Automobillackierung wird nachhaltig und sieht gut aus
Automobilhersteller legen vor allem für Elektrofahrzeuge mehr Wert auf das Erscheinungsbild

Die Automobillackierung ist in einem massiven Umbruch. Insbesondere der Trend zu mehr Nachhaltigkeit bewegt alle Beteiligten dazu, neue Ansätze zu verfolgen. Nass-in-nass-Lackierung, biobasierte Lacke und moderne Trocknungskonzepte verbessern die CO2-Bilanz. Dabei müssen keine Abstriche bei Sonderfarben, Wet-Look oder Dekorelemente gemacht werden.
Elektrofahrzeuge kommen einem zuerst in den Sinn, wenn man an Nachhaltigkeit und Automobile denkt. Aber der Paradigmenwechsel geht über den Antrieb hinaus. „Unsere Kunden, die Automobilhersteller, legen bei E-Fahrzeugen generell mehr Wert auf das Erscheinungsbild“, beobachtet Dr. Lars Friedrich, Leiter Division Application Technology bei der Dürr Systems AG. Das liege daran, dass beim Fahrzeug bisherige Unterscheidungsmerkmale beim Antrieb oder beim Getriebe entfallen.
Doch die Ansprüche an das Äußere steigen bei allen teureren Fahrzeugen: „Im High-End-Bereich kommen mehr Lackschichten und mehr Sonderfarben zum Einsatz. Man kann zum Beispiel mit zwei oder drei Klarlackschichten, davon einer getönten, Farbeffekte wie einen Wet-Look erzeugen“, sagt Friedrich. Auch Zwei- oder Dreitonlackierungen oder Dekorelemente auf den Fahrzeugen werden hier häufiger. „Die Differenzierung erfolgt auch über den Farbton“, beobachtet Friedrich. „Die Zahl der Hersteller im oberen Marktsegment, die Sonderfarben anbieten, wird größer.“
Kontrastlackierungen machen hohe Ansprüche sichtbar
„Seit einigen Jahren beobachten wir ein stetig zunehmendes Interesse an Kontrastlackierungen für Flächen und Designelemente im Bereich der OEM-Lackierung“, ergänzt Sabrina Platzek, Vice President Global Marketing Automotive OEM Coatings bei BASF Coatings. „Die Differenzierung über das Exterieur nimmt einen immer höheren Stellenwert ein; zum Beispiel durch Bi-Colorität“, bestätigt eine Sprecherin der BMW Group. Unter anderem deshalb will das Unternehmen seinen Premiumanspruch über eine gut sichtbare Wertigkeit definieren. Auch eine Mattlackierung oder optisch differenzierte Kleinserien gehören dazu.
Auf der anderen Seite sieht Dr. Lars Friedrich von Dürr eine Vereinfachung im Massenmarkt. Die Automobilhersteller würden zum Beispiel weniger Standardfarben anbieten. Genauso wichtig wie beim Antrieb ist Nachhaltigkeit auch bei der Lackierung. BMW kooperiert dazu beispielsweise mit BASF und setzt seit 2022 Lacke aus Bioabfall ein.
Die Produkte sind zudem nach dem sogenannten Biomassenbilanzverfahren von BASF zertifiziert und vermeiden rund 40 Prozent CO2 pro Lackschicht. „Mit dem Einsatz des nachhaltig produzierten Korrosionsschutzlacks in Leipzig und Rosslyn, Südafrika, ist der KTL-Bedarf für zwei Werke vollständig gedeckt“, berichtet die BMW-Sprecherin. Außerdem sei derzeit der nachhaltige Lack in den europäischen Lackierereien für Mattlacke verfügbar.

Biobasierte Lacke unterstützen Nachhaltigkeit
„Gerade bei den im Markt führenden Automobilherstellern ist eine zunehme Fokussierung auf den Aspekt Nachhaltigkeit zu beobachten“, beobachtet Sabrina Platzek. Nachhaltigkeit in der Lackierung werde deshalb immer gefragter. Inzwischen kann das Chemieunternehmen fast alle Produkte biomassebilanziert anbieten. Das gilt auch für Basislacke. „Zurzeit konzentrieren wir uns auf die Lackschichten mit einem hohen organischen Anteil, da die CO2-Einsparungen hier größer sind“, sagt Platzek weiter. Das sind vor allem Klarlacke, Elektrotauchlacke und Primer.
Mit biobasierten Lacken ist BASF allerdings im Automotive-Sektor nicht allein. Akzo Nobel hat Ende 2023 eine biobasierte Innenbeschichtung aus Raps und eine weitere aus Kiefernharz für Kia Motors vorgestellt. Der Lack für das Fahrzeugmodell EV9 hat laut Akzo Nobel nicht nur eine hundertprozentige Farbmaster-Zulassung erhalten, sondern erfüllt auch alle Anforderungen an die chemische und physikalische Beständigkeit.
Ein weiterer wichtiger Ansatz für mehr Nachhaltigkeit ist der Energieverbrauch. „Der Trend, die Lackierung energetisch zu optimieren, besteht bereits seit Jahren. Vor allem werden weniger Öfen und Trockner eingesetzt, wobei systematisch die Zahl der Trocknungsvorgänge reduziert wurde“, erläutert Dr. Lars Friedrich.
Energieeffizienz: moderne Trocknungskonzepte
Konkret lässt sich diese Entwicklung bei Modernisierungsprojekten in der Autoindustrie beobachten. So hat Audi begonnen, seine Lackiererei in Neckarsulm zu modernisieren. Bis 2025 will das Unternehmen laut eigener Mitteilung den Strom- und Wasserverbrauch um 20 Prozent senken und damit auch die CO2-Emissionen. Ein Ansatzpunkt ist die Rotationsanlage bei der KTL-Lackierung. Die Karosserie wird künftig im Tauchbecken um 360 Grad gedreht, was die Lackschicht gleichmäßiger macht. Zudem sollen sich kleinere Becken positiv auf die Energiebilanz auswirken. Das Trocknerkonzept sieht vor, die Karosserie gleichmäßiger aufzuheizen. Das Fahrzeug wird künftig von innen nach außen erwärmt, wodurch sich die Effizienz steigern lässt.
In der Decklackierung will Audi die Anlagen durch eine Umstellung auf Umluftbetrieb nachhaltiger machen. Der Lacknebel wird künftig über einen luftgeführten Kreislauf statt bislang mithilfe von Wasser abgeschieden. Eine weitere Energieeinsparung ergibt sich bei bestimmten Modellen aus dem Auftragen des Basislacks „nass in nass“ auf den Vorzonenlack. Dieser ersetzt den bisherigen Füller.
Energie sparen durch Nass-in-nass-Lackierung
Ein solches Verfahren ist unter dem Namen IPP (Integrated Paint Process) bei der BMW Group mittlerweile in allen Lackierereien vollständig umgesetzt, wie die Sprecherin berichtet. Durch den Wegfall eines kompletten Prozessschritts ließ sich der Energie- und Ressourcenverbrauch erheblich reduzieren. Im Werk Dingolfing, wo die Umstellung zuerst erfolgte, konnten bis 2020 bereits 25 Prozent Wasser und 60 Prozent Lösemittel eingespart werden.
Der Energiebedarf sank um zehn Prozent. Der Wechsel von Nassauswaschung auf energieeffizientere Trockenabscheidungen ist bereits Standard bei neuen Lackierereien und soll in Bestandslackierereien bis 2028 vollständig umgesetzt sein. Außerdem will BMW über einen ORC-Prozess (Organic Rankine Cycle) Strom aus Abwärme gewinnen. Pilotprojekte laufen dazu in Dingolfing und Leipzig, anschließend erfolgt eine Bewertung für weitere Werke.
Oversprayfreies Lackieren
Nicht zuletzt gewinnt das oversprayfreie Lackieren an Bedeutung. „Dieses Verfahren hat eine hundertprozentige Transfereffizienz“, hebt Friedrich hervor. Sabrina Platzek verweist darauf, dass damit auch Energie und Abfall eingespart werden können, weil Maskieren und Demaskieren mit Klebefolie entfallen. Besonders hohe Ziele hat sich die Dürr Systems AG zusammen mit der Daimler AG gesetzt: Langfristig wollen beide Unternehmen die Fahrzeuglackierung CO2-frei machen. Dazu wollen sie den Energieverbrauch pro lackierter Karosserie auf weniger als 400 Kilowattstunden verringern – weniger als die Hälfte des aktuellen Stands. Zudem soll der Energiebedarf komplett durch grünen Strom gedeckt werden.
Akzo Nobel N.V.
www.akzonobel.com
Audi AG
www.audi.com
BASF Coatings GmbH
www.basf.com
BMW AG
www.bmwgroup.com
Daimler AG
www.daimler.com
Dürr Systems AG
www.durr.com

