Mittels dieser aus Nickel hergestellten Pressform, dem sogenannten Stamper, die galvanisch entsteht, wird jede Schallplatte einzeln bei 110 Tonnen Druck aus PVC gepresst.

Das große Comeback

Schallplatten galten lange Zeit als überholt – inzwischen entwickelt sich ein regelrechter Trend zurück zum Vinyl. Lange Zeit war eine Schallplatte aus Vinyl eher etwas für Individualisten. Nun erlebt der Klassiker unter den Musikmedien ein regelrechtes Comeback – und das aus gutem Grund. Denn das analoge Signal einer hochwertig produzierten Schallplatte ist in seiner Nuanciertheit und Natürlichkeit digitalen Formaten überlegen.

Für Jahrzehnte galt die Schallplatte als Relikt der prädigitalen Zeit. Als die CD in den neunziger Jahren ihren Siegeszug antrat, begannen die Plattenspieler aus den Wohnzimmern zu verschwinden. Die Schallplatte, die die Musikwelt so viele Jahrzehnte begleitet hatte, wurde zum Auslaufmodell. Damals hätten vermutlich auch die größten Vinyl-Liebhaber nicht erwartet, dass 30 Jahre später nicht nur immer noch neue Platten produziert und gepresst werden, sondern dass die Schallplatte einen regelrechten Boom erlebt. Und das, obwohl inzwischen längst die einst übermächtige CD zu einer bedrohten Art wird – verdrängt durch immer mehr Musikstreaming. Während die Verkaufszahlen von CDs einbrechen, steigen die Produktionszahlen der Schallplatten immer weiter. Es gibt inzwischen etliche aktive Plattenpresswerke in Deutschland, eines davon produziert in Tiefenbach, einem kleinen, beschaulichen Ort in der Nähe von Landshut in Bayern.

„Wir sind hier nun schon einige Jahre ansässig, aber es gibt bis heute viele Einwohner, die keine Ahnung haben, dass es uns hier gibt“, schmunzelt Helge Sudau, der mit seiner Frau das Unternehmen MY45 leitet. So richtig verwunderlich ist das allerdings nicht, denn von der Straße ist kaum zu erkennen, dass hier ein Industrieunternehmen sitzt. Ein Wohnhaus verdeckt die Sicht und wer nicht wirklich danach sucht, übersieht das dezente Hinweisschild „MY45“, das Besucher auf das eigentliche, gegenüber der Straße tiefer gelegene Firmengelände leitet.

Parkplätze sind Mangelware. Der kürzeste Weg in die Schallplattenfertigung führt über eine kleine Laderampe, die sich mit etwas Elan mühelos überwinden lässt. Vor dem Tor prallt das verschlafene, ländliche Idyll jäh zurück, dahinter taucht der Besucher unmittelbar ein in die emsige Produktion von Schallplatten. Gleich auf der linken Seite beginnt das Reich von Dieter Zeh, dem Galvaniker von MY45. Er ist ein Quereinsteiger, hat früher in einem großen Chemieunternehmen gearbeitet und nun seine Berufung gefunden. „Wir sind hier alle eingefleischte Vinyl-Liebhaber“, erzählt er. „Dementsprechend hohe Ansprüche haben wir an unser Produkt. Das alles entscheidende Kriterium ist natürlich der Klang. Trotzdem legen wir auch größten Wert auf die Optik und wie die Platten in ihr Cover gelangen.“ Falsch herum eingelegte Platten oder gar Fingerabdrücke sind in Tiefenbach ein No-Go. Deshalb trägt jeder, der eine Schallplatte anfasst, Baumwollhandschuhe. Dieter ist überwiegend für die Herstellung der sogenannten Stamper zuständig, das sind die Pressformen, mittels derer die Schallrillen in den Kunststoff gelangen. Er ist sichtlich stolz darauf, dass ihre Arbeit in Tiefenbach sogar international anerkannt wird – so öffnen sogar renommierte Reggae-Label in Jamaika ihre Archive und lassen in Bayern Neuauflagen von Klassikern wie Bob Marley herstellen.

Der sogenannte Mastercut bildet die Urform, von der später in der Galvanik die positive Pressform aus Nickel abgeformt wird. Die Schneidmaschine stammt aus den 70ern und wurde generalüberholt.

Qualität statt Masse

Wer glaubt, dass die Schallplatte, die wir heute kennen, ein Relikt des 19. Jahrhunderts ist, irrt. Zwar wurden die ersten Serien-Schallplatten tatsächlich bereits um 1890 produziert. Sie bestanden allerdings aus empfindlichem Schellack und hatten nur einen Tonkanal. Die Rillenbreite betrug 120 µm. Die in jeglicher Hinsicht viel besseren PVC-Schallplatten und mit ihr die 45-µm-Mikrorille begannen sich allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchzusetzen. Und auch da war noch alles Mono, die erste Stereo-Schallplatte kam 1957 auf den Markt. Der Ton wird bei der modernen Schallplatte in der sogenannten Seitenschrift, also im 45-Grad-Winkel in der Rillenflanke eingeprägt. Das erlaubt überhaupt erst das Abspielen von zwei Kanälen mit nur einem Tonabnehmer. Grundsätzlich bedeutet das, dass mit steigendem Aufzeichnungspegel die Tonrille mehr Platz benötigt und dementsprechend weniger Spielzeit auf eine Seite passt. Grundsätzlich hängen deshalb die Tonqualität und Dynamik einer Schallplatte nicht nur von den absoluten physikalischen Grenzen, sondern in erheblichen Maßen von den Prioritäten bei der Produktion und Herstellung ab. Naheliegend ist außerdem, dass bezüglich der Dynamik und Tonqualität die teilweise sogar in Millionen- Stückzahlen gefertigten Massentonträger aus den 70er und 80er Jahren in Bezug auf den Hörgenuss nur einen kostenoptimierten Kompromiss zu bieten hatten. Eine heute produzierte Schallplatte ist da anders.

„Wir produzieren heute für ein hochgradig audiophiles Publikum“, erläutert Sudau, während er in Richtung Tonstudio mitten durch den Produktionsbereich vorangeht. Er leitet mit seiner Frau Lena-Maria das Presswerk in Tiefenbach. „Es geht nicht mehr darum, möglichst viele Schallplatten zu möglichst geringen Kosten herzustellen. Unser Ziel ist, das absolute Optimum an Tonqualität zu erreichen.“