondermaschinen und Spezialfahrzeugen. Bauern brauchen Traktoren und niemand kann Autobahnen ohne Kräne und Bagger bauen. Es gibt keinen Grund warum solche Produkte volkswirtschaftlich nicht mehr gebraucht werden sollten.