Die EU macht ernst: Nachhaltigkeit wird digital messbar

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Digitaler Produktpass: Chance oder bürokratische Herausforderung? Der digitale Produktpass kommt – ab 2026 wird er für erste Produktgruppen verpflichtend. Besonders in der Oberflächenbranche sorgt er für erhebliche Herausforderungen für die überwiegend mittelständischen Betriebe. Der DPP kann aber auch zu einem positiven Wettbewerbsfaktor werden, wie ein konkretes Anwendungsbeispiel zeigt.

Ab 2026 wird der digitale Produktpass (DPP) für bestimmte Warengruppen in der EU verpflichtend. Den Anfang machen Batterien, für die der DPP ab 2027 verpflichtend wird. In den folgenden Jahren wird die Einführung auf weitere Produktgruppen wie Textilien, Elektrogeräte und Fahrzeuge ausgeweitet. Ein konkreter Termin für die verpflichtende Einführung des DPP zum Beispiel für Automobile steht derzeit noch nicht fest. Die EU-Kommission arbeitet bis spätestens 2025 an einem konkreten Arbeitsplan, und erste verbindliche Vorschriften sollen noch im gleichen Jahr veröffentlicht werden.

Die Zielsetzung ist klar: Unternehmen sollen transparent nachweisen, wie nachhaltig ihre Produkte wirklich sind. Besonders in der Oberflächentechnik, wo Materialeinsatz, Energieverbrauch und Kreislauffähigkeit keine trivialen Themen sind, ist das Konzept des DPP sinnvoll, um Nachhaltigkeit vergleichbarer zu machen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufwand für die betroffenen Unternehmen erheblich ist. Denn die Erhebung und Pflege der erforderlichen Daten bedeutet einen bürokratischen Mehraufwand, der gerade für kleinere und mittelständische Betriebe eine erhebliche Belastung darstellen kann.

DPP und CO₂-Fußabdruck: Bürokratischer Mehraufwand für Unternehmen

Der digitale Produktpass ist eine Initiative der EU-Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR). Er erfasst die Umweltauswirkungen eines Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg. Unternehmen müssen künftig Daten zu CO₂-Emissionen, Materialzusammensetzung, Recyclingmöglichkeiten und Energieeffizienz bereitstellen. Insbesondere die Oberflächenindustrie steht vor der Herausforderung, ihre Prozessketten genauer zu analysieren und digitale Nachweise in einem standardisierten Format bereitzustellen – ein Prozess, der mit erheblichen Kosten für Datenmanagement und Dokumentation verbunden ist. Insbesondere kleinere Betriebe stehen also vor einer erheblichen bürokratischen und wirtschaftlich nicht trivialen Hürde.

Best Practice: Verzinkte Trailer mit DPP setzen neue Maßstäbe – aber ist der Aufwand gerechtfertigt?

Vorbildcharakter für die Branche bezüglich des DPP kann die Kooperation zwischen Schmitz Cargobull und Zinq haben – eine Unternehmensgruppe, die deutschlandweit an mehreren Standorten Verzinkungsdienstleistungen anbietet. Der europäische Trailerhersteller hat seine Chassis bereits vor 25 Jahren konsequent auf Verzinkung umgestellt. Das Ergebnis: eine deutlich längere Lebensdauer der Trailer, weniger Korrosionsschäden und eine verbesserte Kreislauffähigkeit des Stahls.

Nun gehen die Partner einen Schritt weiter: Mit dem Digital Circular Product Passport (DCPP) erfasst Schmitz Cargobull nicht nur die Materialzusammensetzung der Trailer, sondern auch den produktbezogenen CO₂-Fußabdruck von Stahl und Zink über den gesamten Lebenszyklus. Der DCPP basiert auf Umweltproduktdeklarationen und macht die Umweltvorteile der verzinkten Trailer mess- und vergleichbar.

Technische Details und Herausforderungen bei der Umsetzung

  • Längere Lebensdauer durch Verzinkung: Lackierte Trailer-Modelle weisen häufig bereits nach wenigen Jahren Korrosionsschäden auf. Feuerverzinkte Bauteile können dagegen ohne Instandhaltungen mehr als 50 Jahre Nutzungszeit erreichen.
  • Kreislauffähige Materialien: Zink und Stahl lassen sich nahezu verlustfrei recyceln, was den CO₂-Fußabdruck erheblich senkt.
  • Digitale Dokumentation als Herausforderung: Alle relevanten Nachhaltigkeitsdaten werden in einem einheitlichen DPP gespeichert, was für Transparenz entlang der gesamten Lieferkette sorgt – jedoch auch eine kontinuierliche Pflege der Daten und regelmäßige Updates erfordert.

Wirtschaftliche Implikationen: Belastung oder Chance?

  • Steigende Kosten: Die detaillierte Dokumentation erfordert in aller Regel Investitionen in IT-Infrastruktur und Fachpersonal.
  • Wettbewerbsnachteil für kleinere Unternehmen: Während Großunternehmen die Umstellung leichter stemmen können, können die zusätzlichen Kosten und Aufwände kleinere Betriebe wirtschaftlich in Bedrängnis bringen.
  • Nachhaltigkeit als Verkaufsargument: Allerdings legen Kunden und Investoren zunehmend Wert auf nachweislich umweltfreundliche Produkte. Dies könnte den DPP langfristig zu einem relevanten Verkaufsargument machen.

Fazit: Der DPP – Fortschritt oder Bürokratiemonster?

Mit der bevorstehenden Einführung des digitalen Produktpasses steht die Oberflächenbranche vor einer weiteren Transformation. Während größere Unternehmen die Anforderungen oft leichter erfüllen können, stehen insbesondere kleinere Betriebe vor erheblichen Herausforderungen. Die Erhebung und Pflege der notwendigen Daten bedeuten hohe Investitionen in IT-Infrastruktur und Fachpersonal. Zudem bleibt unklar, wie Unternehmen mit komplexen Lieferketten die erforderliche Transparenz sicherstellen können, ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Während unzweifelhaft die Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit zunimmt, stellt der bürokratische Mehraufwand für viele Unternehmen wirtschaftlich eine ernsthafte Herausforderung dar. Es wird sich wohl erst in den kommenden Jahren durch die Art und Weise der Umsetzung seitens der regulativen Instanzen erweisen, ob sich der DPP zu einem Wettbewerbsvorteil entwickeln kann oder eher zu einer weiteren regulatorischen Hürde.

Langträger beim Verladen nach der Verzinkung. Sie werden bei Schmitz Cargobull nicht verschweißt, sondern mit Schließringbolzen verschraubt, um die Zinkschicht nicht zu beschädigen. Bild: Carsten Paul/Zinq
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