Chromtrioxid-Beschränkungsvorschlag – ein schlechter Wurf

Anzeige Top-Story | Erstellt von cb

Der vor kurzem zur Kommentierung veröffentlichte Beschränkungsvorschlag der ECHA für Chrom(VI) beinhaltet uneinheitliche Expositionswerte für unterschiedliche Substrate und greift auf zweifelhafte statistische Daten zurück. Zudem basiert die Rechnung zu den angeblich durch die Beschränkung erzielbaren wirtschaftlichen Vorteilen auf Zahlen, die keinerlei Bezug zu tatsächlichen Krankheits- und Ausfallkosten haben.

Auf den ersten Blick erscheint die geplante EU-Beschränkung von Chrom(VI) wie eine sachlich nachvollziehbare Maßnahme im Sinne des Gesundheitsschutzes und auch für die Industrie konstruktiver, als die bisher verfolgte Strategie zur Autorisierung. Doch bei näherer Betrachtung offenbaren sich in dem Beschränkungsvorschlag tiefgreifende Widersprüche – in der Methodik, in der Abwägung und in der Verhältnismäßigkeit. Der Vorschlag offenbart von Wissensferne dominierte Willkür.

Die europäische Chemikalienagentur ECHA hat Mitte Juni den Vorschlag der Beschränkungsverordnung zur Kommentierung vorgelegt, der die Verwendung von Chromtrioxid in industriellen Prozessen künftig regeln soll. Statt auf nachweisbare Expositionen oder reale Krankheitsdaten zu setzen, werden unter anderem pauschale Grenzwerte vorgeschlagen – unabhängig von der Betriebsgröße. Der damit verbundene Bruch mit etablierten und praxisbewährten Bewertungskriterien könnte sich zu einem folgenreichen Präzedenzfall auswachsen.

Wenn Recheneinheiten zur Kulisse werden

Besonders kritisch bewerten Experten die ökonomische Nutzenabschätzung: Um die gesellschaftlichen Vorteile einer Beschränkung beziffern zu können, greift die ECHA auf sogenannte „Willingness-to-Pay“-Modelle zurück. Somit wird ein willkürlicher, in Umfragen ermittelter und somit von realen Kosten vollständig entkoppelter Zahlenwert hemmungslos realen Investitionen gegenübergestellt. Wenn derartige Zahlenspiele künftig immer mehr politische Entscheidungen begründen, droht ein gefährlicher Verlust an Sachlogik und Verhältnismäßigkeit. Auch die Tatsache, dass Beschichter von Metall am Arbeitsplatz höhere Expositionswerte vertragen können sollen als die Beschichter von Kunststoff, ist sachlich nicht zu rechtfertigen und stellt eine nicht vertretbare Ungleichbehandlung dar.

Emissionskontingent unabhängig von Betriebsgröße

Ein weiteres Problem: Die vorgeschlagenen Emissionsgrenzwerte sind absolut formuliert. Ein Betrieb, der über eine Stunde täglich produziert, wird genauso bewertet wie ein 24/7-Betrieb mit hundertfacher Produktivität. Die Folge: Kleine Unternehmen können mit veralteter Technik problemlos weiterproduzieren, während durchsatzstarke hochmoderne Anlagen mit minimalen Emissionen pro Quadratmeter beschichteter Fläche, also hoher Effizienz, Probleme bekommen. So werden die vorgeblichen Ziele nach einer Minimierung der Emissionen in der Branche keinesfalls erreicht.

Vertrauen als Standortfaktor

In der Summe hat es die ECHA erneut geschafft, das Vertrauen der Betriebe in den Standort Europa zu erschüttern. Unternehmen sehen sich nicht nur mit hohen Investitionen konfrontiert, sondern auch mit zunehmender politischer-regulativer Willkür und einem tiefgreifenden Verlust an Planungssicherheit. Wenn regulatorische Schwellenwerte aus nicht überprüfbaren Modellannahmen abgeleitet werden, verliert auch die bestverfügbare Technik ihre Orientierungskraft.

Ein System auf dem Prüfstand

Ob Chromtrioxid, PFAS oder andere kritische Stoffe – die Methodik, mit der die ECHA ihre Bewertungen durchführt, wird künftig mehr denn je im Fokus stehen. Die Frage lautet nicht nur: Was wird verboten? Sondern: Wie wird bewertet, und wem wird dabei Gehör verschafft?

Ein regulatorisches System, das auf Modellannahmen ohne Realdaten setzt, das Beteiligung ohne echte Mitsprache organisiert und das technische Fakten durch politische Erwägungen ersetzt, steht nicht nur inhaltlich, sondern auch demokratisch im Abseits.

Lesetipp

In der mo 8-9 / 2025 sowie auf oberflaeche.de lesen Sie im September ein ausführliches Interview mit Dr. Malte Zimmer, dem Experten des ZVO mit einer Einschätzung zu der veröffentlichten ChromVI-Beschränkung der ECHA.

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