VOA: Wandel in der Arbeitswelt

Fakten und Lösungsansätze zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation

Fachkraft vor Pulverofen
Arbeitgeber müssen ihre Rekrutierungsstrategien im Zeitalter eines zugunsten der Arbeitnehmer funktionierenden Arbeitsmarktes anpassen, um die Talente der Nachwuchsgeneration für sich zu gewinnen (Bild: VOA)

Immer mehr Unternehmen können freie Stellen nicht besetzen, weil Fachkräfte fehlen. Der Nachwuchs ist heute technikaffin, ständig online, umweltbewusst und fordernd.

Der Personalbedarf ist in Deutschland mit über 750.000 ausgeschriebenen Stellen seit Jahresbeginn konstant hoch. Zudem mangelt es laut Bundesagentur für Arbeit (BA) an etwa 125.000Auszubildenden.Angesichts der Verschiebung eines Arbeitsgebermarktes hin zum Arbeitnehmermarkt sind viele unterschiedliche Aspekte in Betracht zu ziehen – besonders wichtig ist die zielgruppengerechte Berücksichtigung der Bedürfnisse künftiger Fachkräfte. Voraussetzung dafür ist jedoch, diese zunächst zu erkennen.

Junge Nachwuchskräfte unserer Zeit gehören zur Generation Z und sie sind es, die auf dem Arbeitsmarkt die Hebel in der Hand haben. Dementsprechend stellen die in das Berufsleben nachrückenden Jahrgänge 1995 bis 2010 andere Ansprüche an ihren künftigen Arbeitsplatz als beispielsweise die Generation der Baby-Boomer, also die Jahrgänge zwischen 1946 und 1964.So legen die Jugendlichen für den Arbeitsplatz den Fokus auf mitarbeiterfreundliche Atmosphäre, Wertschätzung, Sicherheit und eine klare Trennung von Privatund Berufsleben. Die Generation Z achtet auf die eigene Gesundheit, besitzt ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein und legt großen Wert auf Nachhaltigkeit. Als sogenannte Digital Natives – also in die digitale Welt Hineingeborene – sind sie technikaffin und gehen mit modernen Informationstechnologien mühelos um, während analoge Face-to-Face-Kommunikation sie schnell überfordert. Daraus ergibt sich für Arbeitgeber nicht einfach nur die Herausforderung teilweise veränderter Anforderungsprofile – es gelten gänzlich andere Voraussetzungen in der heutigen Arbeitswelt als noch eine Generation davor.

Über den Tellerrand schauen

Bei der notwendigen Gewinnung von Fachkräften kann auch die Erschließung weiterer Bewerbergruppen – teilweise auch außerhalb der Generation Z – eine gute Entscheidung sein. So lohnt es sich beispielsweise, Quereinsteigern, Studienabbrechern, älteren Auszubildenden oder Jugendlichen mit möglicherweise individuellem Förderbedarf oder Migrationshintergrund die Ausbildung zu ermöglichen. Defizite im Hinblick auf die fundierte Berufsorientierung, soziale Kompetenzen oder Sprachkenntnisse lassen sich mit zusätzlichen, innerbetrieblichen Unterrichtsofferten oder durch Fördermöglichkeiten und Angebote externer Stellen wie der BA beheben. Diese Bewerbergruppen beweisen oft hohe Loyalität zur Ausbildungsstelle und verbleiben nach Beendigung der Ausbildung häufig im Betrieb. Die Diversität im Team und das generationenübergreifende Arbeiten besitzen aufgrund der Globalisierung der Arbeitswelt zudem hohe Aktualität und praktische Relevanz. Unternehmen werden dadurch innovativer, multikultureller und internationaler.

Die Fachkräftesicherung von morgen stellt Unternehmen also heute vor die wichtige Zukunftsaufgabe, ihre Rekrutierungsstrategien anzupassen, damit sie die optimale Position im Wettstreit um die besten Talente erreichen. Parallel dazu gilt es, multikulturelle sowie generationenübergreifende Teams zu managen, um den Erfolg des Unternehmens in der Zukunft zu sichern.

Interview mit VOA-Geschäftsführerin Dr. Alexa A. Becker

 studierte Rechtswissenschaften
Alexa A. Becker studierte Rechtswissenschaften und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2009 ist sie Geschäftsführerin des VOA und vertritt die Interessen des Verbands auf nationaler und internationaler Ebene, zum Beispiel bei ESTAL oder beim Generallizenzgeber QUALANOD. Zudem ist sie Mitglied im Executive Committee des Generallizenzgebers QUALICOAT und in zahlreichen Fachausschüssen der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (Bild: VOA)

Dr. Alexa A. Becker spricht mit mo über die Chance der Unternehmen, Fachkräfte von morgen zu begeistern.

mo: Frau Dr. Becker, inwieweit ist die Branche der Oberflächenveredelung bereits von dem Fachkräftemangel betroffen?

Frau Dr. Becker: Die aktuelle VOAUmfrage zeigt, dass schon 59 Prozent der Mitgliedsunternehmen den Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Das sind 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Oberf lächenveredelungsbranche hat erkannt, dass das Ausbildungsangebot zu erweitern ist: Im Jahr 2021 bildeten 39 Prozent der VOA-Mitglieder aus, 2022 lag der Wert bei 65 Prozent. In diesem Jahr planen sogar 82 Prozent Ausbildungsplätze anzubieten. Dabei handelt es sich um Berufe mit hervorragenden Entwicklungsmöglichkeiten und Karriereperspektiven in einer zukunftsorientierten Branche – künftige Industriekaufleute, Oberflächenbeschichter sowie Verfahrensmechaniker Beschichtungstechnik.

Die  Kontaktaufnahme  zu  potenziellen Bewerbern erfolgt aktuell insbesondere über persönliche Ansprache und Empfehlung sowie über Betriebserkundungen von Schulen und Praktika oder über die Bundesagentur für Arbeit. Etwa die Hälfte der VOA-Mitglieder verfügt über unbesetzte Ausbildungsplätze. Teilweise finden sie keine geeigneten Bewerber oder erhalten erst gar keine Bewerbungen. Für die Branche der Oberflächenveredelung bedeutet das, im harten Wettbewerb um neue Talente mit dem ganzen Portfolio, das die Branche zu bieten hat, noch sichtbarer zu werden.

mo: Und wie gelingt das?

Frau Dr. Becker: Im Wettbewerb um die Fachkräfte heben sich Unternehmen vor allem durch eine authentische und unverwechselbare Arbeitgebermarke, ein gelungenes ‚Employer Branding‘, von ihren Mitbewerbern ab. Vor deren Entwicklung steht die ausgiebige Analyse des Unternehmens, der aktuellen Personalbesetzung, der Stärken sowie die Benennung der Einzigartigkeit des Unternehmens. Bei der anschließenden Gestaltung und kontinuierlichen Weiterentwicklung der Arbeitgebermarke spielen heute beispielsweise Social Media, digitale RecruitingStrategien, maßgeschneiderte Bewerbungsprozesse und auch Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung eine zentrale Rolle. Es gilt, einerseits herausgearbeitete Vorteile empfängerorientiert zu kommunizieren, um sich als Top-Arbeitgeber zu präsentieren, und andererseits zukünftige Mitarbeitende zeitgemäß und effektiv anzusprechen sowie die Kontaktaufnahme digital zu erleichtern. Eine solche strategische Neuausrichtung der Unternehmen bindet personelle Ressourcen, erfordert zeitlichen Aufwand und gegebenenfalls höhere Investitionen, ist jedoch bei Gewinnung der Fachkräfte von morgen unerlässlich.

mo: Wie unterstützt der VOA seine Mitglieder bei der notwendigen Neuausrichtung?

Frau Dr. Becker: Auf zahlreichen Wegen: Für Mitgliedsunternehmen in der Regel kostenfreie Webinare und Vorträge zu diesem Themenfeld vermitteln Werkzeuge zur praktischen Umsetzung, geben konkrete Handlungsempfehlungen und beinhalten Praxisbeispiele verschiedener Unternehmen, um die junge Generation zu erreichen. Darüber hinaus stellen wir auf unserer Homepage nützliche Links, Dokumente zum Download und Flyer zu den Berufsbildern in der Oberflächenveredelungsbranche zur Verfügung, entwickeln die VOA-Ausbildungsinitiative weiter, beantworten Fragen der Mitglieder und setzen die Fachkräfteförderung gegenüber der Politik auf die Agenda. Nicht zu vergessen sind unsere Fortbildungsangebote zur Anodisation und Beschichtung von Aluminium. Sie richten sich auch explizit an Einsteiger und Auszubildende. Letztere profitieren dabei von einer preisgünstigen Teilnahmegebühr. So unterstützen wir mit unserem vielfältigen Angebot unsere Mitgliedsunternehmen in der Oberflächenveredelungsbranche, damit auch weiterhin qualitativ hochwertig produziert werden kann und die Unternehmen Zukunftschancen mit gut ausgebildetem Personal nutzen können.

Verband für die Oberflächenveredelung von Aluminium e.V.
www.voa.de