Eigentlich ist es eine positive Nachricht, der Anteil erneuerbarer Energien ist 2024 auf über 60 % der Stromerzeugung gestiegen. Doch damit wird unsere Energieversorgung in immer stärkerem Maße wetterabhängig. Eine langanhaltende Flaute war in der Zeit der Segelschiffe mit das Ärgste, was einen Seefahrer treffen konnte. Ohne Wind rührte sich das Schiff keinen Meter - abgesehen von der Strömung vielleicht. Wenn dann die Vorräte zu neige gingen, wurde die Situation angespannt. Wetterphänomene wie die aktuell im Dezember aufgetretene Dunkelflaute offenbaren schonungslos die Schwächen und Unausgegorenheiten des aktuellen Energieversorgungssystems. Denn es fehlen adäquate Stromspeicher, die eine solche Flaute kompensieren könnten. Je länger eine solche Dunkelflaute dauert, desto katastrophaler die Folgen - wie zu den Zeiten vor Dampfmaschine und Verbrennungsmotor. Die aktuellen Ausfälle bei der Wind- und Solarenergie führten bereits zu drastischen Produktionsausfällen und Strompreisspitzen – allerdings muss man fairerweise sagen, dass davon nicht nur in Deutschland betroffen war.
Energiemangel gefährdet Existenzen
Für die Oberflächenbranche, die auf energieintensive Prozesse angewiesen ist, wirkt sich der Mangel an Strom in ebensohohem Maße existenzgefährdend aus wie temporär explodierende Preise, die unter Umständen einen Produktionsstopp notwendig machen können. Zusammen mit einer schlechten bis durchwachsenen Auftragslage und damit wenig üppigen Margen sinkt die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen.
Dunkelflaute: Versorgungssicherheit als Achillesferse der Energiewende
Ein Rückblick auf die Dunkelflauten im Dezember 2024 zeigt die Dimension des Problems: Die Energieerzeugung aus Windkraft brach ein, auch Solarstrom fiel aus und die Strompreise schossen auf über 900 Euro pro MWh. Wer sich dann an der Strombörse tagesaktuell versorgen muss, kann schnell vor schwierigen Entscheidungen stehen. So waren Unternehmen mitunter gezwungen, die Produktion zu drosseln. Bemerkenswert ist auch, dass die Gasreserven innerhalb weniger Tage um über 10 % sanken, weil die Gaskraftwerke eine so große Energiemenge liefern mussten. Nun ist die Wahrscheinlichkeit einer Dunkelflaute, die zehn mal so lang oder stark ist, nicht sehr groß, aber es zeigt, was für Verwerfungen unter ungünstigen Umständen hier vorstellbar sind.
2025 werden geplante Maßnahmen zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit belasten
Der CO₂-Preis wird auf auf 55 Euro pro Tonne steigen, wodurch fossile Energieträger nochmals teurer werden, während gleichzeitig die Netzentgelte anziehen – Übertragungsnetzbetreiber prognostizieren einen Preisanstieg um 3,4 %. Daürberhinaus müssen sich Unternehmen auf eine Reform des Stromsteuerrechts einstellen. Zwar sollen hier Prozesse vereinfacht werden, ein löblicher Ansatz, so er gelingt. Direkte preisliche Entlastungen werden daraus jedoch nicht resultieren.
Für die Oberflächenbranche, die auf kontinuierlichen Energiestrom angewiesen ist - ob in der Galvanotechnik, Pulverbeschichtung oder thermischen Behandlung - bleiben die Kosten hierfür ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit. Noch dazu erfordern viele Prozesse der Oberflächenbranche vom Lackieren über das Galvanisieren bis zur Plasmaoberflächentechnik eine lückenlose Versorgung und können nicht spontan gestoppt werden, ohne dass Ausschuss und zusätzliche Kosten entstehen. Unterbrechungen oder Lastverschiebungen sind in der Regel nicht wirtschaftlich umsetzbar. Ein Unternehmen, dessen Produktion sich nach dem verfügbaren Energieangebot richten muss, gerät global massiv ins Hintertreffen und verliert erheblich an Wettbewerbsfähigkeit. Ohne massive Investitionen in Speichertechnologien oder Backup-Systeme wie Wasserstoff wird zukünftig die Energiesicherheit zu einer zentralen Herausforderung. Letztendlich gewinnt die Frage, wieviel eine gewisse Energieautonomie unabhängig von Sonne und Wind wert ist, an Bedeutung. So wären Kooperationen energieintensiver Unternehmen vorstellbar, die zum Beispiel gemeinsam Blockheizkraftwerke betreiben - denn je größer und besser ausgelastet ein solches BHKW ist, desto günstiger ist die Energie. Vor allem größere Unternehmen wägen allerdings längst ab, ob es angesichts der politischen Windrichtung strategisch tatsächlich noch sinnvoll ist, energieintensive Prozesse weiterhin in Deutschland betreiben zu wollen. Für viele Unternehmen der Oberflächenbranche ist jedoch ein Auswandern nicht sinnvoll möglich und sie müssen sich den Gegebenheiten stellen.
Regulatorische Vorgaben und Lösungen: Was Unternehmen tun können
Neben den steigenden Kosten und der Versorgungssicherheit bringt das Jahr 2025 neue Verpflichtungen, so zwingt das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) Unternehmen dazu, ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Effizienzmaßnahmen werden damit nicht nur nach wirtschaftlich Gesichtspunkten notwendig, sondern regulatorisch vorgeschrieben. Immerhin plant die Bundesregierung eine Verlängerung des Strompreispakets für energieintensive Unternehmen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stabilsieren. Doch ein durchdachtes Konzept, das die Kernprobleme löst, ist nicht zu erkennen. Deshalb warnen Experten, darunter die Initiative Zukunft Wirtschaft e.V. (IZW) immer lauter, dass ohne verlässliche Rahmenbedingungen und bezahlbare Energie die Deindustrialisierung weiter Fahrt aufnehmen wird.
Fazit: Oberflächenbranche zwischen Transformation und Druck
Die Oberflächenbranche muss ihre Prozesse an steigende Energiepreise sowie regulatorische Anforderungen anpassen – gleichzeitig sinkt die Versorgungssicherheit durch Dunkelflauten und ein unzureichendes Backup-System. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Investitionen in Energieeffizienz, Prozessoptimierung und langfristig auch in alternative Energien wie Wasserstoff unausweichlich. Doch wenn das Kapital dafür nicht zur Verfügung steht, sind die Perpektiven schwierig. Die kommenden Monate werden deshalb zu einer weiteren Bewährungsprobe – technologisch und wirtschaftlich.
CB