Einerseits wandeln die Computerchips während der Rechenprozesse die zugeführte elektrische Energie in Wärme um. Diese Wärme muss mit einem weiteren Energieaufwand über Kühlsysteme abgeführt werden. Forscher um Prof. Qing-Tai Zhao vom Forschungszentrum Jülich haben deshalb analysiert, wie viel Energie sich beim Rechnen bei sehr tiefen Temperaturen sparen lässt. Beteiligt an der Untersuchung zum cryogenic computing waren Prof. Joachim Knoch von der RWTH Aachen und weiteren Wissenschaftler der EPFL in der Schweiz, das Unternehmen TSMC und die National Yang Ming Chiao Tung Universität (NYCU) in Taiwan sowie der Universität Tokio, wie das Forschungszentrum Jülich mitteilt. Studien zeigen, dass bei –196,15 °C Einsparungen von bis zu 70 % möglich sind. Diese Temperatur lässt sich mit Flüssigstickstoff-Kühlung erreichen. Das Einsparpotenzial umfasst dabei noch den Aufwand für die Kühlung. Mit Heliumkühlung bei –269 °C seien es sogar 80 %, schreiben die Forschenden.
Sub-Nanometer dünne Schichten tragen zur Lösung bei
Doch in der Praxis sieht es bislang anders aus. Denn bei sehr tiefen Temperaturen machen sich physikalische Phänomene bemerkbar, die bei höheren Temperaturen im „thermischen Rauschen“ untergehen. Diese Herausforderungen lassen sich bewältigen. Letztlich verlangt die Realisierung von cryogenic computing „den Austausch von in der kommerziellen CMOS-Technologie etablierten Materialien durch neuartige Materialien beziehungsweise durch die Integration neubewerteter bekannter Materialien“, wie Prof. Joachim Knoch von der RWTH Aachen erklärt. In der Studie schlagen die Forschenden vor, wie eine Art „Super-Transistor für die Kälte“ ermöglicht werden könnte. Dazu zählen: Gate-all-around-Nanodrähte und vollständig verarmte Silicon-On-Insulator-(SOI)-Strukturen, die eine besonders präzise Steuerung ermöglichen, High-k-Dielektrika mit sehr hoher Dielektrizitätszahl in Kombination mit sub-Nanometer dünnen Zwischenschichten, die die energetische Unordnung reduzieren und das elektrische Feld effizient bündeln, Source/Drain-Engineering, das die Ausbildung steiler Übergänge ermöglicht und weniger Defekte verursacht, der Einsatz neuartiger Materialien wie Halbleiter mit kleiner Bandlücke, die ein Schalten bei niedrigeren Spannungen erlauben sowie Back-Gating, bei dem sich die Schwellspannung dynamisch anpassen lässt.
„Kälteoptimierte Chips könnten dazu beitragen, jede Menge Energie zu sparen, speziell in Hoch- und Höchstleistungsrechenzentren, wo Tausende bis Hunderttausende Chips zum Einsatz kommen“, erklärt Hung-Li Chiang, Wissenschaftler bei TSMC, dem weltweit größten Halbleiterhersteller mit Sitz in Taiwan.
Entwicklungen auf für Quantencomputer nutzbar
Die „Kälte-Chips“ sind zudem für die Elektronik von Quantencomputern relevant. Denn die empfindlichen Quantenzustände in Quantencomputern sind höchst empfindlich. Wärme ist praktisch Gift für Quantencomputer, die mittels spezieller Kühlvorrichtungen – Kryostaten – in der Regel auf Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts gekühlt werden.
Diese anspruchsvollen Anwendungen stehen auch im Fokus der Jülicher Forschungsgruppe um Qing-Tai Zhao. „Die Anforderungen für Quantenelektronik sind besonders hoch. Doch damit zusammenhängende Entwicklungen könnten neue Wege eröffnen für Hochleistungsrechner bei kryogenen Temperaturen und universelle kryogene Computer mit extrem niedrigem Stromverbrauch, die von Neumann-, Quanten- und neuromorphe Prozessoren integrieren“, erklärt Zhao.