Ausschuss minimiert durch Inline-Messung

Langzeiterfahrungen mit der berührungslosen Schichtdickenmessung in der Produktion

Mann misst Schichtdicke
Mit einem flexiblen fotothermischen Messverfahren werden bei Stobag in regelmäßigen Zeitintervallen die Schichtdicken vor dem Einbrennen gemessen und dem Auftrag zugeordnet (Bild: Coatmaster)

Die Stobag AG legt seit vielen Jahren großen Wert auf Prozesseffizienz und Nachhaltigkeit. Dazu gehört auch die Kontrolle der Schichtdicke vor dem Einbrennen. Mit einem flexiblen photothermischen Handmessgerät gelingt es dem Unternehmen, seinen Ausschuss in der Lackiererei auf unter ein Prozent zu reduzieren.

Die Stobag AG ist ein international tätiger Schweizer Hersteller von Sonnenstoren,  Markisen und Wetterschutzlösungen. Das Familienunternehmen hat seinen Hauptsitz in der Schweiz in Muri und vertreibt Wetterschutzsysteme über verschiedene Tochtergesellschaften und Fachhandelspartner in 35 Ländern. Das Portfolio reicht vom klassischen Sonnenstor einer Wintergartenbeschattung über textile Pergolas und freistehende Markisen bis hin zum Glasdach. In Bezug auf die Gestellfarben und Tuchdessins bietet Stobag individuelle Konfigurationsmöglichkeiten. Das erfordert eine hohe Flexibilität und Effizienz in der Fertigung, um diesen Individualisierungrad wirtschaftlich und mit hoher Quailtät realisieren zu können.

Als 2014 am Standort Wutöschingen in Baden -Württemberg eine neue Pulverbeschichtungslinie aufgebaut werden sollte, um die Kapazitäten zu erweitern, legten die Verantwortlichen entsprechend Wert auf effiziente Abläufe und vor allem Nachhaltigkeit. Zum Zuge kam damals die Firma e.Luterbach, ein Schweizer Generalunternehmer für Lackieranlagen. Dessen Konzept versprach, Investitions- und Wirtschaftlichkeit, aber auch Qualität und Umweltverträglichkeit in dem geforderten Maß realisieren zu können. Eine gute Wahl wie sich zeigen sollte, denn die Anlage erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen und gewann 2016 den ener.CON Award für eine in Bezug auf die Umweltbelastung und Betriebskosten hochoptimierte Pulverbeschichtungsanlage. Die installierten Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung und Energieversorgung sparen nun jährlich 270.000 Kilogramm Kohlendioxid ein und senken den Energieverbrauch gleichzeitig um 30 Prozent. Der Betrieb ist außerdem nach ISO 50001 bezüglich des Energiemanagements sowie nach ISO 9001 zertifizert.

Ressourcen sparen kann man aber nicht nur beim Thema Wärme, Druckluft oder Kabinenbelüftung. Gerade beim Pulverbeschichteten bietet die Schichtdicke ein erhebliches Potenzial, um den Lackverbrauch zu senken und Energie sowie Prozesszeit zu sparen.

 

Hand mit Messgerät
Das Ergebnis kann über W-Lan dem MES/ERP-System zur Verfügung gestellt werden. Bei Stobag differieren die Ergebnisse nur um maximal 5 µm mit den Messungen nach dem Einbrennen (Bild: Coatmaster)

Die optimale Schichtdicke konstant halten

Von daher stand bei Stobag schon vor über zehn Jahren das Thema Schichtdickenmessung einer noch nicht eingebrannten Pulverbeschichtung weit oben auf der Agenda. „Wir machen mit unserer Horizontalanlage etwa 250 m²/h, der Einbrennprozess dauert bei uns etwa 45 Minuten“, rechnet Daniel Vögele, COO der Stobag Alufinish Gmbh, vor. „Das bedeutet, wenn wir erst nach dem Pulverofen feststellen, dass wir eine Unterbeschichtung haben, können wir schnell 500 bis 700 Quadratmeter beschichtetes Material entsorgen. In der Vertikalanlage ist es im Fehlerfall sogar das Doppelte.“ Insofern war die Motivation hoch, eine Methode zu finden, noch vor dem Einbrennen die Schichtdicke prüfen zu können, sodass es im Fehlerfall mit einem überschaubaren Aufwand möglich ist, die Bauteile vom Pulver zu befreien und neu zu beschichten.

„Wir haben damals mit der Ultraschallmesstechnik angefangen, um die Schichtdicken vor dem Einbrennen zu messen“, schildert Vögele die Anfänge. „Weil unsere Produkte einer starken klimatischen Belastung ausgesetzt sind, ist eine Unterbeschichtung extrem problematisch. Zum einen haben wir die Gütezeichen GSB Premium und Qualicoat und wollen natürlich zufriedene Kunden. Auf der anderen Seite kann eine Überbeschichtung nicht nur unnötig Pulver kosten, sondern auch bei der Montage das Ineinanderfügen von Bauteilen erschweren oder sogar unmöglich machen.“

Eine Zeit lang waren deshalb bis zu sechs Ultraschallmessgeräte im Einsatz. „Gemäss unserem Leitbild wollen wir führend in der Branche in sinnvolle technischen Optimierungen sowie ressourcenschonend investieren“, erläutert Vögele. „Deshalb suchen wir immer nach neuen Möglichkeiten, so auch im Bereich der Schichtdickenmessung. Hier war das Ziel, ein einfacheres Handling sowie die Präzision zu erhöhen. Dadurch entstand der Kontakt zu Coatmaster, einem Unternehmen, dass sich auf Entwicklung photothermischer Prüfgeräte spezialisiert hatte.

 

Wechsel zum photothermische Messverfahren

Zu diesem Zeitpunkt hatte das junge Unternehmen bereits gezeigt, dass das photothermische Messverfahren, bei dem Zeit für die Ableitung der Wärme eines Lichtblitzes erfasst und in eine Schichtdicke umgerechnet wird, sehr präzise Ergebnisse liefern kann – auch auf größere Entfernung zum Meßobjekt. Allerdings waren bisher ausschließlich stationäre Meßanlagen verfügbar. Das war für die Anwendung bei Stobag aber zu aufwendig und unflexibel.

„Aus heutiger Sicht war es eine wirklich gute Idee, den Coatmaster Flex zu entwickeln – ohne so engagierte Interessenten wie Stobag hätten wir das aber wohl nicht so schnell in Angriff genommen“, gibt Prof. Dr. Nils Reinke, einer der Gründer von Coatmaster, zu. „Wir haben Gas gegeben und ziemlich schnell eine erste Version ent-
wickelt, man konnte aber noch nicht ernsthaft von einem Handgerät sprechen.“

Die Messvorrichtung war auf einem Rollwagen mitsamt einem Rechner montiert und musste ein ziemlich langes Kabel für den 220-V-Anschluss hinter sich her ziehen. Die Mesung erfolgte mit einem Handgerät an einem dicken Kabel.

Trotzdem schreckte man bei Stobag nicht davor zurück, als erstes Unternehmen überhaupt den Coatmaster Flex 1.0 in der Produktion einzusetzen. „Die erste Variante, die wir 2017 bekamen, hatte durchaus ihre Tücken“, gibt Vögele unumwunden zu. „Das Stromkabel war ausgesprochen lästig, der Energieverbrauch recht hoch, noch dazu musste der Abstand zwischen Meßkopf und Oberfläche sehr gering sein. Und längst nicht jede Messung lieferte ein brauchbares Ergebnis.“

Weiterhin berichtet Vögele, dass die Blitzintensität am Anfang noch sehr stark war und dies nicht nur die Mitarbeiter als wenig angenehm empfanden – auch die Sensoren für die CO2-Löschanlage zeigten sich mitunter durchaus sensibel. Die Messtechnik wurde jedoch seitens Coatmaster schnell und intensiv verbessert und zum Beispiel die Wellenlängen des Meßblitzes entsprechend angepasst. 2018 gehörte dann der Rollwagen endlich der Vergangenheit an und der erste akkubetriebene Coatmaster Flex kam auf den Markt.

„Das war schon eine enorme Veränderung, plötzlich gab es einen Handgerät, das ähnlich flexibel einsetzbar war wie ein Akkuschrauber“, schwärmt Vögele. „Die Meßpräzision war deutlich besser und auch das Handling durch die Leuchtpunkte, die genau zeigen, ob man den richtigen Abstand einhält, erwiesen sich in der Praxis als sehr hilfreich.“ Trotzdem gab es auch hier noch ein paar kleine Kinderkrankheiten, die nach und nach auskuriert wurden. So wurde das Gehäuse mit der Zeit stabiler ausgeführt und auch die W-Lan-Antennen wurden verbessert, um die Verbindung in die Cloud, in der die Messwerte gespeichert und ausgewertet werden können. zu stabilisieren. Weiterhin verbesserte sich die Messpräzision. Waren in der Anfangszeit die Schichtdickenmessungen mit Unsicherheiten zwischen zehn und 15 µm behaftet, sind es bei den aktuellen Modellen in der täglichen Messpraxis nur noch 4 bis 5 µm. „Das ist für unsere Anwendungen vollkommen ausreichend“, erklärt Vögele. „Wir beschichten unterschiedlichste Profile, manche sind breiter und manche sind schmaler und auch die Geometrien unterscheiden sich. Dadurch entstehen zwangsläufig gewisse Meßungenauigkeiten, die aber in dieser Größenordnung nicht problematisch sind.“

Lobende Worte findet Vögele auch für die unlängst vorgestellte neue Blue-Technologie, die die vom menschlichen Auge wahrgenommene Blitzintensität auf etwa ein Prozent reduziert. „Insbesondere bei der Vertikalanlage, bei der man relativ weit oben misst, macht sich das für die Mitarbeiter besonders positiv bemerkbar“, so Vögele.

 

Hervorragendes Ergebnis: Nur 0,8 Prozent Ausschuss

Die Bereitschaft, an vorderster Front die Entwicklung des Coatmaster Flex als Anwender zu unterstützen, hat sich für Stobag ausgezahlt. Der Ausschuss in der Oberflächentechnik liegt derzeit im Schnitt bei nur 0,8 Prozent. Die Gema Pulverbeschichtungskabinen mit jeweils 20 Pistolen applizieren konstant Schichtdicken zwischen 70 und 90 µm. Ohne Kontrollmessung müssten Schichtdicken deutlich über 100 µm gefahren werden.

„Um mit bloßem Auge die Schichtdicke auf einem geometrisch anspruchsvollen Bauteil einigermaßen zuverlässig einzuschätzen, braucht man sehr viel Erfahrung“, erläutert Vögele einen weiteren Vorzug. „Da die meisten unserer Bauteile auch einer Vorbeschichtung bedürfen, kommt dem Know-how der Beschichter große Bedeutung zu. Aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass ein unerfahrener Beschichter bei uns am Anfang im Normalfall 50 bis 60 Prozent Ausschuss erzeugt. Dadurch, dass die Anfänger ihr Beschichtungsergebnis vor dem Einbrennen prüfen können, verbessert sich dieser Wert dramatisch und wir können die Anlernzeit um bis zu 60 Prozent verkürzen. Muss einmal ein Messgerät in die Wartung, zeigt sich schnell, wie sehr sich die Beschichter an die Möglichkeit der Schichtdicken-Kontrolle gewöhnt haben – sie sind wesentlich angespannter und unruhiger, weil sie erst nach dem Einbrennen erfahren, ob sie wirklich korrekt beschichtet haben.“

Die Möglichkeiten der Kunden zur Individualisierung macht sich bei Stobag in bis zu 100 Farbwechsel pro Tag bemerkbar. Diese dauern bei Rückgewinnung je nach Farbton etwa sieben Minuten. Wird auf Verlust gefahren, ist der Farbwechsel in drei Minuten abgeschlossen.  Dabei zeigt das MES-System den Beschichter stets im Voraus an, ob als nächstes auf Verlust gefahren werden muss, oder ob Rückgewinnung gefahren werden kann. Auch beim Pulver-Verbrauch überlässt der Hersteller von Wetterschutzlösungen nichts dem Zufall. Deshalb wiegt der Beschichter die Kartons vor dem Beginn der Beschichtung und auch unmittelbar danach.

Die Differenz erfasst die Anlagensteuerung automatisch und speist sie zur Nachkalkulation in das ERP System ein. Grundsätzlich lässt sich auch durch die vom Coatmaster gemessene Schichtdicke bei Bedarf auf den Pulververbrauch zurückschließen oder, wenn man wie bei Stobag, den Gesamtpulverbrauch kennt, den Auftragswirkungsgrad abschätzen.

 

Bis zu 100 Farbwechsel am Tag

Da nicht nur nach jedem Farbwechsel sondern auch stündlich und an der Vertikalanlage sogar halbstündlich die Schichtdicke gemessen wird, ist der Coatmaster Flex häufig im Einsatz. Eine Akkuladung hält in dieser Anwendung zwischen drei und vier Stunden. Der Akkuwechsel ist ähnlich unproblematisch wie bei einem Akkuschrauber und die Akkus können im Fachhandel beschafft werden.

Die Eigenschaften in Bezug auf Arbeitsabstand, Abstandstoleranz und Winkel Toleranz sowie eine Messzeit im Millisekundenbereich ermöglichen robuste Messungen auch durch ungeübtes Personal, was effizienten Materialeinsatz und eine gleichbleibend hohe Qualität sicherzustellen hilft. Die Daten werden zentral auf einer Cloud gespeichert und sind von jedem Browser zugänglich. Noch dazu besteht die Möglichkeit, die Daten in entsprechend visualisierter Form in Tabellen und Diagrammen herunterzuladen oder sich automatisiert per Email zuschicken zu lassen. Durch Cloud-Updates erhalten Beschichter außerdem regelmässig neue Funktionen, welche die tägliche Arbeit zusätzlich erleichtern können. Auch ist es inzwischen möglich, den Coatmaster Flex durch die Anlagensteuerung zu automatisieren, sodass die Messergebnisse automatisch bestimmten Produkten oder Warenträgern zugeordnet werden, sodass manuelle Einstellungen beim abspeichern der Messergebnisse wegfallen und diesbezüglich keine Fehler passieren können.

Die erfolgreiche Anwendung der berührungslosen Schichtdicken Messung bei Stobag zeigt sehr deutlich, dass wer besonders ressourceneffizient und qualitativ hochwertig Beschichten möchte, nicht darum herumkommt, die Option einer Schichtdicken Messung vor dem Einbrennofen zu prüfen. Denn nur so lässt sich die Schichtdicke optimieren und gleichzeitig teurer und wenig umweltfreundlicher Materialverwurf vermeiden – von dem Zusatzaufwand bei Fehlbeschichtungen gar nicht zu reden.

coatmaster AG
www.coatmaster.com

 

Stobag Alufinish GmbH
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