Ein Stückchen Himmel

Anzeige Top-Story | Erstellt von Carsten Blumenstengel, Chefredakteur

Eine Schweizer Keramikerin verleiht unterschiedlichsten Gegenständen des Alltags, die man aus Ton oder Porzellan herstellen kann, das gewisse Etwas durch eine Vergoldung. Zeit, Geduld und viel Erfahrung sind dabei der Schlüssel zu den einzigartigen Kunstwerken.

(Bilder: Jesaias Kobelt und Romeo Alavi Kia)

Gold fasziniert die Menschheit seit jeher. Der schimmernde Glanz und natürlich die Tatsache, dass Gold selten und damit kostbar ist, machen die Faszination des Edelmetalls aus. Kein Wunder also, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte viele Verfahren entwickelt wurden, um Gegenstände mit goldenem Glanz zu veredeln, ohne dass sie deshalb aus purem Gold sein müssen.

Heute weit verbreitet und haltbar ist die galvanische Vergoldung – längst ist es möglich, nicht nur Metalle, sondern auch Kunststoffe industriell mit minimalem Zeitaufwand und hoher Kosteneffizienz zu beschichten. Doch niedrige Stückkosten sind nicht alles. Gerade in unserer zeitgetriebenen und durchgetakteten modernen Gesellschaft ist es eine Wohltat, die Vergoldung auch einmal aus der künstlerischen Perspektive zu betrachten. Zum Beispiel bei der handwerklichen Vergoldung von Keramik.

Keramik aus Leidenschaft

Die Keramikerin Esther Kobelt aus Mitlödi in der Schweiz hat ihre Faszination für Porzellan und das golden schimmernde Edelmetall zu einem Teil ihres Berufslebens gemacht. Im Jahr 2000 begann Kobelt, sich für das Töpfern und den Umgang mit Porzellan sowie die Vergoldung zu interessieren. In zahlreichen Kursen und durch viel eigenes Experimentieren sowie den Austausch mit erfahrenen Keramikern eignete sie sich über viele Jahre die Fertigkeiten und das Wissen an, um Gegenständen des Alltags einen himmlischen Glanz zu verleihen.

Dabei ist es vor allem das SubstratKeramik, das viel Hingabe, Sorgfalt und Erfahrung erfordert, bis die Keramikerin überhaupt an das Vergolden denken kann. Zunächst baut Kobelt die gewünschte Form aus einem unförmigen Klumpen Ton oder Porzellan auf ihrer Töpferscheibe auf. Es ist faszinierend, ihr dabei zuzusehen, wie sie mit großem Geschick unterschiedlichste Werksücke, von Bechern und Tassen über Kannen bis hin zu Schalen und Tellern, aus der Zweidimensionalität der Töpferscheibe emporwachsen lässt. Ihre Hände scheinen dabei ganz intuitiv und mit einer gewissen Gelassenheit von allein die richtigen Stellen zu finden, an denen sie das Porzellan modellieren müssen, um die gewünschte Form entstehen zu lassen.

 

Tage der Entschleunigung

Ist ein Werkstück fertig geformt, beginnt das Warten. Denn bevor es weitergehen kann, muss das Porzellan trocknen. „Es ist wichtig, den richtigen Zeitpunkt für die Weiterverarbeitung zu erkennen“, erklärt Kobelt. „Die Keramik muss lederhart trocken sein, das heißt, sie ist noch nicht ganz trocken, aber auch nicht mehr weich, sondern hat eine gewisse Festigkeit.“ Da die Keramikerin sehr gerne mit dünnen Wandstärken arbeitet, spielt für den mechanischen Feinschliff vor der ersten Glasur die Stabilität eine Schlüsselrolle. Ist der richtige Zeitpunkt erreicht, zentriert die Keramikerin das Objekt vorsichtig auf der Töpferscheibe und beginnt mit metallischen Schlingen und Metallplättchen die Außenfläche abzudrehen und die Form weiter zu perfektionieren. „Dabei schaue ich mir das Werkstück immer wieder genau an und arbeite hier und da noch etwas nach, bis mir die Form wirklich gefällt“, lächelt Kobelt und schaut in einen Spiegel, in dem sie das Werkstück aus einer anderen Perspektive betrachten kann. Wenn die Künstlerin fertig ist, betragen die Wandstärken manchmal oft nur noch zwei Millimeter.

Dann heißt es wieder warten – bis zu drei Tage, bis das Porzellan richtig durchgetrocknet ist. Erst dann kann der sogenannte Rohbrand bei etwa 960°C erfolgen. Auch hierbei darf Zeit keine Rolle spielen, denn eine langsame Steigerung der Brenntemperatur ist entscheidend und je langsamer sich die Temperatur erhöht, desto mehr Zeit hat die Restfeuchte als Wasserdampf allmählich zu entweichen – ansonsten könnten die Werkstücke durch den Druck des Wasserdampfes zerbersten. Ist der Rohbrand schließlich abgeschlossen, muss der Ofen langsam abkühlen. „Ich darf ihn erst öffnen, wenn die Inntemperatur auf 50°C gesunken ist“, berichtet Kobelt. „Ansonsten könnten die Gefäße durch den Temperaturschock zerplatzen.“

Weil die Schweizer Keramikerin mit so dünnen Wandstärken arbeitet, erfordert das Auftragen der Glasur mehr Zeit als üblich, da jede Seite zunächst eintrocknen muss, bevor die gegenüberliegende Seite bestrichen werden kann. Ansonsten würde das Porzellan so feucht, dass die Glasur nicht mehr einziehen könnte. Dann folgt der Glasurbrand bei 1.240°C. Nach der Abkühlphase wird es nun span- nend – das Auftragen der Goldlösung steht an. Esther Kobelt holt ein kleines, braunes Fläschchen, auf dem in kaligraphischer Schrift schlicht „Gold“ steht. Fünf Gramm des wertvollen Edelmetalls sind hier gelöst. Zum Vergolden von Porzellan dient entwe- der aus Gold(III)-chlorid durch Oxalsäure oder Eisen(II)-sulfat gefälltes und mit ba- sischem Bismut(III)-nitrat als Flussmittel gemischtes Gold. Diese Beschichtung ist sehr haltbar, muss allerdings nach dem Auf- brennen poliert werden. Kobelt arbeitet mit der sogenannten Meißener Vergoldung. Bei dieser Art der Glanzvergoldung wird eine Lösung von Schwefelgold in Schwefelbalsam eingebrannt, die unmittelbar nach dem Brand eine glänzende, aber etwas empfindlichere Oberfläche liefert.

Bevor sie das kostbare Fläschchen öffnet, zieht Kobelt eine Atemschutzmaske auf, wie sie auch Lackierer tragen. Es riecht stark nach Lösemittel. Mit einem Pinsel trägt die Keramikerin nun in ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen eine unscheinbare, bräunliche Flüssigkeit auf. „Ich würde die Konsistenz der Goldlösung als Kaffee-Rahm ähnlich bezeichnen“, überlegt Kobelt. Nach wertvollem Gold jedenfalls sieht der Auftrag jetzt noch nicht aus.

Aus Braun wird Gold

Nach einer weiteren Trockenphase wird es abermals spannend, es folgt der Goldbrand der bisher unscheinbar und bräunlich aus- sehenden Werkstücke. Bis zu einer Temperatur von etwa 560°C bleibt die Ofentür übrigens ein kleines Stückchen offen – damit die Lösemittel verdampfen können und sich im Ofen oder auf den Werkstücken beim Abkühlen später keine Niederschläge bilden. Abgeschlossen ist der Goldbrand bei rund 780°C. „So unangenehm die Goldlösung auch riecht – alle ungesunden Bestandteile verdampfen im Ofen“, bekräftigt die Künsterlin. „Das heißt, die Vergoldung ist anschließend lebensmittelecht. Ich trinke meinen Tee mit Vorliebe aus selbst vergoldeten Tassen.“ Interessant ist, dass wenn die Glasur glänzend ist, auch das Gold glänzend wird. Ist die Glasur matt, erscheint nachher auch der Goldglanz mattiert.

„Der schönste Moment für mich ist, wenn ich nach dem Goldbrand den Ofen öffne“, schwärmt Kobelt. „Manchmal denke ich, wenn mir das Gold aus dem frisch geöffneten Ofen entgegenleuchtet, ich hätte ein Stückchen Himmel eingefangen.“

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