Dürr Systems AG

Geschäftsfelder: Lackiertechnik, Endmontagetechnik, Umwelttechnik, Batteriebeschichtungstechnik

Zielgruppen: Automobilindustrie, Maschinenbau, Möbelindustrie, Chemie, Pharma etc.

Mitarbeiter: 20.000

Jahresumsatz: 4,6 Mrd. EUR

Gesprächspartner: Dr. Lars Friedrich, CEO Automotive bei Dürr

Was für ein Resümee ziehen Sie für das Jahr 2024?
Im Jahr 2024 lief es im Lackiertechnikbereich sehr gut für uns. Im klassischen Automotive-Geschäft konnten wir den Auftragseingang deutlich steigern, obwohl die weltweite Automobilproduktion leicht abnahm. Das zeigt, dass das Geschäft nicht unbedingt von den aktuellen Fertigungszahlen der Kunden abhängt. Zudem haben wir viele Modernisierungsprojekte umgesetzt. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz stehen im Zentrum unserer Innovationsarbeit – diese Ausrichtung wird durch das steigende Marktinteresse klar bestätigt.

Wo sehen Sie in Ihrem eigenen Unternehmen technologische Ziele und Entwicklungsschwerpunkte?
2024 haben wir mit dem EcoBell4 Zerstäuber mit „High Transfer Efficiency" (HTE) System eine neue Technologie auf den Markt gebracht. Wir erreichen damit einen Auftragswirkungsgrad von bis zu 98 % in der Klarlackapplikation. Auf diesem Erfolg ruhen wir uns allerdings nicht aus. Zu unserem Open House 2025 möchten wir eine Weiterentwicklung dieser Technik und weitere Innovationen präsentieren, die neue Impulse in Richtung Effizienz und Nachhaltigkeit setzen. Unter Effizienz verstehen wir konkret, die Prozessabläufe im Hinblick auf Zeit, Verbrauch und Qualität zu optimieren. Nachhaltigkeit geht dann noch einen Schritt weiter: Hier wollen wir unseren Kunden ermöglichen, ihre Produktion durch Elektrifizierung weitestmöglich CO2-neutral zu gestalten.

Welche technologischen Trends und Entwicklungen sehen Sie in der Oberflächenbranche derzeit?
Wir nehmen vermehrt den Trend nach Individualisierungswünschen sowie nachhaltigen Produkten und Prozessen wahr. Gerade bei letzterem sind immer mehr Kunden bereit, signifikant zu investieren, um eine nachhaltige, zukunftsorientierte Produktion sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang: Wie entwickelt sich die Digitalisierung/Automatisierung?
Um ehrlich zu sein: Zu Beginn war der Hype um das Thema Digitalisierung/Automatisierung größer als die Nachfrage. Das hat sich in den letzten Jahren allerdings geändert. Nachdem die ersten großen Projekte erfolgreich umgesetzt wurden, sehen Unternehmen die konkreten Vorteile. Zentrale Elemente der zukünftigen Digitalisierung und Automatisierung in der Oberflächenbranche umfassen dabei Prozessoptimierung, Qualitätsüberwachung sowie Wartung und Instandhaltung. Ziel ist hier, ein digitales Abbild eines Fertigungsschritts, einer Produktionslinie und letztlich einer gesamten Lackieranlage zu erstellen. Dieses digitale Modell dient dann als Basis, um Entscheidungen mit größtmöglicher positiver Wirkung automatisiert und ohne menschliches Zutun zu treffen und die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen. Wichtige Handlungsfelder sind hierbei die prädiktive Wartung, automatisierte Qualitätskontrolle und Fehlerbehebung, Optimierung des Materialflusses sowie die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs.

Wie erwarten Sie, dass sich das Thema KI in den nächsten Jahren entwickelt?
Künstliche Intelligenz wird zahlreiche Bereiche unserer Gesellschaft dauerhaft beeinflussen. Momentan beobachten wir eine schnelle Weiterentwicklung der verfügbaren Technologien. In den nächsten Jahren sind weitere Fortschritte zu erwarten, die auf verbesserte Algorithmen, umfangreichere Datenmengen und leistungsstärkere Rechenressourcen zurückzuführen sind. In der Lackiertechnik wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Zukunft in drei wichtigen Bereichen entscheidend sein: Erstens wird KI genutzt, um die Effizienz interner Prozesse wie Einkauf, Projektmanagement, Forschung und Entwicklung sowie Büroassistenz deutlich zu steigern. Zweitens hilft KI dabei, Wissen in den Bereichen Prozess-, Applikations- und Anlagentechnik zu bewahren und durch virtuelle Experten zugänglich zu machen. Drittens wird KI gezielt eingesetzt, um Anlagen automatisch zu planen und in Betrieb zu nehmen.
Seit 2024 beteiligt sich Dürr auch am Forschungsprojekt RoX zur Entwicklung eines digitalen Ökosystems für KI-basierte Roboter. Dürr leitet hier eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel, ein KI-Tool zu entwerfen, das von der initialen Zusammenstellung bis hin zur Inbetriebnahme von Roboterzellen unterstützt. So könnte die KI etwa die Bahnprogrammierung selbst optimieren, wodurch die Effizienz steigt. Insgesamt lässt sich durch diese Automatisierung der Prozess der Roboterzellenkonfiguration beschleunigen.

Welche Rolle spielt das Thema Bürokratie und Regulierung in Ihrem Unternehmen, wie begegnen Sie dem und wie hat sich der bürokratische Aufwand durch REACH, die Tätigkeit der ECHA, aber auch der Bundesregierung über die letzten Jahre entwickelt?
Viele neue gesetzliche Regularien beschäftigen uns derzeit. Die korrekte Umsetzung der EU-Taxonomie und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sowie die CSRD-Berichtspflicht sind hier nur einzelne Beispiele. Wir haben in den vergangenen Monaten mehrfach die Gelegenheit genutzt, um Politiker zu Entlastungen und Reformen auf nationaler und europäischer Ebene aufzufordern. Konkret geht es uns um Bürokratieabbau, Investitionen in die Infrastruktur, niedrigere Energiepreise, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten für Fachkräfte aus dem Ausland und weniger statt mehr Berichtspflichten für Unternehmen. Unklarheiten in neuen Gesetzen dürfen nicht auf Kosten der Unternehmen gehen. Wir plädieren für Umsetzungsbeispiele und klar definierte Berechnungsmethoden für geforderte Kennzahlen, um Unsicherheiten zu reduzieren.

Wie bewerten Sie mittelfristig die Versorgungssicherheit mit Energie und deren Preisentwicklung auf Grund der Energiepolitik der letzten Jahre?
Die Versorgungssicherheit ist, wie es scheint, gegeben, letztlich volatil sind die Preise, auf die man sich nicht verlassen kann. Insofern ist es sinnvoll, die Verbrauchsminimierung von Energie im Blick zu haben.

Welche Entwicklung erwarten Sie in Bezug auf den Fachkräftemangel und welche Strategien setzen Sie bei der Rekrutierung ein? Welche Rolle spielen hier inzwischen Social-Media-Aktivitäten?
Der Fachkräftemangel ist kein Phänomen von 2024 oder 2025. Wir beobachten seit einiger Zeit, dass es schwieriger wird, geeignete und entsprechend hochqualifizierte Kandidaten zu finden. Auch die aktuelle Entwicklung im Markt mit der ein oder anderen Freistellung von Arbeitnehmern wird hier nicht wirklich durchschlagen. Hinzu kommt die enorme Konkurrenz im Großraum Stuttgart! Wir denken, dass kontinuierlicher Erfolg, Stabilität und Werte eines Unternehmens, leistungsgerechte Bezahlung, ein gutes Miteinander und die „Leidenschaft für die Sache“ Menschen überzeugen können, zu Dürr zu kommen und zu bleiben. Unsere Begeisterung für Lackiertechnik zeigen wir auch auf unseren Social-Media-Plattformen und überzeugen dort – wie ich denke – durch eine zeitgemäße und professionelle Darstellung unserer Technik. Ich glaube, dass dies potenzielle Kandidaten oft mehr anspricht, als ein simples „Komm zu uns“ – obwohl wir dies natürlich auch tun.

Welche Herausforderungen sehen Sie generell für 2025?
Das Marktumfeld im Bereich Automotive gibt uns Anlass zur Wachsamkeit. Auch wenn für Dürr gilt, dass wir weitgehend unabhängig von der Art des Antriebs sind, wiegen wir uns nicht in Sicherheit. Wir helfen Kunden intensiv dabei, operative Kosten zu sparen, sei es durch höhere Prozesseffizienz oder Einsparung von Verbrauchsmaterialien aller Art. Zudem unterstützen wir aktuell einige chinesische Automobilhersteller bei ihren Aktivitäten, außerhalb Chinas Fuß zu fassen und dort Produktionsstätten zu errichten.
Ein weiteres wichtiges Thema für unser Unternehmen: Durch die Zusammenlegung unserer Anlagenbau- und Applikationstechnikbereiche nutzen wir verstärkt Synergien und das zahlt auf unsere interne Effizienz ein.