Praxisleitfaden Explosionsschutz: Grundlagen und praktische Hinweise

Explosionsschutz in der Oberflächentechnik gewährleistet Sicherheit für Anlagen, Prozesse und Menschen.

Ulrich Büttel von BUE Engineering erklärt, worauf es beim Explosionsschutz ankommt (Bild: BUE Engineering)

Explosionsschutz ist ein zentraler Bestandteil der Arbeitssicherheit in der Oberflächenveredelung. Technische Maßnahmen, regelmäßige Prüfungen und klare Dokumentation gewährleisten ein sicheres, effizientes und regelkonformes Arbeiten.

Explosionsschutz ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes, insbesondere in Betrieben der Oberflächenveredelung, die Lack, Pulver und Flock verarbeiten. Diese Anlagen gelten gemäß der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) als überwachungsbedürftig, da sie durch die Verarbeitung brennbarer Beschichtungsstoffe, teilweise in Kombination mit elektrostatischer Applikation ein erhöhtes Gefährdungspotenzial aufweisen. Seit der Novellierung der BetrSichV im Jahr 2015 sind Arbeitgeber verpflichtet, den sicheren Zustand solcher Anlagen regelmäßig überprüfen zu lassen. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Betriebsmittel sowie die zugehörigen Prozesse den geltenden Sicherheitsstandards entsprechen.

Die Arbeitssicherheit folgt dabei einer klaren Hierarchie der Maßnahmen: Technische Lösungen haben oberste Priorität, gefolgt von organisatorischen Maßnahmen und schließlich den persönlichen Schutzmaßnahmen. Diese Reihenfolge ist auch in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) verankert. Die Verordnung fordert zunächst die Substitution explosionsfähiger Stoffe durch nicht explosionsfähige Materialien. Wo dies nicht möglich ist, sollen Maßnahmen getroffen werden, um die Bildung explosionsfähiger Atmosphären zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Sollte auch dies nicht ausreichen, sind Schutzmaßnahmen erforderlich, die Zündungen verhindern oder die Folgen von Explosionen durch konstruktive Maßnahmen begrenzen. Bereiche, in denen explosionsfähige Atmosphären auftreten können, müssen klar gekennzeichnet und abgesichert sein.

Checkliste wichtige Basisdokumente zum Explosionsschutz (Bild: Bue Engineering)

Regelmäßige Prüfungen: Ein Schlüssel zur Sicherheit

Ein zentraler Aspekt des Explosionsschutzes ist die regelmäßige Überprüfung überwachungsbedürftiger Anlagen. Diese Prüfungen sind in Anhang 2, Abschnitt 3 der BetrSichV geregelt. Je nach Art der Anlage und ihrer Nutzung müssen Prüfungen in unterschiedlichen Intervallen durchgeführt werden. Lüftungsanlagen und Gaswarnsysteme, die dem Explosionsschutz dienen, werden beispielsweise jährlich geprüft, während Geräte und Schutzeinrichtungen in der Regel alle drei Jahre kontrolliert werden müssen. Darüber hinaus sieht die BetrSichV vor, dass das gesamte Explosionsschutzkonzept spätestens alle sechs Jahre umfassend überprüft wird.

Diese Prüfungen dürfen nur von zur Prüfung befähigten Personen oder zugelassenen Überwachungsstellen durchgeführt werden. Bei diesen Inspektionen wird unter anderem die Vollständigkeit der technischen Unterlagen, die Protokolle früherer Prüfungen sowie die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen bewertet. Wichtige Leitlinien und Standards für die Durchführung dieser Prüfungen finden sich in Dokumenten wie der DGUV-I 209-052, dem VDMA-Einheitsblatt 24365 oder den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 1201.

Explosionsschutz durch geschultes Personal

Ein weiterer zentraler Baustein des Explosionsschutzes ist die Qualifikation und Schulung der Mitarbeiter. Arbeitgeber sind gemäß § 12 BetrSichV verpflichtet, ihre Beschäftigten vor der ersten Inbetriebnahme einer Anlage sowie mindestens einmal jährlich zu unterweisen. Diese Unterweisungen müssen die spezifischen Gefährdungen, die Betriebsanweisungen sowie die erforderlichen Maßnahmen im Falle von Betriebsstörungen oder Unfällen umfassen. Eine schriftliche Dokumentation der Unterweisungen ist unerlässlich, da sie im Schadensfall als Nachweis dient und hilft, rechtliche sowie finanzielle Folgen zu minimieren.

Anlagen im Wandel: Auswirkungen auf den Explosionsschutz

Anlagen im Bereich der Oberflächentechnik werden oft über Jahrzehnte genutzt. Während dieser Zeit treten häufig technische Veränderungen, der Wechsel von Beschichtungsstoffen oder Anpassungen in der Arbeitsweise auf. Diese Änderungen können das ursprüngliche Sicherheitskonzept der Anlage beeinträchtigen. Häufige Gefährdungen entstehen beispielsweise durch die Verwendung neuer, lösemittelhaltiger Beschichtungsstoffe, das Überschreiten zugelassener Materialmengen oder die Integration von Applikationssystemen mit Elektrostatik.

Weitere Risiken ergeben sich durch den Einbau zusätzlicher Geräte, den Wechsel von manuellen zu automatisierten Verfahren oder unsachgemäße Bauteilwechsel. Abweichungen vom ursprünglichen Zustand oder von der bestimmungsgemäßen Verwendung der Anlage müssen daher sorgfältig auf zusätzliche Gefährdungen hin geprüft werden. Nur durch diese Bewertungen können geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um das Sicherheitsniveau der Anlage aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.

Bestandsschutz und regelmäßige Überprüfung

Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme gelten Anlagen, die den technischen Anforderungen und Sicherheitsstandards entsprechen, als sicher und genießen Bestandsschutz. Solange keine neuen Erkenntnisse über zusätzliche Gefährdungen vorliegen, bleibt dieser Status bestehen. Dennoch ist es in der Praxis unverzichtbar, den Bestandsschutz regelmäßig zu überprüfen. Die Empfehlung zur Betriebssicherheit (EmpfBS) 1114 gibt hierzu klare Vorgaben: Gefährdungsbeurteilungen müssen überarbeitet werden, wenn sich Arbeitsmittel oder Verfahren ändern, technische Defizite festgestellt werden, Unfälle oder Beinahe-Ereignisse auftreten oder neue Regelwerke in Kraft treten.

Die Ergebnisse dieser Gefährdungsbeurteilungen sind die Grundlage für die Aktualisierung oder Erstellung des Explosionsschutzdokuments, wie es in der DGUV Information 213-106 beschrieben wird. Dieses Dokument muss alle relevanten Maßnahmen und Prüfungen detailliert darlegen und stets auf dem aktuellen Stand gehalten werden.

Die Bedeutung einer umfassenden Dokumentation

Eine sorgfältige Dokumentation ist von entscheidender Bedeutung, um rechtliche und finanzielle Risiken zu vermeiden. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass alle relevanten Unterlagen stets vollständig und aktuell sind. Dazu gehören insbesondere Gefährdungsbeurteilungen zu Prozessen und Arbeitsbereichen, Explosionsschutzdokumente, Betriebsanweisungen für gefährdete Arbeitsbereiche, Kennzeichnungen gefährlicher Bereiche sowie Nachweise über die Durchführung von Prüfungen und jährlichen Schulungen. Fehlende oder unvollständige Unterlagen können im Schadensfall erhebliche Konsequenzen haben, einschließlich des Verlusts von Versicherungsleistungen oder Schadensersatzforderungen. Durch eine konsequente Dokumentation und die Einhaltung der vorgeschriebenen Maßnahmen können Betreiber ihre Anlagen sicher betreiben und gleichzeitig rechtliche Risiken minimieren.

Fazit: Sicherheit durch konsequente Umsetzung

Der Explosionsschutz in Betrieben erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die technische Maßnahmen, organisatorische Prozesse und den Faktor Mensch berücksichtigt. Nur durch die regelmäßige Überprüfung von Anlagen, die Schulung der Mitarbeiter und die lückenlose Dokumentation aller Maßnahmen können Arbeitgeber langfristig ein sicheres Arbeitsumfeld schaffen und den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden. So wird nicht nur die Sicherheit der Beschäftigten gewährleistet, sondern auch der zuverlässige und wirtschaftliche Betrieb der Anlagen gesichert.

BUE ENGINEERING
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