Das Thema technische Sauberkeit in der industriellen Teilereinigung kann mit dem vorhandenen Wissen und Know-how inzwischen weitgehend und anforderungsgemäß gerecht beherrscht werden. Doch jetzt kommt ein Thema auf, dass noch erstaunlich viele weiße Flecken auf der Landkarte hat – die technische Sauberkeit von Verpackungen. Denn natürlich gilt es sicherzustellen, dass das Bauteil auf seinem Transportweg nicht erneut kontaminiert wird, sodass es am Ziel angekommen die Spezifikation nicht mehr einhält und die Gefahr von Defekten im Feld oder Retourenärger droht. Als Verpackungen gelten diesem Zusammenhang Kleinladungsträger (KLTs), Paletten und Deckel, außerdem sogenannte Trays, also Einsätze für KLTs, die für eine optimierte, stoßgeschützte Aufnahme von Bauteilen sorgen. Letztere gibt es auch als selbsttragende Trays.
E-Mobilität als Treiber
Hierbei zeigen sich die veränderten Anforderungen durch die E-Mobilität als ein wesentlicher Treiber der Entwicklung. Die Schwierigkeiten und Unklarheiten in der Branche wurden immer deutlicher und so erkannte das Fraunhofer IPA, dass hier Bedarf für Grundlagenarbeit aber auch für einen Erfahrungsaustausch besteht. Neben Forschungsprojekten zu dem Thema hob das IPA außerdem die erste Fachkonferenz zur technisch sauberen Verpackung aus der Taufe. Sie fand erstmals am 29. November in Stuttgart statt und war mit fast 90 Teilnehmern beinahe ausgebucht. Zehn Vorträge standen auf der Agenda samt einer Plenumsdiskussion, die sich der Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven und von unterschiedlichen Zulieferern sowie OEMs annäherten.
Grundsätzlich zeigten die Vorträge, dass vor allem nicht metallische Partikel, also Fasern und organische Partikel, die häufig auch erst durch Abrieb der Bauteile in den Trays oder KLTs entstehen, zu einem zunehmenden Problem werden. Es geht also um Partikel, die früher zu Boomzeiten der Verbrennungsmotoren eine untergeordnete Rolle spielten. Metallische Partikel spielen in diesem Zusammenhang zumindest bis zu einer zulässigen Größe von 200 µm in der Regel keine so große Rolle. Verpackungsversuche des IPA zeigten in diesem Zusammenhang, dass die Konstruktion der Trays und die Gestaltung der Auflagen der Bauteile enormen Einfluss auf die Partikelgenerierung haben. Insbesondere wenn scharfkantige metallische Bauteile auf dem Tray reiben, können große Partikelmengen entstehen. Im Zuge der Elektromobilität kommen sehr häufig sogenannte ESD-KLTs oder Trays zum Einsatz, also Ladungsträger, die elektrisch leitend ausgeführt sind und statische Aufladungen, die Elektronikkomponenten beschädigen könnte, ableiten können. Das birgt zwei gravierende Probleme. Zum einen sind solche Materialien noch weniger Abrieb beständig. Zum anderen sind diese erzeugten Partikel, obwohl organisch, elektrisch leitend, können also ohne weiteres Kurzschlüsse verursachen. Insofern rief Dr. Markus Rochwicz dazu auf, den Einsatz solcher ESD-KLTs bewusst auf ein Minimum zu reduzieren, was durch ein Umdenken und eine entsprechende Separierung ESD-gefährdeter Bauteile von Bauteilen, die später vor der Montage entladen werden können, möglich ist. Entscheidend war auch die Erkenntnis, dass nicht nur das den Sauberkeitsspezifikationen entsprechende Verpacken eine zentrale Rolle spielt, sondern dass das sauberkeitsgerechte Auspacken in aller Regel sehr unterschätzt wird und aber dennoch ausgesprochen wichtig ist. Allein die Frage, wie Folien oder Beutel aufgeschnitten werden, im ungünstigen Fall mit einem Messer, im besseren Fall mit einer Keramikschere, oder ob es bei der Entnahme von Beuteln oder Bauteilen zu Kollisionen mit dem Ladungsträger kommt, hat enormen Einfluss auf die Partikelkontamination des Bauteiles, dass in die Fertigung eingeschleust werden soll.
Nicht realistisch: Verpackung muss so sauber sein, wie das Bauteil
Klar wurde außerdem, dass die bisher häufig postulierte Anforderung, dass der Ladungsträger oder die Verpackung genauso sauber zu sein hat, wie das Bauteil, nicht umzusetzen ist. Das ist aufgrund der Materialien und Konstruktion der KLTs zumeist gar nicht möglich, und außerdem wirtschaftlich unbezahlbar. Darüber hinaus haben Versuche gezeigt, dass diese Sauberkeitsanforderungen auch nicht zielführend sind, da ein Großteil der Partikel in einer Verpackung nicht zum Bauteil migrieren. Doch hier gilt zusätzlich zu den bisherigen Arbeiten am Fraunhofer IPA Grundlagenarbeit zu leisten, um dieses Risiko besser kalkulieren zu können. Interessant war in diesem Zusammenhang die systematische Erarbeitung eines Leitfadens zur Grenzwerterstellung für Verpackungen eines Bekannten OEMs.
Alles in allem boten die Vorträge fundierte Einblicke in die aktuellen Herangehensweisen von Automobilzulieferern und OEMs an das Thema. Die Reaktionen und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer machten klar, dass hier ein neues Kapitel im Bereich der technischen Sauberkeit aufgeschlagen wird. Das Video enthält Impressionen von der Veranstaltung, außerdem Kurzinterviews einiger Referenten zu den unterschiedlichen Aspekten der Verpackungssauberkeit sowie ein zusammenfassendes Gespräch mit Dr. Markus Rochowicz zum Thema.