Forschende haben mit den Oberflächen ihre liebe Mühe. Einerseits sind sie sowohl in der belebten als auch der unbelebten Natur sehr wichtig, andererseits ist es aber auch mitunter äußerst schwierig, sie mit herkömmlichen Nachweismethoden zu studieren.
„Ob es um Katalysatoren, Solarzellen oder Batterien geht – Oberflächen sind für deren Funktionalität immer extrem relevant», sagt Roman Wyss, ehemaliger Doktorand in Materialwissenschaften, der jetzt beim ETH Startup Enantios forscht. Denn die wichtigen Prozesse finden in der Regel an Grenzflächen statt. Bei Katalysatoren geht es um die chemischen Reaktionen, die an deren Oberflächen beschleunigt werden. Für Batterien wiederum sind die Oberflächeneigenschaften der Elektroden für deren Effizienz und Langzeitverhalten entscheidend.
Raman-Spektroskopie für Oberflächen bisher wenig präzise
Zur nichtdestruktiven Untersuchung von Materialeigenschaften – also ohne das Material dabei zu beschädigen – benutzen Forschende seit vielen Jahren die Raman-Spektroskopie. Dabei wird ein Laserstrahl auf das Material gerichtet, und das zurückgeworfene Licht wird analysiert. Aus den Eigenschaften des reflektierten Lichts, dessen Frequenzspektrum durch die Vibrationen der Moleküle im Material verändert wurde, lassen sich sowohl Rückschlüsse auf die chemische Beschaffenheit des untersuchten Objekts ziehen – man spricht von einem chemischen Fingerabdruck – als auch mechanische Effekte wie etwa Verspannungen nachweisen.
Doch will man exakte Informationen von Oberflächen, stoßen auch solche mächtige Verfahren wie die Raman-Laserspektroskopie an Grenzen, denn das Laserlicht dringt dabei einige Mikrometer tief in das Material ein und somit wird das Frequenzspektrum hauptsächlich vom Materialinneren beeinflusst und nur zu einem sehr geringen Teil von der wenige Atomschichten dicken Oberfläche.
Selektive Signalverstärkung durch Goldmembran
Ein interdisziplinäres Team von Materialwissenschaftlern und Elektroingenieuren um Lukas Novotny, Professor für Photonik an der ETH Zürich, hat nun zusammen mit Kollegen der Humboldt-Universität zu Berlin ein Verfahren mit einer hauchdünnen, speziell strukturierten Goldmembran entwickelt. Diese wird auf das zu untersuchende Material aufgebracht – und verstärkt das Raman-Signal der Oberfläche bis zu tausend Mal.
Die Membran ist nur 20 Nanometer dick und weist etwa hundert Nanometer große längliche Poren auf und absorbiert beziehungsweise reflektiert größere Teile des Laserlichtes, Das reduziert die Intensität der Laserstrahlung, so dass diese nicht wie sonst weit in das Materialinnere vordringen kann. Nur an den Poren dringt das Laserlicht in die Oberfläche ein. Hinzu kommt, dass durch die Form der Poren Raman-Signale aus tieferem Materialschichten abgelenkt und zurückgehalten werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden kürzlich im Wissenschaftsjournal Nature Communications veröffentlicht.
Tausendfache Signalverstärkung
„Die Poren wirken außerdem als so genannte plasmonische Antennen – ganz ähnlich wie die Antenne in einem Mobiltelefon», erläutert Sebastian Heeg, der als Postdoktorand bei Lukas Novotny an den Experimenten beteiligt war und mittlerweile an der Humboldt-Universität eine Nachwuchsgruppe leitet. Diese Antennenwirkung verstärkt das Raman-Signal der Materialoberfläche bis zu tausend Mal. Perspektivisch ist es möglich, diese Goldmembran für bestimmte Oberflächen zu optimieren Bisher sind zum Beispiel die Poren in der Goldmembran unterschiedlich groß und unregelmäßig angeordnet. Durch das Herstellen von Membranen mit speziellen Poren-Geometrien und Anordnungen könnte die Raman-Signalstärke für bestimmte Materialien nochmals hundertfach erhöht werden.
Messverfahren in der Praxis erfolgreich erprobt
Heeg und seine Kolleg:innen konnten dies unter anderem am Beispiel von verspanntem Silizium sowie an dem Perowskit-Kristall Lanthan-Nickeloxid (LaNiO3) eindrucksvoll demonstrieren. Verspanntes Silizium ist für Anwendungen in Quantentechnologien wichtig, doch bislang konnte die Verspannung nicht mittels Raman-Spektroskopie untersucht werden, da das von der Oberfläche erzeugte Signal im Hintergrundrauschen der Messung unterging. Nachdem die Goldmembran aufgebracht worden war, wurde das Verspannungs-Signal selektiv so stark erhöht, dass es klar von den anderen Raman-Signalen des Materials unterschieden werden konnte. Das metallische Perowskit Lanthan-Nickeloxid ist beispielsweise ein wichtiges Material für die Herstellung von Elektroden. „Die starke Kopplung zwischen seiner Kristallstruktur und elektrischen Leitfähigkeit ermöglichen es, durch Veränderung der Elektrodendicke im Nanometerbereich die Leitfähigkeit zu kontrollieren. Die Oberflächenstruktur, so vermutet man, spielt dabei eine essenzielle Rolle“, erklärt Mads Weber, ehemaliger Postdoc an der ETH Zürich und jetzt Assistenzprofessor an der Universität Le Mans, der diese Materialklasse erforscht und ebenfalls an der Studie beteiligt war. Dank der neuen Goldmembran-Methode waren die Forschenden nun erstmalig in der Lage, einen Einblick in die Oberflächenstruktur von Lanthan-Nickeloxid zu erhalten.
„Unser Ansatz ist auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit interessant, da bereits bestehende Raman-Apparate so ohne grossen Aufwand ganz neue Fähigkeiten erhalten», führt Heeg aus. In Zukunft wollen die Forschenden ihre Methode weiter verbessern und an die Bedürfnisse der Anwender anpassen.
Weitere Informationen finden Interessierte auf https://www.physik.hu-berlin.de/en/pld).