Graphenschicht vereinfacht Quantenforschung

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Forschende haben ein fundamentales theoretisches Modell aus der Quantenphysik experimentell nachgebaut. Grundlage bildete eine Art „Quanten-Lego“ aus Nanographenen.

Im Jahr 2024 gelang es Forschenden der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) und ihren Partnern erstmals, ein eindimensionales alternierendes Heisenberg-Modell in einem synthetischen Material exakt nachzubauen, wie die Empa mitteilt. Dieses seit beinahe 100 Jahren bekannte theoretische quantenphysikalische Modell beschreibt eine lineare Verkettung von Spins – eine Art Quantenmagnetismus. Nun konnten die Forschenden rund um Roman Fasel, Leiter des Empa-Labors nanotech@surfaces, das „Schwestermodell“ im Labor rekonstruieren. Beteiligt waren auch Forschende des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle (MPI), dem Internationalen Iberischen Nanotechnologie-Laboratorium (INL) und der Technischen Universität Dresden, wie das MPI berichtet.

Zweites Modell mit ganz anderen Eigenschaften

Waren die Spins beim alternierenden Modell abwechselnd stark und schwach miteinander verknüpft, sind sie beim neuen Modell gleichmäßig verbunden, wie die Empa in ihrer Mitteilung weiter erläutert. Dieser scheinbar kleine Unterschied führt zu fundamental anderen Eigenschaften: Die Spins der homogenen Kette sind stark verschränkt und langreichweitig korreliert, und es gibt keinen Energieabstand zwischen dem Grundzustand und den angeregten Zuständen. Die alternierende Kette entwickelt hingegen eine Energie-Lücke, und ihre Spins gehen bevorzugt starke paarweise Bindungen ein, wobei die Korrelationen exponentiell abfallen. Diese Vorhersagen der theoretischen Quantenphysik konnten die Forschenden in ihren Nanographen-Spinketten exakt bestätigen.

Beide Modelle wurden mit Nanographenen realisiert. Es handelt sich dabei um winzige Stückchen des zweidimensionalen Kohlenstoffmaterials Graphen. Indem die Forschenden die Form dieser Stückchen präzise steuern, können sie ihre (quanten)physikalischen Eigenschaften kontrollieren. Das Ziel ist eine Materialplattform – eine Art „Quanten-Lego“ – mit der sich verschiedene Quantenmodelle und -effekte experimentell untersuchen lassen.

Die zwei Heisenberg-Experimente verdeutlichen das: Für das alternierende Spinketten-Modell nutzten die Forschenden so genannte „Clar's Goblets“ als Ausgangsmaterial. Das sind Sanduhr-förmige Nanographen-Moleküle, die aus elf Kohlenstoffringen bestehen. Für die homogene Heisenberg-Kette verwendeten sie ein anderes Nanographen: Das Olympicen, das aus fünf Ringen besteht und seinen Namen seiner Ähnlichkeit mit den olympischen Ringen verdankt.

Auch praktische Anwendungen mit Spinketten möglich

„Wir haben nun zum zweiten Mal gezeigt, dass sich theoretische Modelle der Quantenphysik mit Nanographenen realisieren lassen und ihre Vorhersagen somit experimentell überprüfbar sind“, sagt Roman Fasel. Als nächstes wollen die Forschenden mit ihren Nanographenen ferrimagnetische Spinketten herstellen und untersuchen; in diesen richten sich die magnetischen Momente zwar antiparallel aus, heben sich aber nicht vollständig auf. Von hohem Interesse sind auch zweidimensionale Spin-Gitter, die eine viel größere Vielfalt an Phasen als Spin-Ketten aufweisen, darunter topologische Zustände, Quanten-Spinflüssigkeiten und exotische kritische Phänomene. Das macht sie besonders interessant, sowohl für die Grundlagenforschung als auch für praktische Anwendungen.

Denn das Nachbauen von Modellen aus Quantenphysiklehrbüchern hat durchaus auch einen praktischen Zweck. Quantentechnologien versprechen Durchbrüche in der Kommunikation, der Rechenleistung, der Messtechnik und vieles mehr. Doch Quantenzustände sind fragil und ihre Effekte schwer zu fassen. Entsprechend herausfordernd gestaltet sich die Forschung an realen Anwendungen. Mit dem „Quanten-Lego“ aus Nanographen hoffen die Forschenden, die Quanteneffekte besser zu verstehen und so den Weg zu nutzbaren Quantentechnologien zu ebnen.

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