Viele Praxisthemen beim Praxisforum Industriebeschichtung des QIB

Unter Beschichtern: 230 Teilnehmer beim Praxisforum Industriebeschichtung des QIB

QIB Praxisforum Industriebeschichtung 2023
Die Stadthalle Wetzlar war bei dem QIB Praxisforum Industriebeschichtung mit rund 230 Teilnehmern gut gefüllt (Bild:CB)

Das vielfältige und interessante Vortragsprogramm auf dem diesjährigen Praxisforum reichte von Retrospektiven über Inline-Schichtdickenkontrolle bis hin zu Praxiserfahrungen mit der Wärmeversorgung mit Hackschnitzeln und Heißdampf. Bei der ersten Präsenzveranstaltung seit der Corona-Pandemie war die Stadthalle Wetzlar mit 230 Teilnehmern gut gefüllt. Der Bedarf, sich mit aktuellen Informationen zu versorgen und über die derzeitigen Herausforderungen auszutauschen, war offensichtlich groß. Der Vorstandsvorsitzende des GUI EB, Markus Kopp, ging bei seinem unterhaltsamen Jahresrückblick auch auf die vergangenen schwierigen Jahre ein, betonte aber auch das, was in dieser Zeit erreicht wurde. So wuchs der QIB seit der letzten Veranstaltung um 23 neue Mitglieder und fünf Fördermitglieder auf insgesamt 155 Mitglieder. Für die Prüfungen bei den Mitgliedsunternehmen steht neuerdings eine Prüfungs-App zur Verfügung, um den Ablauf der Prüfung im Betrieb zu vereinfachen und auch zu vereinheitlichen.

Retrospektive Pulver

Marko Büttgen von Kabe, der 1979 in die Pulverbeschichtung einstieg, referierte sehr unterhaltsam und informativ über die Geschichte und Meilensteine der Pulverbeschichtung. Die Pulverindustrie wuchs damals mit zweistelligen Zuwachsraten – nicht zuletzt wegen des damals neu inkraft getretenen Bundesimmissionsschutzgesetzes (BimschG) und der technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Die Ursprünge der Pulverbeschichtung liegen übrigens in den 60er Jahren, als sich Bosch in Reutlingen mit der Möglichkeit beschäftigte, Isolierlacke durch lösemittelfreie Systeme zu ersetzen.

Später gründete Bosch unter dem Namen Resicoat eine eigene Pulvermarke. Die Herstellung war in der Anfangszeiten geradezu abenteuerlich – die Lackgrundstoffe schmolz und dispergierte man in einem großen Lackansetzbehälter, den man erhitzte und mit einem Dissolver durchrührte. Was passierte, wenn das Pulver unkontrolliert aushärtete, kann sich jeder vorstellen. Schließlich begann man Extruder einzusetzen. So streifte Büttgen durch die Jahrzehnte, ging auf die Entwicklung der Tribobeschichtung ein, selbstreinigende Pulverkabinen und die Entwicklung der modernen Coronapistolen durch Gema. Zuvor waren der Hochspannungstransformator und die Gleichspannungskaskade eigenständige Komponenten und waren mit einer steifen Hochspannungsleitung mit der Pistole verbunden. Alles in allem eine spannende Zeitreise für alle, die damals nicht dabei waren.

26 Jahre chromfreies Passivieren

Jürgen Uhrmann berichtete erfrischend ehrlich über 26 Jahre chromfreies Passivieren und auch die Lernkurve, die das Unternehmen Alufinish und er selbst durchstehen musste. Es dauerte deutlich länger als gedacht, bis die Eigenschaften und notwendigen Rahmenbedingungen im praktischen Einsatz der chromfreien Passivierung auf Basis von Titan/Polymer bei den Beschichtern erarbeitet waren. Die Einführung der multimetallfähigen chromfreien Vorbehandlungen auf Basis eines Sol-Gelverfahrens aus Zirkon- und Silan-Verbindungen verlief dann um ein Vielfaches reibungsloser.

Weitere Vorträge beschäftigten sich mit der Schichtdickenmessung, zum Beispiel mit den Herausforderungen der Messung von dünnen Substraten und dünnen Beschichtungen sowie den Fehlerquellen bei stark gekrümmten Bauteilen, kleinen Oberflächen und in Kantennähe. Wer sich hier nicht an die Empfehlungen der Messgerätehersteller zur Kalibrierung hält, erhält deutlich zu große oder zu kleine Werte. Auch die Rautiefe eines Substrats kann die Messung erheblich beeinflussen, empfehlenswert ist in einem solchen Fall die Ermittlung einer durchschnittlichen Schichtdicke.

Eine praktische Anwendung bei dem Lohnbeschichter Metob zeigte, wie sich mittels fotothermischer Messverfahren von Optisense stabilere Prozesse, ein harmonisiertes Toleranzband und weniger Ausschuss und Nacharbeiten erreichen lassen. Konkret ging es um die Pulverbeschichtung von Führungsschienen für Autofenster, bei denen eine zu geringe Schichtdicke die Langlebigkeit beeinträchtigt, während eine zu hohe Schichtdicke Funktionseinschränkungen zur Folge hat. Im Ergebnis konnten die erwarteten Effizienzziele sogar übertroffen werden.

Prozesssicherheit durch Inline-Messungen

Insbesondere in Zeiten eines Umdenkens bei  der Energieversorgung passte der Vortrag der Pulverbeschichtung Schreiner (PBS) hervorragend ins Programm. Das Unternehmen hat es mit erheblichen eigenen Entwicklungsanstrengungen geschafft, über eine Hackschnitzelheizung und eine kaskadierte Heißdampfversorgung sämtliche Wärmeverbraucher vom Pulvertrockner über den Haftwassertrockner bis zu den Vorbehandlungsbädern über ein 3,5 Kilometer langes Leitungsnetz prozesssicher zu versorgen. Dabei betrat das Unternehmen Neuland und musste viele Komponenten selber konstruieren und installieren. Alleine durch die Umstellung auf eine zentrale Wärmeversorgung sank bei PBS der Energieverbrauch um 20 Prozent. Dazu kommt, dass auch in angespannten Phasen auf dem Holzmarkt der Preis für die Hackschnitzelversorgung im Vergleich zu Öl oder Gas konkurrenzlos günstig war. „Bis 2021 hat sich allerdings niemand für unser Wärmeversorgungskonzept interessiert“, konstatiert der Firmenchef Harald Schreiner.

Praxisforum Industriebeschichtung QIB 2023
Angeregte Fachgespräche in den Pausen in der umfangreichen Industrieausstellung (Bild: CB)

Alternativen zu Öl und Gas lohnen sich

Weitere Vorträge behandelten die Verbesserung der Nachhaltigkeit durch Niedertemperaturpulver, biobasierte und recyclingfähige Rohstoffe sowie witterungsstabile Formulierungen. Außerdem thematisiert wurden Strategien für KMU bezüglich der Reduktion von Treibhausgasemissionen und die Auswirkungen der europäischen Bilanzrichtlinie und CSR. Hier werden gestaffelt über die nächsten Jahre für immer mehr Unternehmen Berichtspflichten entstehen. Spannend war die Vorstellung einer digitalen grafischen Gestaltung für lackierte Oberflächen durch Sublimation. Beliebige per Inkjet druckbare Grafiken können so in eine eingebrannte Pulverbeschichtung eingebracht und fixiert werden: Bei drei bar Druck und 200 Grad Celsius diffundieren die Farbstoffe in den Pulverlack und werden fixiert.

Stefanie Sarnoch von der Pulverlackierung Sarnoch GmbH hat das Verfahren nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit erfolgreich als Ergänzung des Unternehmensportfolios etabliert und präsentierte interessante Anwendungsbeispiele. Ein weiteres Anwendungsbeispiel war die Beschichtungslinie bei Giga Coating, auf der knapp 16 Meter lange und fast drei Meter breite Teile vorbehandelt, gestrahlt, KTL-beschichtet und gepulvert werden können. Aber nicht nur die Dimensionen der Anlage sind beeindruckend, auch die Konsequenz, mit der die Maßnahmen zur Energieeffizienz und Ressourcenschonung umgesetzt wurden.

Richtig prüfen ist keine Selbstverständlichkeit

Eine unter Beschichtern überraschend weitverbreitete Fehlannahme ist, dass es ausreicht, Prüfungen unregelmäßig oder überhaupt nicht durchzuführen, weil sich an dem Prozess sowieso nie etwas ändert oder die Prozesse sowieso schon in Ordnung sind. Deshalb lieferte lieferte Ernst-Hermann Timmermann von der DFO unter dem Motto „Richtig prüfen will gelernt sein“ einen Querschnitt über die Anwendung der wichtigen Prüfverfahren von der Schichtdickenmessung bis zur Gitterschnittprüfung sowie über in der Branche weit verbreitete Irrtümer, die er anhand konkreter Fallbeispiele erläuterte.

Das Institut für Oberflächentechnik IFO berichtete detailliert über die Beschichterqualifikation nach der Bahn Norm DBS 918340 und welche durchaus umfangreichen Prüfungen und Dokumentationen dafür notwendig sind. Auch ging der Referent Phillip Malchow darauf ein, dass die Mitgliedschaft in einer anerkannten Qualitätsgemeinschaft eine gesonderte Prüfung überflüssig macht. Auch die Möglichkeiten zu Qualitätsverbesserungen mit gleichzeitigen erheblichen Einsparungen bei Kosten und Ressourcen durch automatisierte Dosierungslösungen wurden praxisbezogen dargestellt.

Neben weiteren Vorträgen zum Thema Qualitätsprüfung und -sicherung sowie zur Qualifizierung von Beschichtern präsentierte ein Vortrag über ein spezielles Software-Tool von Rainer Gruber von Surface Solutions eine vielversprechende Perspektive für die schnelle und präzise Erstellung von Angeboten für Lohnbeschichtungs-Aufträge. Interessant und auf positive Resonanz stieß auch das Konzept einer integrierten Industrie 4.0-Prozesslösung von Gema, die einen konstanten Überblick über Zustände, Leistung und Wartung operativer Systeme bietet sowie umfassende Analyse- und Export-Möglichkeiten für abteilungsübergreifende Optimierungen bietet.

Auch die Nachwuchsförderung kam nicht zu kurz, so wurde am Donnerstag vor der Abendveranstaltung der „Jeder-Braucht-Pulver“-Preis verliehen, mit dem Auszubildende für besonders gute Leistungen ausgezeichnet werden. Neben den inhaltlich gut ausgewählten Vorträgen bot die Veranstaltung ein sehr offenes und konstruktives Klima, das sich sowohl bei der Abendveranstaltung als auch bei den sehr lebhaften Gesprächen in den Pausen in der Industrieausstellung zeigte. Insgesamt erwies sich das Vortragsprogramm als sehr vielfältig und angenehm präsentierte.