Geschützt auf guten und schlechten Straßen

Erfolgreicher Serieneinsatz wasserbasierender Zinklamellen auf PKW-Fahrwerkskomponenten

Fertig mit Zinklamellen beschichtete Fahrwerksteile
Die Zinklamellen-Beschichtungsanlage in Saragossa (Spanien). Im Vordergrund sind die fertig beschichteten Bauteile zu sehen.

Der Druck auf die Automobilindustrie, nachhaltiger zu werden, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu minimieren und trotz alledem ein hochwertiges und langlebiges Produkt auf die Straße zu bringen steigt im Rahmen des Strukturwandels hin zur E-Mobilität noch einmal stark an.
Im Fahrwerksbereich wachsen die Anforderungen bezüglich der Erhöhung der Lebensdauer der einzelnen Komponenten bei gleichzeitiger Gewichtsersparnis. Noch dazu schafft der Einsatz von neuen Werkstoffen wie höherfesten Stählen und auch neuen Bauweisen, wie mehrschalige Aufbauten, neue Heraus-
forderungen, speziell für den Langzeit-
Korrosionsschutz. Manche klassischen Beschichtungsverfahren können diesen Anforderungen inzwischen nur noch teilweise gerecht werden. In Bezug auf die Nachhaltigkeit stellt die Erhöhung der Lebensdauer der im Automobilbau eingesetzten Komponenten einen sehr relevanten Faktor dar. Vor allem im Bereich von sicherheitsrelevanten Strukturbauteilen aus Metall spielt ein wirksamer Schutz gegenüber Umwelteinflüssen eine signifikante Rolle.
 Speziell im Fahrwerksbereich und auch am Unterboden des Automobils sind Metallteile aggressiven Witterungsverhältnissen von Schmutz über Steinschlag und Feuchtigkeit bis hin zu einer erheblichen Salzbelastung im Winter ausgesetzt. Gleichzeitig sind die Konstrukteure angehalten, das Gewicht von Fahrwerkskomponenten und damit verbunden auch die bisher großzügigen Sicherheitszuschläge für Korrosionsschäden zu minimieren. Daher ist für diese Bauteile ein langlebiger Korrosionsschutz ein wichtiges Kriterium.    

Fahrwerksteile –
Übersicht und Anforderungen

Die heutige Standardbeschichtung für solche Komponenten ist der kathodische Elektrotauchlack, meistens im Dickschichtbereich zwischen 30 und 50 µm. Dieses Beschichtungsverfahren ist als Barriere-
schicht gegenüber Korrosion sehr
wirksam, zeigt jedoch deutliche Schwächen, wenn die Oberfläche der Beschichtung erst einmal verletzt wurde – zum Beispiel durch Steinschlag – und dadurch korrosives Medium bis zur Substratoberfläche durchdringen kann. Im Fahrwerksbereich sind solche Beschädigungen nur durch aufwändige zusätzliche Schutzmassnahmen zu verhindern. Die in beschädigten Bereichen auftretende Metallkorrosion kann dann im schlimmsten Fall im Laufe der Zeit zum kompletten Ausfall des jeweiligen Bauteils führen. Dass selbst eine optimal haftende KTL-Beschichtung im Unterbodenbereich eines Automobils auf Dauer ausgedehnte Korrosionserscheinungen nicht verhindern kann, wird meist schon beim Blick unter erst wenige Jahre alte Fahrzeuge deutlich.
Aus diesem Grund sucht die Automobilindustrie verstärkt nach Alternativen zu einer klassischen Lackbeschichtung, um die Lebensdauer der verwendeten Komponenten wirksam zu verlängern. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Schutzwirkung reiner Lackschichten zu erhöhen.  So werden Elektrotauchlackschichten mit anderen Überzügen kombiniert, man spricht hierbei von Multi-Layer-Systemen. Die Aufbringung von verschiedenen unterschiedlichen Schichten verursacht jedoch einen Mehraufwand mit signifikanten Kosten, außerdem erreichen diese Systeme schnell Gesamtschichtdicken im Bereich von über 100 µm.

 

Diese beispielhafte 3D-Darstellung zeigt den Einsatzbereich der zweischaligen und geschweißten Querlenker an der Vorderachse der Stellantis „Common Modular Plattform“.
Diese beispielhafte 3D-Darstellung zeigt den Einsatzbereich der zweischaligen und geschweißten Querlenker an der Vorderachse der Stellantis „Common Modular Plattform“.

Zinklamelle – kathodischer Schutz für Fahrwerksteile

Eine andere Möglichkeit besteht im Verkleiden der exponierten Bauteile mit Kunststoffabdeckungen, damit diese nicht direkt den jeweiligen Witterungsein-
flüssen und speziell Steinschlag ausgesetzt sind. Bei dieser Methode muss jedoch außer den entsprechenden Mehrkosten für Bauteil und Montage auch noch das
zusätzliche Gewicht dieser Abdeckungen für das Fahrzeug objektiv und kritisch
betrachtet werden.
Eine interessante Alternative zu den beschriebenen Schutzmaßnahmen stellt der Einsatz der sogenannten Zinklamellentechnologie auf Fahrwerksteilen dar, welche mit deutlich dünneren Schichten als vergleichbare Systeme einen erhöhten Korrosionsschutz erzielt. Zur Applikation von Zinklamellensystemen wird das Bauteil in ein Medium getaucht, das aus einer Bindemittelmatrix mit Zink und
Aluminiumlamellen besteht. Dabei wird das Bauteil vollständig innen und außen benetzt. Um im nächsten Schritt eine
möglichst dünne und gleichmäßige Beschichtung sicherzustellen, folgt ein Abschleuderprozess. Die verbleibende sehr homogene Beschichtung vernetzt anschließend durch einen Einbrenn-
prozess und verbindet sich währenddessen fest mit dem Untergrund. Die Zinklamellentechnologie ist bereits seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz, bisher aber vorwiegend bei der Beschichtung von schüttfähigen Massenkleinteilen wie Schrauben, Muttern und sonstigen Verbindungselementen oder auch auf Stanz-Biegeteilen.
Große Vorzüge liegen in dem sehr guten kathodischen Korrosionsschutz trotz geringer Schichtstärken zwischen 5 und 15 µm. Besonders für hochfeste Stähle ist entscheidend, dass die stromlose Beschichtung eine Wasserstoffversprödung unmöglich macht. Weiterhin ist die Beschichtung von Hohlräumen problemlos möglich und durch die optionale Verwendung zusätzlicher Topcoats lässt sich der Korrosionsschutz noch einmal drastisch steigern – ohne dass dafür chromhaltige oder andere Schwermetalle notwendig sind.
Durch die oben aufgezeigten Vorteile einer Zinklamellenbeschichtung besteht seitens der Automobilbauer ein gesteigertes Interesse, diese Technologie auch auf Fahrwerksteilen im größeren Maßstab als bisher einzusetzen.  Nachstehend sollen an einem konkreten Anwendungsfall die einzelnen Schritte von der Qualifikation bis zum Serienbetrieb der Zink-
lamelle erläutert werden. Dabei geht es um die Querlenker der Vorderachse für die „Common Modular Plattform“ der Firma Stellantis.

Erfolgreiche Qualifizierung
bei Stellantis in Frankreich

Querlenker erfordern generell eine hohe Steifigkeit aufgrund der auftretenden Quer- und Längskräfte während des Fahrbetriebs. Der vorhandene Platz für den Schwingungsbereich der Querlenker im Unterbodenbereich ist jedoch plattformtechnisch bedingt limitiert, weswegen ein angepasstes Design des Bauteils nötig wurde. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten stellte sich der Einsatz eines Zweischalen-Querlenkers als optimale Lösung für die angesprochene Plattform heraus. Ein Einsatz von vorverzinktem Stahl/Coil für dieses Bauteil hätte aus Sicht des Korrosionsschutzes zwar eine Lösung sein können, allerdings erfordert die Zweischalenbauweise des Querlenkers eine Verschweißung der beiden Lenkerschalen. Schweißen auf Zink jedoch birgt das Risiko einer erhöhten Porosität der Schweißnaht durch eine Sublimation des vorhandenen Zinks.
Um das Risiko einer strukturellen Schwächung der Schweißnaht effektiv zu vermindern, wäre beim Verschweißen von vorverzinkten Stählen die Anpassung der Schweißparameter und vor allem eine Reduzierung der Schweißgeschwindigkeit notwendig – was zweifellos negative Auswirkungen auf die Produktivität hätte. Deshalb wurde nach Alternativen gesucht und aus der Analyse der Aufgabenstellung ging die Zinklamelle als besonders gut geeignete Lösung hervor, da in diesem Fall der Querlenker aus unverzinktem Stahl hergestellt und verschweißt werden kann, während die Beschichtung erst danach am fertigen Bauteil erfolgt. Dadurch ergibt sich ein kathodischer Korrosionsschutz ohne statisch/strukturelle Risiken für den kompletten Querlenker – und das bei unveränderten Schweißparametern.

 

Um die Geomet-Zinklamellenbeschichtung der Firma NOF Metal Coatings auf dem Querlenker zu qualifizieren, fanden intensive Testreihen auf beschichteten Bauteilen statt. Zu den Anforderungen und Prüfkriterien seitens des OEMs zählten unter anderem verschiedene mechanische Prüfungen und Korrosionstests sowie ein dynamischer Fahrtest. Geomet-Zinklamellenbeschichtungen von NOF Metall Coatings sind ausschließlich wasserbasiert und haben damit unter Umweltaspekten Vorteile gegenüber vergleichbaren lösemittelhaltigen Systemen auf dem Markt.
Als Korrosionstests wurden der neutrale Salzsprühtest gemäß EN ISO 9227 (1000 Stunden) sowie eine Freibewitterung über zwölf Monate gefordert.  Um auf die Anforderungen im Unterbodenbereich besser einzugehen, wurden die Prüflinge zudem mit einer Steinschlagprüfung gemäß EN ISO 20567-1, Methode B behandelt, bevor die Testreihen gestartet wurden. Die Freibewitterung der Prüflinge wurde an verschiedenen Standorten in Frankreich durchgeführt, um sowohl Industrieatmosphäre als auch maritimes Klima abzubilden.

Dynamischer Fahrtest

Im dynamischen Fahrtest wurden die mit Geomet beschichteten Querlenker vom OEM in Versuchsfahrzeuge eingebaut und dann auf einer Versuchsstrecke unterschiedlichen Belastungen unterzogen, wie das Fahren auf einer Schotterstrecke, Kopfsteinpflaster sowie durch einen Sand- und Salzwassertunnel. Zwischendurch wurden die Fahrzeuge in regelmäßigen Abständen in einen Klimaraum gefahren, um sie hoher Luftfeuchte sowie Salzsprühnebel auszusetzen. Nach verschiedenen festgelegten Zyklen wurden die Querlenker auf Korrosion sowie Funktionsfähigkeit überprüft.
Die hier beschriebenen Versuche wurden in enger Kooperation mit dem OEM durchgeführt und gemeinsam betrachtet und ausgewertet. Als Ergebnis dieser Untersuchungen bleibt festzuhalten, dass sämtliche Testergebnisse die Qualitätsanforderungen des OEMs übertroffen haben. Im konkreten Fall der Freibewitterung als wichtiger Teil des „Real-Life-Scenarios“ eines Fahrzeuges zeigt ein Bauteil seit über 60 Monaten immer noch keine Anzeichen von Korrosion. Aufgrund dieser sehr positiven Ergebnisse wurde die Zinklamellentechnologie als einzige Beschichtungsvariante für diesen Querlenker seitens des OEMs qualifiziert und freigegeben.

Zinklamellenbeschichtung
für Querlenker im Serienbetrieb

Für die Produktion der Serienfertigung wurde in enger Zusammenarbeit mit dem herstellenden TIER 1 eine vollautomatische Beschichtungsanlage für die Geomet-Zinklamellenbeschichtung errichtet. Der Produktionsstandort der Querlenker befindet sich in Saragossa in Spanien, der Beschichter „Aragonesa de Tratamientos“ befindet sich in unmittelbarer Nähe zum TIER1, was sich nicht zuletzt in Bezug auf die Logistik positiv auswirkt. Von Spanien aus werden die beschichteten Querlenker an die verschiedenen OEM Standorte versandt, wo sie in die entsprechenden Modelle des Herstellers eingebaut werden. Es handelt sich hierbei um eine Plattform, die für kompakte SUV-Modelle ausgelegt ist und auf der zum heutigen Zeitpunkt vier verschiedene Modelle mit diesen Lenkern ausgerüstet werden. Für die Serienfertigung wird die Zinklamelle im Gestell-Tauchschleuderverfahren aufgebracht. Hierbei sind der Gestellbau und Positionierung der Teile im Warenträger entscheidende Faktoren für eine maximale Produktivität bei möglichst geringen Kontaktstellen der Teile. Gleichzeitig muss dabei ein korrektes Abtropfen der Teile ohne lokale Flüssigkeitsansammlung gewährleistet sein.                                         

 

Links: Querlenker nach 1.000 Stunden im neutralen Salzsprühtest in der Prüfkammer; rechts ist eine Ausschnittsvergrößerung der mit Steinschlag vorgeschädigten Oberfläche zu sehen.

Die Prozessschritte im einzelnen

Die Schritte Tauchen/Abtropfen/Abschleudern und Einbrand werden in diesem Prozess wiederholt, es handelt sich also um eine 2-fach Beschichtung mit Zinklamelle. Ein zusätzlicher Topcoat oder eine Versiegelung ist nicht erforderlich. Mit diesem beschriebenen Prozess wird auf den Querlenkern eine gleichmäßige Geomet-Schichtdicke von 11  bis 14 µm aufgebracht. Seit dem Start des Serienbetriebes in Spanien Anfang Januar 2019 wurden bis zum heutigen Tag bereits über 1 Million Querlenker erfolgreich beschichtet, und dementsprechend sind bereits über 500.000 Fahrzeuge mit diesen Bauteilen auf den Straßen unterwegs.
Großflächige Felduntersuchungen des Querlenkers waren wegen dem immer noch aktuellen Corona-Umfeld nicht einfach durchzuführen, trotzdem war es möglich, sich einige Fahrzeuge bei Routine-Inspektionen in den Fachwerkstätten anzuschauen. Die Bilder auf Seite 25 unten stammen von zwei untersuchten Fahrzeugen aus dem Baujahr 2019, die seit über zwei Jahren von Endkunden gefahren wurden. Bisherige Überprüfungen an den untersuchten Bauteilen stellten keinerlei Korrosion fest. Um die Leistungsfähigkeit der Beschichtung weiter zu dokumentieren werden die Fahrzeuge turnusmäßig weiter überprüft.

Zusammenfassung und Ausblick

Erste Felduntersuchungen der mit Zinklamelle beschichteten Querlenker bestätigen die positiven Ergebnisse aus den OEM-Freigabeversuchen. Für die Zukunft erwartet NOF Metall Coatings eine Ausweitung der aktuellen Plattform auf weitere Modelle des Stellantis Konzerns und damit eine weitere Steigerung des aktuellen Querlenkervolumens.
Weiterhin sind mehrere Versuchsreihen mit anderen OEMs und
TIER 1s mit Geomet-beschichteten Bauteilen erfolgreich abgeschlossen, was bedeutet, dass aktuelle intensive Gespräche für weitere Einsatzmöglichkeiten und Fahrzeugtypen laufen. Allgemein bleibt festzuhalten, dass sich ein großes Potential für den Einsatz der Zinklamellentechnologie im Fahrwerksbereich abzeichnet und sich nicht zuletzt durch die Elektromobilität neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen.

Autor: Andreas Tolz

► NOF Metal Coatings Europe
    andreas.tolz@nofmetalcoatings.eu
► www.nofmetalcoatings.com