mo: Frau Halmich, Sie werden als Ehrengast die diesjährigen Oberflächentage des Zentralverbands Oberflächentechnik eröffnen. Wie kam es zu dieser Einladung beziehungsweise Ihrer Entscheidung, die Veranstaltung mit einer Rede zu eröffnen?
Halmich: Nach Beendigung meiner aktiven Karriere halte ich unter anderem Motivationsvorträge vor namhaften Unternehmen. Als die Anfrage kam, die Eröffnungsrede für die diesjährigen Oberflächentage des Zentralverbands Oberflächentechnik zu halten, war ich sofort begeistert.
mo: Auf welche Punkte werden Sie in Ihrer Eröffnungsrede hauptsächlich eingehen? Wo liegen aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aspekte Ihrer aus dem Boxsport und Ihrer Karriere insgesamt abgeleiteten Rezepte für ein erfolgreiches Business und das Bestehen in einem harten Wettstreit?
Halmich: In dem Referat geht es um meinen Weg: Alles begann mit einer Idee, einer Vision - und dem erfolgreichen Kampf, mich gegen alle äußeren Widerstände durchzusetzen, meiner Leidenschaft, dem brennenden Wunsch, das unerreichbar scheinende Ziel, Boxweltmeisterin zu werden, zu erreichen. Dazu gehört der unabdingbare Wille, Ehrgeiz, Training und das Brennen für das Erreichen seiner Ziele. Die Bereitschaft, alles dafür zu geben und dem vieles unterzuordnen. Und um das Team, das hinter einem steht. Weltmeister zu werden ist eine Sache – es zu bleiben eine andere: Vom Verfolger wird man zum Verfolgten. Alle wollen einem den Weltmeistertitel - oder die Marktführerschaft - streitig machen. Sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen, ist ein Grundprinzip des Erfolgs. Nicht nur das Agieren im Seilgeviert lässt einen zum Sieger werden, sondern auch die Klarheit des Kopfes. Die mentale Stärke ist enorm wichtig. Weltmeister wird man mit Kopf und Kampfgeist.
mo: Derzeit bestreiten Unternehmen der Industrie in Deutschland, insbesondere kleine und mittelgroße Betriebe, viele Kämpfe, die sie nicht nur überstehen, sondern gewinnen müssen, um nicht in naher Zukunft von der Bildfläche zu verschwinden. In einer Kampfsituation mit vielen Unbekannten, was Gegner und die Umstände angeht - wie tritt man dem als Boxer entgegen? Wie plant man den Einsatz eigener Stärken am besten, wenn man nicht weiß, worauf man sich einstellen muss?
Halmich: Um im Ring und im Business nicht nur bestehen zu können, sondern auch Hervorragendes abzuliefern, gehören: Das Ausschöpfen des Potenzials, die ständige Weiterentwicklung, Motivation, Selbstreflexion und wache Analyse des Gegners beziehungsweise des Konkurrenten. Wenn man in den Ring steigt, hat man seine Hausaufgaben gemacht. Alles muss sitzen und abrufbar sein. So wie in einem Unternehmen. Es kommt darauf an, die richtigen Technologien anzuwenden sowie Handlungskompetenz und Leistungsbereitschaft, aber auch Kreativität zu beweisen. Jede Herausforderung gilt es mit einer Topleistung zu begegnen.
mo: Sie ziehen viele Parallelen zwischen Erfolg im Boxsport und Erfolg im Business. Dass der Boxsport hartes Arbeiten mit sich bringt, wenn man ihn erfolgreich ausüben will, ist wohl jedem klar. Wie ist es aber im Wirtschaftsleben Ihrer Erfahrung nach? Fehlt es da, vielleicht gerade im mittelständischen Bereich, am Bewusstsein, dass man niemals nachlassen darf, selbst wenn der Status Quo zufriedenstellend ist? Und wo liegt Ihrer Meinung nach der Gegenpol zur Strenge, mit der man die eigenen Leistungen taxieren muss, um im Betrieb ein Klima von Prosperität und Erfolg zu schaffen und erhalten?
Halmich:Dazu ein Zitat von Henry Ford: „Wer immer schon tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist“. Er hat Recht. Sich neuen Herausforderungen zu stellen, lässt uns beweglich bleiben. Wer etwas erreichen will, muss auch ’mal eine Niederlage einstecken können. Es gilt, wieder aufzustehen, seine Fehler zu analysieren und den Kampf von Neuem aufzunehmen. Aus Fehlern lernen zu können - und eben nicht aufzugeben – auch das gehört zum Erfolg. Es gegen Widerstände zu schaffen, dazu gehört unbedingter Wille, Überzeugung. Weitere Komponenten eines Erfolgskonzeptes sind zweifellos Konzentration, Disziplin, Ehrgeiz und Ausdauer - und ganz wichtig: mentale Stärke und Leidenschaft. Jeder kann einmal einen Lucky Punch landen, aber das reicht nicht auf Dauer. Auch durch die Pandemie haben die Unternehmen einige ebenso schweißtreibende wie zukunftsweisende Runden hinter und vor sich. Und wer den Anschluss verliert, büßt ganz schnell seine Wettbewerbsfähigkeit ein. Wichtig ist, die Kompetenzen der Mitarbeiter und Führungskräfte zu schulen und zu fördern - ohne diese zu überfordern. Die Lust zu wecken, Herausforderungen anzunehmen. Kompetenzerweiterung muss als Chance und nicht als Last begriffen und vermittelt werden.
mo: Sie waren als Profiboxerin zwölf Jahre lang ungeschlagen. Ihren Ruhm haben Sie in vielen Projekten für gute Zwecke zum Nutzen von Schwächeren eingesetzt – es scheint für Sie eine Selbstvertsändlichkeit zu sein, etwas Gutes für andere aus dem eigenen Erfolg abzuleiten. Wie ist das in der Wirschaft – sehen Sie da auch eine Verantwortung und Vorbildfunktion bei den „Giganten“ gegenüber den kleineren, die aber ebenfalls ihr bestes geben und vielleicht nur eine zu schwere Ausgangslage haben, um sich über Wasser zu halten, geschweige denn vorne mitzuspielen?
Halmich: Ich finde es sehr wichtig, dass wenn man einen gewissen positiven Bekanntheitsgrad erlangt hat, diesen auch nutzt, um auf Missstände aufmerksam zu machen und somit das öffentliche Interesse dafür zu sensibilisieren. Wenn wir in einer lebenswerten Gesellschaft leben wollen, ist es unabdinglich, auch zu geben. Vorbilder sind wichtig – im Kleinen wie im Großen. Nicht immer geht es darum, nur das „Mehr, mehr“ und „Geiz ist geil“ im Blick zu haben, man muss den Horizont erweitern für andere, weniger privilegierte Menschen. Oder ganz einfach auf einen Satz gebracht: Sinnvolles zu tun, macht einen selbst und andere zufrieden.
mo: Sie haben sich nicht von Anfang an fürs Boxen entschieden und waren zunächst im Kickboxen erfolgreich. Glauben Sie, dass es dazugehört, immer wieder Neuland zu betreten, mit den Kenntnissen des Erlebten im Rücken, um seinen goldrichtigen Weg zum maximalen Erfolg zu finden beziehungsweise nicht zu verlieren? Das Ende Ihrer Boxerkarriere und die berufliche Umorientierung zum richtigen Zeitpunkt hat sich ja in Ihrem Fall auch wieder als richtige Entscheidung herausgestellt – Sie sind immer noch eine erfolgreiche Frau, aber in einem anderen Arbeitsleben.
Halmich:Sich an Neues heranzuwagen, gehört zum Leben. Wer nicht wagt, der nicht ge- winnt. Ich rate immer wieder jungen Menschen: Lasst euch nicht entmutigen und in keine Schubladen quetschen. Und auch Scheitern gehört zum Leben. Aber es ist kein vorgezeichnetes Schicksal, um fortan beladen durchs Leben zu gehen. Wieder aufzustehen, aus seinen Fehlern zu lernen, möglicherweise auch sein Ziel zu korri- gieren - das macht doch unser Leben aus. Nicht jede/r ist berufen, Weltmeister/in zu werden. Das ist auch nicht so wichtig. Es kommt vielmehr darauf an, für sich selbst einen - den eigenen - Weg zu finden. Mein Lieblingsspruch: Ich bin nie einen Schritt zurück gegangen - es sei denn, um Anlauf zu nehmen.
mo: Es gäbe noch fast unendlich viele Fragen. Stattdessen die eine Frage an Sie: Welche drei Dinge würden Sie ändern, wenn Sie die unbeschränkte Macht dazu hätten?
Halmich: Ich würde dafür sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen, die gleichen Bildungschancen erhalten, um ihren Weg gehen zu können. Alle Kinder und Jugendlichen sollten kostenlos in Vereinen Sport treiben, faires Miteinander erleben und sich nach Regeln miteinander messen können. Und: Frauen und Männer werden ab sofort für gleiche Arbeit gleich bezahlt.
mo: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch. Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Auftritt bei der Eröffnung der Oberfächentage am 13.September!
Weitere Informationen zur Karriere von Regina Halmich sowie ihren Projekten finden sich auf ihrer offiziellen Website www.regina-halmich.org