Der Hansgrohe Group ist es gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, dass es erlaubt galvanisierte Kunststoffe zu recyceln - und direkt wieder in die Fertigung einfließen zu lassen. Stand der Technik beim Recycling metallisch beschichteter Kunststoffe ist dagegen das sogenannte Downcycling, das bedeutet bei der Wiederverwendung der Kunststoffe können keine Produkte auf ähnlichem Qualitätsniveau hergestellt werden. Entscheidend für den Erfolg des Verfahrens ist die zuverlässige und effiziente Trennung der dünnen metallischen Schicht von den Kunststoffsubstrat. Diesbezüglich gelang es Hansgrohe zusammen mit ihrem Entwicklungspartner, dem Anlagenbauer ImpulsTec, einen echten Meilenstein zu setzen.
Am 14. Juni nahm Frank Semling, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Operations Hansgrohe SE, gemeinsam mit Stefan Eisert, dem Geschäftsführer ImpulsTec GmbH, die neue Kunststoffrecyclinganlage in Anwesenheit von Medienvertretern, Projektbeteiligten und Mitarbeitenden der Kunststoffspritzerei feierlich in Betrieb.
Die in mehreren Containern untergebrachte Anlagentechnik erlaubt es, den Produktionsausschuss von verchromten Bauteilen so aufbereiten, dass der entschichtete ABS Kunststoff direkt vor Ort in der Hansgrohe Kunststoffspritzerei wieder zur Herstellung von Neuteilen eingesetzt werden kann, dass recycelte Granulat landet also sofort wieder in den Spritzmaschinen. „Mit dieser technischen Weltneuheit schließen wir den Wertstoffkreislauf am Standort“, so Frank Semling, „Jede Ressource, die nicht mehr gewonnen werden muss, sondern wiederverwertet werden kann, schont unsere Ökosysteme. Mit diesem innovativen Verfahren gehen wir einen weiteren Schritt auf unserem Weg der grünen Transformation.“
In seiner Begrüßungsrede lobte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende die Zusammenarbeit der Projektteams von ImpulsTec sowie Hansgrohe: „Erfolgreiche individuelle Lösungen entstehen nur in ausgezeichneter Teamarbeit. Die Offenheit von ImpulsTec zur gemeinsamen Entwicklung des Verfahrens und der fachliche Austausch der Beteiligten machten möglich, was bislang technisch und wirtschaftlich äußerst schwer umsetzbar war: das Recycling von verchromten Kunststoffen. Auch im Namen meiner Vorstandskollegin und -kollegen danke ich allen Projektbeteiligten für ihre hervorragenden Leistungen.“
Der Clou: Schockwellen durch elektrische Entladung
Nach einer Vorzerkleinerung mit eher konventionellen Methoden kommt das Verfahren zum Einsatz, das diesen Prozess überhaupt erst möglich machte, die elektrohydraulische Zerkleinerung. Hierbei werden durch elektrische Entladungen in einem mit Wasser gefüllten Behälter sehr starke Druckwellen erzeugt, die metallische Schichtfragmente von dem Kunststoffgranulat regelrecht absprengen. Das Prinzip erinnert ein bisschen an Ultraschall, liegt aber von der Intensität her um mehr als das tausendfache darüber. Anschließend werden Kunststoff, Metall und Medium durch magnetische Separation und Filtration voneinander getrennt.
David Zapf, Spezialist Surface Technology und Leiter des Projekts bei Hansgrohe, erklärt: „Als Ergebnis entsteht zum einen eine hochkonzentrierte Metallfraktion, die im wesentlichen Kupfer und Nickel enthält. Diese geht zur Verhüttung in den Verkauf. Die wertvollen Metalle werden so wieder zu 100 Prozent dem Rohstoffkreislauf zugeführt. Zum anderen erhalten wir den entschichteten ABS Kunststoff, den wir zur Herstellung von Neuteilen verwenden. Hier nutzen wir das Material direkt vor Ort in unserer Kunststoffspritzerei und können so den Wertstoffkreislauf am Standort schließen.“ Die Aufbereitungsanlage wurde für einen jährlichen Durchsatz von 100 Tonnen verchromtem Kunststoff konzipiert. Mit dieser Menge wiedergewonnenem ABS kann rein rechnerisch eine Million neue Handbrausen gefertigt werden. Es ist ein Betrieb von acht Stunden pro Tag an etwa 250 Arbeitstagen im Jahr angedacht.
Langlebigkeit bedeutet Ressourcenschonung
Die Produkte des Schiltacher Herstellers von Premium- und Designprodukten für Bad und Küche werden unter hohen Qualitätsansprüchen gefertigt. Der besonders stabile Verbund zwischen Kunststoff und Metall zeichnet die langlebigen Produkte aus. „Gerade deshalb wurde die Wiederaufbereitung zu einer Herausforderung“, erklärt David Zapf. „Durch die neuartige Anlage mit der innovativen Schockwellenbehandlung sind wir nun in der Lage, etwa 98 Prozent der Rohstoffe wieder zu verwenden.“ Zwar wurden die verchromten Bauteile, die im Produktionsprozess als Ausschuss entstanden, auch bislang von externen Partnern verarbeitet. Hierbei stand vor Projektbeginn im Jahre 2019 die thermische Verwertung unter Gewinnung des Metalls im Vordergrund.
Nachhaltigkeit als Unternehmensstrategie
Teil der Kreislaufwirtschaft zu werden, ist für Hansgrohe eines der zentralen Handlungsfelder seiner Nachhaltigkeitsstrategie. „Es ist uns ein dringendes Anliegen, die Produktion auf Nachhaltigkeit auszurichten. Durch das lange Nutzen oder Wiederverwerten von Produkten und Materialien reduzieren wir sowohl unseren Ressourceneinsatz als auch Transportwege. Daher bietet unsere neue Aufbereitungsanlage nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile für Hansgrohe“, so Frank Semling.
Interessant ist, dass Hansgrohe Nachhaltigkeit auch noch weiter denkt – denn auch die effizienteste Beschichtung bedeutet zusätzlichen Ressourcenverbrauch. So brachte das Unternehmen 2023 mit der Produktlinie „Planet Edition“ nicht nur recyceltes Material zum Einsatz, die Handbrause „Pulsify Planet Edition“ wird auch gar nicht erst beschichtet. Ein sehr visionärer Ansatz.