Die friedvolle rosa Brille, die sich Europa in den 90er Jahren aufgesetzt hat, ist zerbrochen und es entfaltet sich eine multipolare Welt, in der es möglicherweise Zeit geworden ist, neue Bündnisstrukturen aufzubauen. Betrachtet man die Perspektiven dieser neuen Weltordnung, wird deutlich, dass viele Entscheidungen, ob wirtschaftlicher, politischer oder gesetzgebender Natur, zukünftig verstärkt nach strategischen Gesichtspunkten bewertet werden müssen. Das ist leider etwas, was Europa in den letzten Jahrzehnten völlig aus den Augen verloren hat. Denn das sich Europa bezüglich seiner Verteidigungsfähigkeit immer mehr auf die Abschreckung des großen Bruders USA gestützt hat, stieß europaweit bisher nur auf begrenzte Kritik. Jetzt wird plötzlich deutlich, wie teuer uns diese Abhängigkeit kommen könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass große Teile der europäischen Industrie den asiatischen Kontinent als zentrales Element in ihrer Supply Chain haben. Beides zusammen macht uns sehr anfällig für politischen Druck. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, zu verhindern, dass weiter wichtige und strategisch bedeutsame Industrien Deutschland und Europa den Rücken kehren. Denn nur mit der notwendigen Autonomie wird Europa in der Lage sein, langfristig in einer multipolaren Welt die eigene Unabhängigkeit und Selbstbestimmung durchzusetzen.
Oberflächentechnik im Zentrum der Entwicklungen
Die Bundestagswahl hat gezeigt, dass Appeasement gegenüber Aggressoren und Ignoranz gegenüber dem, was Unternehmen brauchen, um zu funktionieren, nicht mehr mehrheitsfähig sind. Friedrich Merz, der neue Bundeskanzler in Spe, verspricht eine konsequente Wirtschaftspolitik und eine Stärkung Europas. Sogar der alte Bundestag soll noch Rekord-Summen an Sondervermögen verabschieden, um einen gewissen Handlungsspielraum bei militärischen Investitionen und allgemein der Infrastruktur zu ermmöglichen. Das lässt hoffen, dass der dringend notwendige Kurswechsel tatsächlich erfolgen wird. Die europäische Industrie muss in vielerlei Hinsicht resilienter werden, Sowohl was die Energieversorgung, aber auch deren Preis angeht. Auch Rohstoffunabhängigkeit und technologischer Vorsprung sind die Schlüssel, um weiterhin im globalen Wettbewerb zu bestehen.
Von den Entwicklungen auf dem Weltmarkt über Energiethemen bis hin zu Bürokratie und Regulierung – die Oberflächentechnik steht im Zentrum vieler dieser Entwicklungen und Herausforderungen. Die Themen, die die Branche aktuell bewegen, drehen sich wenig überraschend um Energieeffizienz, Ressourcenschonung und Prozessoptimierung. Das 34. Pulversymposium Dresden zeigte, wie stark die Branche diesbezüglich inzwischen in Bewegung gekommen ist. Weiterhin stehen Technologien hoch im Kurs, die den Fachkräftemangel kompensieren helfen. Lesen Sie mehr in unserem ausführlichen Bericht in der Printausgabe März 2025 ab Seite 20.
Weichenstellungen außerhalb der Komfortzone
Letztendlich steht unsere Branche vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss auf geopolitische Unsicherheiten reagieren und gleichzeitig in technologischen Fortschritt investieren. Die in dieser Ausgabe vorgestellten Anwendungen, technologischen Neuerungen und Strategien machen immerhin deutlich, dass die Oberflächentechnik in der Lage ist, einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der europäischen Industrie zu leisten.
Die neue Weltlage treibt Europa zwar aus seiner Komfortzone – aber das könnte der Anlass sein, endlich die Weichenstellungen in Politik, Verwaltung, und Wirtschaft zu korrigieren und damit vielfältige neue Chancen zu eröffnen. Die Oberflächentechnik wird ohne Zweifel ihren Teil dazu beitragen.
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