Von der Aufnahme zur Schallplatte
Links an der Wand stehen zwei automatische Pressen, die alle 30 Sekunden eine Langspielplatte ausstoßen. Eine neue Single fällt bereits alle 20 Sekunden auf die Spindeln. Pro Stunde sind also zwischen 120 und 180 Platten möglich. Ein höherer Ausstoß ist nicht sinnvoll – wenn Qualität gefragt ist. Die Maschinen zischen und klacken in einem fort. Mit einer beeindruckenden Choreographie bewegen sich Transportarme, Schneidwerkzeuge und andere Hebel, bis die schwarzen, roten oder auch violetten Schallplatten eine nach der anderen auf den Spindeln abgelegt werden. Den größten Teil des Raumes nehmen Tische ein, auf denen große Stapel Schallplatten, Hüllen, Label und Cover liegen. Mitarbeiter sind emsig beschäftigt, die Schallplatten in ihre Hüllen einzulegen und dann kundenfertig zu machen. Ohne Hektik und sehr sorgfältig, aber effizient. Vor dem Betreten des Tonstudios kommt ein dringender Hinweis: unbedingt das Handy ausschalten! Denn sollte das Handy sich auch nur einfach bei einer Funkzelle melden, würde das die laufende Aufnahme unbrauchbar machen.
Mourad Gerlach ist der Toningenieur und sitzt vor zwei großen Bildschirmen, im perfekten Stereodreieck, zwischen zwei auf Stativen montierten High-End-Lautsprechern. Er mustert die Tonspur der aktuellen Aufnahme konzentriert. Rechts neben ihm steht ein Plattenspieler zum Testen bereit, links steht das eigentliche Lackfolien-Schneidegerät. Dahinter steht sogar noch eine Bandmaschine – für alle Kunden, die auf einer komplett analogen Aufnahmekette bestehen. Das Schneidegerät stammt aus den siebziger Jahren – klassischer, massiver Maschinenbau für die Ewigkeit. Hersteller war damals die Firma Georg Neumann GmbH. Es hat große Ähnlichkeiten mit einem überdimensionalen und zu stabil geratenen Schallplattenspieler, funktioniert aber genau umgekehrt. Das analoge Tonsignal wandelt der sogenannte Stichel in physische Schwingungen um und schneidet sie in einen dünnen Nitroacetat-Lackfilm. Der wiederum ist aus Stabilitätsgründen auf einer Aluminiumsscheibe aufgebracht. Unterdruck sorgt für ein absolut planes Anliegen der Aufnahmescheibe auf dem massiven Plattenteller. Das Ergebnis der Prozedur ist der sogenannte Mastercut.
Mourad Gerlach ist der Toningenieur und sitzt vor zwei großen Bildschirmen, im perfekten Stereodreieck, zwischen zwei auf Stativen montierten High-End-Lautsprechern. Er mustert die Tonspur der aktuellen Aufnahme konzentriert. Rechts neben ihm steht ein Plattenspieler zum Testen bereit, links steht das eigentliche Lackfolien-Schneidegerät. Dahinter steht sogar noch eine Bandmaschine – für alle Kunden, die auf einer komplett analogen Aufnahmekette bestehen. Das Schneidegerät stammt aus den siebziger Jahren – klassischer, massiver Maschinenbau für die Ewigkeit. Hersteller war damals die Firma Georg Neumann GmbH. Es hat große Ähnlichkeiten mit einem überdimensionalen und zu stabil geratenen Schallplattenspieler, funktioniert aber genau umgekehrt. Das analoge Tonsignal wandelt der sogenannte Stichel in physische Schwingungen um und schneidet sie in einen dünnen Nitroacetat-Lackfilm. Der wiederum ist aus Stabilitätsgründen auf einer Aluminiumsscheibe aufgebracht. Unterdruck sorgt für ein absolut planes Anliegen der Aufnahmescheibe auf dem massiven Plattenteller. Das Ergebnis der Prozedur ist der sogenannte Mastercut.
Die Herstellung dieser Lackfilme ist alles andere als trivial, denn der Nitroacetat-Lack ist extrem leicht entzündlich und hoch explosiv. Bis vor kurzem gab es weltweit noch zwei Hersteller dieser Lackfolien – bis das Werk in den USA Anfang 2020 durch eine gewaltige Explosion zerstört wurde.
Kritisch bei der Herstellung der Lackfilme ist, dass die Aluminiumscheiben durch einen Vorhangbeschichter fahren müssen. Dabei entstehen große Menge hochentzündlicher Dämpfe. Die dürfen mit nichts in Kontakt kommen, was über ausreichend Zündenergie verfügt – schon gar nicht mit den Heizspulen, die in der sich unmittelbar anschließenden Trockenzone für eine beschleunigte Lackhärtung sorgen. „Die gesamte Plattenindustrie ist nun von dem einzigen Werk in Japan abhängig“, erklärt Sudau und man merkt ihm an, dass ihn das nicht kalt lässt. „Die Werke stammen aus den siebziger Jahren und ich befürchte dass es heutzutage extrem schwierig und vor allem unwirtschaftlich teuer sein wird, ein solches Werk aufzubauen und vor allem überhaupt erst einmal eine Betriebsgenehmigung zu erhalten.“ Vermutlich würde deshalb die ganze Branche besser schlafen, wenn es eine Alternative zu dem Nitro-Acetat-Lack gäbe. Doch wie so oft, nicht nur in der Oberflächentechnik, gibt es zu einem optimal funktionierenden Stoff äußerst selten einen genauso guten Zwilling, der ohne die negativen Eigenschaften auskommt.
Die Anforderung für einen Mastercut-geeigneten Lack sind jedenfalls hoch und vielfältig. Die Oberfläche muss perfekt glatt werden und es dürfen nach dem Trocknen nicht einmal kleinste Lufteinschlüsse vorhanden sein. Denn solche Lufteinschlüsse könnte der Stichel beim Schneidprozess eröffnen. Beim Abspielen der Platte würde dann später entweder die Nadel abreißen oder zumindest ein granatenmäßiges Geräusch entstehen. Zusätzlich darf der Lack nicht spröde sein, so dass es beim Schneiden zu Abplatzungen kommt. Aber auch zu weich wäre fatal, denn dann würde der Stichel zu viel Material abtragen und somit die Aufzeichnung ruinieren. Eine Alternative zu finden ist also mehr als nur herausfordernd.
Vom Film zum Presswerkzeug
Bevor eine Schallplatte gepresst werden kann, muss über mehrere Schritte aus der Tonaufnahme eine Pressform, der sogenannte Stamper, hergestellt werden. Der ist sehr hoch belastet, denn er muss in der Presse 110 Tonnen Druck und 140 Grad Celsius aushalten.
Nachdem der Mastercut fertig ist, beginnt der galvanische Teil. Die Tonaufnahme wird in drei Schwenkbädern vorbehandelt. Dieter lässt die schwarzen Tonträger vorsichtig und konzentriert in die Schalen gleiten. In der ersten befindet sich ein alkalischer Reiniger, RBS 35, für nicht korrosive Materialien, der spurenfrei abspülbar ist. Dann folgt Saponin als Klarspüler. Die Sensibilisierungslösung, ein Nickelfluorid-Salzsäure-Gemisch, bildet den Abschluss. Sie ist für die anschließende Versilberung kritisch und wird daher täglich neu angesetzt. Die Schwenkvorrichtung für die Wannen wurde selbst entwickelt. Zwischen jedem Bad kommen die Mastercuts auf eine Aufnahmevorrichtung in eine große Wanne und Dieter braust sie gründlich mit einer Gardenadusche ab – mit entsalztem Wasser. Es läuft kein Timer, aber die Spülzeiten wirken nahezu konstant. „Ich habe das mittlerweile im Gefühl“, grinst er. Spektakulär wird es bei der Versilberung. Dieter hängt die schwarze Scheibe in der Versilberungskabine auf einen rotierenden Teller. Dann nimmt er die etwas skurril aussehende zweidüsige Pistole und sprüht langsam vom Rand nach innen. Der Sprühnebel ist farblos, dann plötzlich nach wenigen Sekunden schlägt die Farbe des Mastercuts von außen nach innen um von schwarz auf silbrig glänzend. Nach dem Abspülen mit entsalztem Wasser hängt ein silbern glänzendes Schmuckstück in der Spritzkammer, das man sich auch problemlos als silberne Schallplatte an die Wand hängen könnte.