Nicht mehr lange ein Geheimtipp
Holzbearbeiter erkennen Vorteile der Pulverlackierung

Nicht nur hohe Energiekosten machen Niedrigtemperatur- Pulverlacke interessant. Mit ihnen lassen sich auch Substrate beschichten, die auf geringe Einbrenntemperaturen angewiesen sind. Ein Beispiel dafür ist ein klassischer Werkstoff, der immer mehr im Trend liegt: Holz.
Bei der Beschichtung von Metall haben sie schon länger einen Industriestandard etabliert, beim Holz sind Pulverlacke aber noch eher ein Geheimtipp. Doch wie der Hersteller Tiger Coatings aus dem österreichischen Wels beobachtet, etabliert sich die Pulverbeschichtung zunehmend als Alternative zum Nasslack in der Holzverarbeitung. Das gilt vor allem bei der Beschichtung von Mitteldichten Faserplatten (MDF-Platten), die in der Möbelindustrie häufig verwendet werden. „Die Pulverbeschichtung von Holzwerkstoffen ist – im Gegensatz zu den Kernmärkten von IGP, in denen die Pulverbeschichtung seit langem etabliert ist – noch im Aufbau“, sagt auch ein Sprecher des Produzenten IGP Pulvertechnik aus dem schweizerischen Wil. Das Unternehmen nehme aber ein zunehmendes Interesse an der Pulverlacktechnologie wahr und erwarte deshalb eine weitere Verbreitung.
Holz für den Pulverlack vorbereiten
Dabei mag es auf den ersten Blick verwundern: Wie passen Holz und Pulverlackierung zusammen? Schließlich ist Holz nicht als elektrischer Leiter bekannt, und temperaturempfindlich sowie inhomogen ist das Substrat auch. Eine Leitfähigkeit des Holzes ergibt sich jedoch durch die enthaltene Feuchtigkeit, oder man reichert den Werkstoff mit Leitfähigkeitsadditiven an, wie Tiger Coatings erläutert.
Außerdem gilt das Motto „gut geschliffen ist halb lackiert“ auch bei der Vorbehandlung von Holzsubstraten für die Pulverbeschichtung. Wenn man aufstehende Fasern nicht entfernt, heften sich die Pulverpartikel genau dort an – und das beeinträchtigt das Beschichtungsbild. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kontrolle der Plattenfeuchtigkeit. Sie beeinflusst die Qualität der Oberfläche maßgeblich.
Hilfreich ist es auch, die Oberflächentemperatur des Substrates unmittelbar vor dem Pulverauftrag zu erhöhen. Das wirkt sich laut Tiger Coatings positiv auf die Leitfähigkeit aus. Für die Beschichtung von MDF-Platten durchlaufen die Werkstücke vor der Beschichtungskabine so genannte Preheater. Sie heizen die Bauteile mit Infrarotstrahlern schnell auf 40 bis 60 Grad Celsius auf.

Ein Muss: Niedrige Einbrenntemperaturen
Beim Einbrennen helfen dann Durchlauföfen, die temperaturempfindlichen Substrate zu erwärmen. In ihnen lassen sich unterschiedliche Ofenzonen realisieren, die einen definierten Verlauf einer Ofenkurve abbilden. Somit kann man die Temperatureinstellungen im gesamten Ofendurchgang genau anpassen. Nach Informationen des Herstellers Karl Bubenhofer aus dem Schweizerischen Gossau hängen die Einbrenndauer und -temperatur vom Pulverlack ab und bewegen sich zwischen 130 und 150 Grad Celsius bei drei bis fünf Minuten.
Weitgehend einig sind sich die von der MO-Redaktion angefragten Unternehmen bei den Vorteilen der Pulverlackierung für Holz. „Pulverlacke können einschichtig sowie gleichzeitig auf alle Seiten des Werkstücks appliziert werden. Gegenüber anderen Prozessen wird so die mehrfache Lackierung desselben Bauteils vermieden, aber auch aufwändige Zwischenschritte“, erläutert der IGP-Sprecher, und sagt weiter: „Darüber hinaus können Pulverlacke zurückgewonnen und wieder dem Beschichtungskreislauf zugeführt werden, so dass eine sehr hohe Materialeffizienz ermöglicht wird.“ Tiger Coatings spricht hier von Wirkungsgraden bis 96 Prozent. Als weitere Pluspunkte für die Wirtschaftlichkeit führt das österreichische Unternehmen auch das einfache Handling und den niedrigen Schulungsaufwand für dieses Verfahren an.
Außerdem freut sich die Umwelt: Pulverlacke enthalten keine Lösemittel, die umweltschädliche flüchtige organische Substanzen (VOC) enthalten und nachverbrannt werden müssen. Deshalb empfiehlt Tiger Coatings das Pulverlackieren für die Ausstattung von Räumen, in denen VOC in der Luft Schäden anrichten können, beispielsweise von Museen, Bibliotheken oder Archiven.
Aufgrund der niedrigen Einbrenntemperaturen und weniger Lackierschritten sinkt zudem der Energiebedarf. „Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigte einen deutlich reduzierten CO2-Fußabdruck von Pulverlacken gegenüber anderen Lacktechnologien“, erläutert der IGP-Sprecher weiter. Nicht zuletzt erzeugen Pulverlacke aufgrund der Rückgewinnbarkeit des Pulvers weniger Abfall.
Pulverlack bringt den Designern Freiheit
Wichtig für die Möbelhersteller ist auch das Design. Bei der traditionellen Folienbeschichtung ist die Gestaltungsfreiheit eher eingeschränkt. Dagegen trumpfen die Pulverlacke auf. „Sie erlauben die nahtlose Rundum-Beschichtung mit nur einem Beschichtungsvorgang. Die Beschichtung komplexer Geometrien, von schrägen Fräsungen, abgerundeten Ecken und Grifflöchern ist möglich und erlaubt eine hohe Formfreiheit“, berichtet der IGP-Sprecher. Außerdem ist nach seinen Worten eine große Farbpalette bis hin zu Effektfarben und Oberflächen in verschiedenen Strukturen und Glanzabstufungen möglich.
Wie die Pulverlackierung von Holz in der Praxis ankommt, zeigt das Beispiel der Schreinerei Fust, die ebenfalls in Wil ansässig ist. Zusammen mit IGP hat der Hersteller von Designmöbeln, Schranksystemen, Türen und Küchen eine Pulverbeschichtung für seine Produkte erarbeitet. „Die Zukunft gehört der Pulverbeschichtung. Die Endkunden setzen immer mehr auf Nachhaltigkeit, wir als Unternehmen sind in der Verantwortung, diese zu bieten“, begründet der Gründer Markus Fust seine Investition.
SI



