Mit dem neu eröffneten Zentrum für vernetzte Oberflächen- und Lacktechnik erforscht das Fraunhofer IFAM die digitale Zukunft der Oberflächenbehandlung durch maschinelles Lernen. Auf über 750 Quadratmetern Technikumsfläche mit modernster Ausstattung bündelt das Institut seine Expertise aus den Bereichen Reinigung, Vorbehandlung, Lackierung und Qualitätssicherung zur automatisierten Bearbeitung von Klein- und Großstrukturen. Zentrales Entwicklungsziel ist dabei, vollständig automatisierte Prozessketten für robotergeführte mobile und inline-fähige Anwendungen zum Serieneinsatz zu bringen. Vollautomatisierte und digitale Prozesse sind heutzutage das Ziel in der industriellen Behandlung und Bearbeitung von Bauteiloberflächen – insbesondere mit Blick auf Flexibilität, Prozesseffizienz und Qualitätssicherung. Aktuelle Herausforderung ist die digitale Vernetzung aller Arbeitsschritte in Verbindung mit der eingesetzten Technik in Oberflächenbehandlungs- und Beschichtungsprozessen. Um ein besseres Verständnis den gesamten Prozess hinweg zu gewinnen und Entwicklungen sicher und schnell voranzutreiben, betrachten die Expertinnen und Experten des Fraunhofer IFAM dabei die gesamte Wertschöpfungs- und Prozesskette von der Oberflächenbehandlung bis zum lackierten Bauteil. Dabei wird die Prozesskette digital abgebildet und mithilfe von Virtual und Augmented Reality um Interaktionsmöglichkeiten ergänzt. Die Forschungs- und Entwicklungsziele schließen unter anderem die Realisierung digital vernetzter Oberflächentechniksysteme und -prozesse sowie die Prozess- und Qualitätsoptimierung durch maschinelles Lernen und den Einsatz von AR-/VR-Methode ein.
Wie Virtual Reality in der Industriepraxis Realität wird
Virtual Reality, Augmented Reality, Internet-of-Things – digitale Tools und Methoden, die virtuelle Modelle mit realen Bauteilen verknüpfen, sind bei Oberflächenbehandlungs- und Lackierprozessen die zukunftsweisenden Anwendungen. Richtig implementiert bieten sie ein enormes Potenzial für die Produktenwicklung, Prozesseffizienz und Qualitätssicherung. Aktuelle Herausforderungen sind die Speicherung und Verwaltung relevanter Daten, die Erstellung von zuverlässigen Modellen und belastbaren Simulationen, korrekte Datenbereitstellung und durchgängiger Datenfluss entlang der gesamten Prozesskette, eine automatisierte Einbeziehung relevanter Daten zur Optimierung der Prozessschritte sowie die Integration von Schnittstellen für Mensch-Maschinen-Interaktionen. Branchenvertreter erkennen die Vorteile digitaler Tools und Methoden sofort, die Technologien in den eigenen Behandlungs- und Lackierprozess zu integrieren ist allerdings äußerst komplex. Genau dort setzt das neue „Zentrum für vernetzte Oberflächen- und Lacktechnik“ an. Mit diesem ganzheitlichen, anwendungsorientierten und praxisnahen Angebot für Industrie- und Forschungspartner können Verfahren bedarfsgerecht ausgewählt und für individuelle Fertigungsbedingungen optimiert werden. Zudem lassen sich kommerzielle Beschichtungsprozesse nachstellen und verbessern.
Vorbehandeln mit Plasmatechnologie und Entschichten mit Lasertechniken sind Präzisionsverfahren, um Oberflächen von Bauteilen für weitere Bearbeitungen in der Prozesskette, zum Beispiel für Klebungen oder Lackierungen, vorzubereiten. Geringste Schwankungen in den Prozessparametern oder Ausgangsstoffen können schwerwiegende Folgen bis hin zum Bauteilversagen haben. Oberflächenvorbehandlungsprozesse müssen also äußerst kontrolliert erfolgen. Um Prozessschwankungen entgegenzuwirken, forscht das Fraunhofer IFAM daran, diese Prozesse mit optischen und spektroskopischen Überwachungsmethoden in Kombination mit künstlicher Intelligenz selbstjustierend und damit sicherer zu gestalten.
Der anschließende Lackierprozess und vor allem das -ergebnis hängt neben der genannten Vorbehandlung und dem Beschichtungsmaterial von der gewählten Applikationstechnik ab. Verschiedenste Techniken von pneumatischer über Airless bis hin zur elektrostatisch unterstützten Lackierung sind am Markt verfügbar und führen nicht selten zu unterschiedlichen Lackierergebnissen, selbst wenn identisches Beschichtungsmaterial verwendet wird. Eine Aufgabe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums wird es sein, den Einfluss der Applikationstechnik auf das Lackierergebnis zu untersuchen, um dann mit diesem Wissen übertragbare Vorhersagemodelle zu entwickeln. Für diese Aufgaben steht ein Lackierroboter zur Verfügung, sodass er für vielseitige lacktechnische Fragestellungen eingesetzt werden kann.