Dr. Jochen Weyrauch, CEO Dürr Systems AG

Dr. Jochen Weyrauch, CEO Dürr Systems AG

  • Geschäftsfelder:     Oberflächentechnik für Nasslack- und Pulverbeschichtung
  • Zielgruppen:     Allgemeine Industrie
  • Mitarbeiter:     1.700 weltweit
  • Jahresumsatz:     k. A.
  1. In welchen Bereichen und wie stark hat sich die Pandemie auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
    1. Welche Strategien haben Sie verfolgt bzw. erarbeitet – was würden Sie mit dem heutigen Wissensstand anders machen?
    2. Wie bewerten Sie die Maßnahmen der Regierung, auch in Bezug auf Hilfsprogramme für die Wirtschaft?
    3. Wie wurde die Geschäftstätigkeit beeinflusst (zum Beispiel Kommunikation zwischen Unternehmen, Abwicklung von bestehenden Aufträgen)?

Wir mussten vor allem im Geschäft mit der Autoindustrie Corona-bedingte Einbußen hinnehmen. Eine Ausnahme bildete China, wo der Auftragseingang von Januar bis September um knapp 30% stieg.

  1. Auf den Umsatzrückgang haben wir mit Maßnahmen zur Kostensenkung reagiert: z.B. Kurzarbeit, Abbau von Arbeitszeitkonten sowie Kürzungen bei den Investitionen, Verwaltungskosten und anderen Ausgaben.
  2. Hilfsprogramme waren für Dürr nicht relevant.
  3. Probleme gab es zum Teil bei Reisen zu Baustellen von Kunden. Insgesamt haben wir es aber gut in den Griff bekommen, auch durch den Einsatz von Digital Tools.
  • Welches Resümee ziehen Sie für das Geschäftsjahr 2020, wie waren Ihre Erwartungen Ende 2019?

In der zweiten Jahreshälfte hat die erhoffte Erholung eingesetzt. Daher: 2020 war hart, aber wir haben es ordentlich zu Ende gebracht.

  • Wie hat sich Corona auf Ihre Branche ausgewirkt und wie hat sich die Pandemie auf bis dahin vorherrschende Trends und Entwicklungen, zum Beispiel im Technologiebereich ausgewirkt? Inwieweit hat das Corona-Jahr Stillstand ausgelöst bzw. wo hat es möglicherweise sogar eine neue Dynamik entfacht?

Die Corona-Krise führte im ersten Halbjahr zu deutlichen Investitionsrückgängen der Automobilindustrie, insbesondere in Europa das bereits schwierige Umfeld weiter verschärft. Sie hat aber gezeigt, dass Unternehmen mit hohem Digitalisierungsgrad resistenter sind. Insofern hat Corona die Digitalisierung beschleunigt.

  • Abgesehen von der Pandemie, gab es 2020 Auffälligkeiten/Entwicklungen, mit denen Sie nicht gerechnet haben?

Nein.

  • Inwieweit beeinflussen Entwicklungen auf dem internationalen politischen Parkett – wie beispielsweise pandemiebedingte Beschränkungen, Einfuhrzölle, Handelsbeschränkungen oder politische Instabilität – Ihre Prognosen?
    1. Welche Rolle Spielt die US-Präsidentenwahl?
    2. Welche Rolle spielt der Brexit?

Den größten Einfluss auf unser Geschäft hatten pandemiebedingte Reisebeschränkungen. Unsere Prognosen berücksichtigen grundsätzlich das weltpolitische Umfeld und die damit verbundenen Chancen und Risiken

  1. Das Ergebnis der US-Präsidentenwahl lässt wieder auf mehr Verbindlichkeit und Verlässlichkeit in den internationalen Beziehungen hoffen.
  2. Das Geschäftsvolumen von Dürr im Vereinigten Königreich ist gering. Dennoch ist der Brexit ein Irrweg: Er behindert das Wirtschaftsleben und sendet politisch das falsche Signal.
  • Welche Absatzmärkte sind für Sie momentan besonders interessant? Auf welche internationalen Absatzmärkte wollen Sie sich zukünftig noch stärker fokussieren?

Wir sind global aufgestellt und in einer Vielzahl von Märkten tätig. Wachstumspotenzial sehen wir insbesondere in den Emerging Markets, in denen wir in den letzten Jahren unsere Kapazitäten ausgebaut haben. Unter anderem wird der südostasiatische Markt an Bedeutung gewinnen und mittelfristig auch Südamerika zurückkommen.

  • Welche Märkte haben (für Sie) an Bedeutung gewonnen/verloren?

In 2020 war China enorm wichtig. Unser Geschäft ist dort deutlich gewachsen und bildete ein Gegengewicht zu den Corona-bedingten Einbußen anderswo. Das lag auch an der dynamischen Entwicklung im Bereich Elektromobilität mit einer Vielzahl von Startups. Europa ist weiterhin wichtig, allerdings sehen wir eine Sättigung bei den Kapazitäten in der Automobilproduktion.

  • Wie entwickelt sich der Fachkräftemangel/Arbeitsmarkt?

Am gefragtesten sind IT-Fachleute für die Digitalisierung. Allerdings ist das Angebot in Deutschland nicht ausreichend. Daher bauen wir auch digitale Entwicklungszentren in Emerging Markets wie China und Indien auf.

  • Welche Rolle spielten 2020 die Themen Optimierung, Ressourceneffizienz und Digitalisierung (Industrie 4.0, BigData, Predictive Maintenance)? Wie schätzen Sie die Priorität für die nächsten Jahre ein und hat sich diese Einschätzung durch den Pandemieverlauf verändert?

Digitalisierung ist der wichtigste Trend in unserem Markt. Mit unseren Tools können Lackieranlagen-betreiber ihre Gesamtanlageneffektivität steigern. Advanced Analytics ist eine der Innovationen aus der DXQ-Produktfamilie, die wir in diesem Jahr vorgestellt haben. Es ist das erste Tool für Lackieranlagen, das mit Künstlicher Intelligenz Fehlerquellen identifiziert und optimale Wartungszeitpunkte ermittelt. In 2020 hat Dürr sein bislang größtes Digitalisierungsprojekt umgesetzt. In einem VW-Werk in China kommen DXQ-Applikationen zur Optimierung von Prozessen, Produktionsqualität, Energieverbrauch und Anlagenwartung zum Einsatz. Dass der Digitalisierungstrend auch weiterhin im Fokus steht, zeigt zum Beispiel die Industrial Cloud von VW und Amazon, die allen VW-Werken Zugriff auf ein schnell wachsendes Spektrum unterschiedlicher Software-Applikationen, unter anderem von Dürr, bietet.

  • Wie schätzen Sie die weitere wirtschaftliche Entwicklung ein, für 2021 und die folgenden Jahre ein? Welche Strategien verfolgen Sie diesbezüglich, wo sehen Sie ihr Unternehmen und die Branche in drei Jahren?

2021 dürfte sich die Wirtschaft nach dem Corona-Schock weiter erholen, aber noch nicht das Vorkrisenniveau erreichen. Die Automobilproduktion wird voraussichtlich 2023 wieder auf dem Vorkrisenniveau sein. In Europa erwarten wir aufgrund der Sättigung bei den Fertigungskapazitäten nur ein moderates Wachstum im Automobilbereich und haben daher unsere Kapazitäten reduziert. Dürr wird in drei Jahren ein noch digitaleres Unternehmen sein, das für hochautomatisierte und nachhaltige Produktionsprozesse steht und den Wandel hin zu Elektromobilität weiter unterstützt.

  • Welche Prioritäten und Entwicklungsziele stehen 2021 für Ihr Unternehmen auf der Agenda? Welche Erwartungen haben Sie an das nächste Jahr?

Der Trend bei der Automobilproduktion geht hin zu flexiblen Fertigungskonzepten und der Individualisierung der Produkte. Dafür haben wir das Konzept der Lackieranlage der Zukunft und das overspray-freie Lackieren entwickelt. Bei Letzterem werden wir 2021 die Weiterentwicklung EcoPaintJet Pro zur Serienreife bringen. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird für unsere Kunden und uns immer wichtiger. Wir bringen wirtschaftliches Handeln in Einklang mit Ökologie und fairen Arbeitsbedingungen. Unter anderem sind wir 2020 dem United Nations Global Compact beigetreten. Damit bekennen wir uns zu den zehn nachhaltigen Prinzipien in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umwelt und Korruptionsprävention.

  • In welchen Bereichen planen Sie Veränderungen und/oder Investitionen?

Die wichtigsten Trends in unseren Märkten sind Digitalisierung, Automatisierung, Nachhaltigkeit und Elektromobilität. In diesen Bereichen liegen unsere Investitionsschwerpunkte.